Neues zu COVID-19-Therapeutika

Viel Rückenwind für Antikörpercocktails

Remagen - 11.03.2021, 07:00 Uhr

Nach der Ankündigung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat die Bundesregierung 200.000 Einheiten von monoklonalen Antikörpermedikamenten (hier Bamlanivimab vom US-Hersteller Eli Lilly) gekauft und an ausgewählte Unikliniken und Krankenhäuser verteilt. (Foto: IMAGO / Christian Grube)

Nach der Ankündigung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat die Bundesregierung 200.000 Einheiten von monoklonalen Antikörpermedikamenten (hier Bamlanivimab vom US-Hersteller Eli Lilly) gekauft und an ausgewählte Unikliniken und Krankenhäuser verteilt. (Foto: IMAGO / Christian Grube)


Neben Rekonvaleszentenplasma werden auch diverse neutralisierende Antikörper gegen SARS-CoV-2 aktuell breit erforscht, und zwar mit einigem Erfolg. Sie könnten in der Prophylaxe und der Therapie leichter Fälle Verwendung finden und deshalb eine wichtige Lücke auf dem Gebiet der bislang so raren Behandlungsoptionen füllen. Wie ist der Stand dazu?

Im Gegensatz zu den immunmodulatorischen Antikörpern zur Bekämpfung des gefürchteten COVID-19-assoziierten Zytokinsturms sind SARS-CoV-2-neutralisierende Antikörper gegen die Rezeptorbindungsstelle des Virus gerichtet. Sie sollen verhindern, dass es an die Wirtszelle andockt. Potenzielle Einsatzgebiete sind der Schutz vor einer Infektion oder auch die Postexpositionsprophylaxe. Ein weiterer Schwerpunkt ist die frühe Therapie leichter Krankheitsfälle. Hier könnten sie das Risiko schwerer Verläufe reduzieren. 

Das Kopf an Kopf-Rennen von Regeneron und Eli Lilly

Derzeit am weitesten fortgeschritten in der klinischen Erforschung dieses Ansatzes sind die beiden US-Unternehmen Regeneron und Eli Lilly. Regeneron hat für seinen Cocktail REGEN-CoV (EU: REGN-CoV2) mit den zwei rekombinanten humanen monoklonalen Antikörpern Casirivimab und Imdevimab am 21. November eine Notfallgenehmigung (EUA) der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) erhalten, Eli Lilly für Bamlanivimab alleine am 9. November und für die Kombination mit Etesevimab am 9. Februar 2021.

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COVID-19-Zielgruppen sind leicht bis mittelschwer erkrankte Erwachsene und Kinder ab zwölf Jahren mit einem Gewicht von mindestens 40 kg und einem hohen Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf und/oder für eine Krankenhausaufnahme.

Welche Studien laufen?

Die Notfallgenehmigung des Regeneron-Cocktails basiert auf den Daten von knapp 800 nicht hospitalisierten Erwachsenen aus den Phasen I und II einer randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten nahtlosen Phase I/II/III-Studie (NCT04425629). Für die EUAs für Bamlanivimab und die Kombination mit Etesevimab aus dem Hause Eli Lilly wurden die Zwischenergebnisse der noch laufenden Studien BLAZE-1 (NCT04427501) und BLAZE-4 (NCT04634409) herangezogen. Alle vier Antikörper werden daneben auch noch in weiteren klinischen Studien der Phase II/III für den Einsatz zur Prophylaxe oder Therapie von COVID-19 untersucht.

Weitere vielversprechende neutralisierende Antikörper

Erwähnung verdient an dieser Stelle außerdem der therapeutische Antikörper Regkirona (Regdanvimab bzw. CT-P59) der südkoreanischen Firma Celltrion. Er hat Anfang Februar in Südkorea eine bedingte Marktzulassung für eine bestimmte COVID-19-Patientenpopulation erhalten.

Die Sicherheit und Wirksamkeit von CT-P59 bei Patienten wird in Südkorea seit September 2020 in einer Phase II/III-Studie an rund 1.000 Patienten mit leichten bis mittelschweren COVID-19-Symptomen erprobt (NCT04602000).

Hinzu kommt die gentechnisch hergestellte Antikörperkombi AZD7442 von AstraZeneca. Für diese wurden die monoklonalen Antikörper AZD8895 und AZD1061 so verändert, dass sie länger als gewöhnliche Antikörper im Blut verbleiben. AZD7442 wurde zur klinischen Prüfung in die US-amerikanische ACTIV-3-Studie einbezogen, ebenso wie das Antikörper-Duo BRII-196 und BRII-198 der chinesischen Firma Brii Biosciences und der Antikörper VIR-7831 von GSK und Vir Biotechnology (siehe Tabelle).

SARS-COV-2-neutralisierende monoklonale Antikörper in fortgeschrittenen klinischen Phasen

FirmaName des/der AntikörperPhase-III/II-Studien
RegeneronCasirivimab plus ImdevimabNCT04425629 
NCT04452318  
RECOVERY (NCT04381936) 
Eli Lilly

Bamlanivimab

Bamlanivimab plus Etesevimab

BLAZE-1 (NCT04427501) 
BLAZE-2 (NCT04497987) 
BLAZE-4 (NCT04634409) 
CelltrionAZD7442 (AZD8895 plus AZD1061)PROVENT (NCT04625725) 
STORM CHASER (NCT04625972 
ACTIV-3 (NCT04501978) 
Vir Biotechnology/ GlaxoSmithKlineVIR-7831 (GSK4182136) und VIR-7832 (GSK4182137)VIR-7831: 
ACTIV-3 (NCT04501978) 
COMET-ICE(NCT04545060) 
BLAZE-4 (NCT04634409), in Kombination mit Bamlanivimab 

Rolling Review für REGN-COV2 und Celltrion-Antikörper

Für den Regeneron-Cocktail könnte eine bedingte Zulassung in der EU bereits in greifbare Nähe gerückt sein. Am 1. Februar hat die EMA einen Rolling Review zu REGN-COV2 in Gang gesetzt. Gut drei Wochen später wurde auch für Regdanvimab eine fortlaufende Datenüberprüfung gestartet und damit quasi die letzte Stufe auf dem Weg zur Zulassung in Angriff genommen. Für Bamlanivimab allein oder auch in Kombination mit Etesevimab steht dieser Schritt auf EU-Ebene bislang noch aus.

Grünes Licht der EMA nach wissenschaftlicher Bewertung

Der Boden dafür ist allerdings auch hier schon bereitet. Unabhängig von den Rolling Reviews hat der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) bei der EMA nämlich am 4. Februar in einem speziellen Verfahren eine Überprüfung sämtlicher verfügbarer Daten zur Verwendung von Casirivimab plus Imdevimab und Bamlanivimab alleine oder in Kombination mit Etesevimab zur Behandlung von Patienten mit COVID-19 eingeleitet. Solche Verfahren werden mit einem harmonisierten wissenschaftlichen Gutachten abgeschlossen. Das Ergebnis ist also nicht gleichbedeutend mit einer bedingten Zulassung auf EU-Ebene.

Am 26. Februar 2021 befürwortete die EMA den Einsatz des Regeneron-Cocktails und zog am 5. März mit einem positiven Votum zu der Antikörper-Kombi Bamlanivimab plus Etesevimab nach.

Für beide kommt die Agentur zu dem Schluss, dass sie zur Behandlung von bestätigtem COVID-19 bei Patienten verwendet werden können, die keinen zusätzlichen Sauerstoff benötigen und ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf haben. Vorläufige Studienergebnisse deuteten darauf hin, dass beide die Viruslast (Virusmenge im Nasen- und Rachenraum) stärker reduzieren als Placebo und dass sie zu weniger COVID-19-bezogenen Arztbesuchen führen, so das Urteil der EMA. Trotz der Unsicherheiten in Bezug auf die Vorteile der Monotherapie kann aus Sicht der Agentur auch die Verwendung von Bamlanivimab alleine als Behandlungsoption in Erwägung gezogen werden. Die Empfehlungen sind eine wertvolle Hilfestellung für die Mitgliedstaaten im Vorgriff auf eine etwaige EU-Zulassung der Antikörper.

Ende Januar hatte das Bundesgesundheitsministerium Kontingente von knapp 200.000 Dosen der monoklonalen Antikörper von Regeneron und Eli Lilly (Casirivimab plus Imdevimab sowie Bamlanivimab) für Deutschland gesichert. Die Anwendung soll nach individueller Nutzen-Risiko-Abschätzung der behandelnden Ärzte erfolgen.

Auch gegen Varianten wirksam?

Nach Angaben von Regeneron Pharmaceuticals soll REGN-COV2 auch die zirkulierenden SARS-CoV-2-Varianten, die erstmals in Großbritannien (B.1.1.7) und Südafrika (B.1.351) identifiziert wurden, erfolgreich neutralisieren können. Da die Variante aus Brasilien (1.1.248) die gleichen Mutationen in der Rezeptorbindungsdomäne enthält wie B.1.351, rechnet Regeneron für diese ebenfalls nicht mit einem Wirksamkeitsverlust. Die Wirksamkeit der beiden Antikörper Bamlanivimab und Etesevimab gegen die B.1.351-Variante aus Südafrika wird laut Eli Lilly aktuell in einer Studie verifiziert. Bezüglich Regkirona soll die Korea Disease Control and ­Prevention Agency (KDCA) bestätigt haben, dass es die SARS-CoV-2-Variante B.1.1.7 und daneben noch weitere sechs Genommutationen von SARS-CoV-2 (Varianten S-L-V-G.G. GHA GR) neutralisiert. Celltrion hat nach eigenen Angaben insgesamt bereits 38 potente Antikörper gegen SARS-CoV-2 erfasst und will daraus weitere Cocktails gegen die neuen Varianten entwickeln.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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