Mit Ernährung Krebs vorbeugen (Teil 2 von 3)

Sollte man auf Fleisch und Alkohol verzichten?

Stuttgart - 15.03.2021, 07:00 Uhr

Aktuell liegt der durchschnittliche Fleischkonsum pro Person und Tag bei 150 g, was etwas mehr als einem Kilo Fleisch pro Woche entspricht. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) rät zu deutlich weniger Fleisch: 300 bis maximal 600 g pro Woche. (Foto: karandaev / stock.adobe,com)

Aktuell liegt der durchschnittliche Fleischkonsum pro Person und Tag bei 150 g, was etwas mehr als einem Kilo Fleisch pro Woche entspricht. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) rät zu deutlich weniger Fleisch: 300 bis maximal 600 g pro Woche. (Foto: karandaev / stock.adobe,com)


Warum erhöhen Fleisch und Wurst das Krebsrisiko?

Woran liegt es, dass verarbeitete Fleischwaren und manche Fleischsorten das Darmkrebsrisiko treiben? Dies liegt Smollich zufolge an der Bildung von Protein- und DNA-Addukten, die an der Tumorentstehung beteiligt sind. Zentrale Rollen spielen dabei im Fleisch enthaltene Stoffe – Hämeisen und Arachidonsäure – und auch die Zubereitungsart des Fleischs. So kann das im Myoglobin von rotem Fleisch enthaltene Hämeisen (Fe²+) mit Wasserstoffperoxid reagieren, toxische Sauerstoffradikale bilden und DNA-Mutationen auslösen. Die im Fleisch enthaltene Arachidonsäure ist hingegen Vorläufer für proinflammatorische Mediatoren – und die „lokale Inflammation“ spielt laut Smollich beim Kolorektalkarzinom eine „wichtige Rolle“. Durch Grillen können sich zudem polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe bilden. Verarbeitetes Fleisch sei zudem meist gepökelt, und es entstünden krebserregende Nitrosamine und reaktive Sauerstoffspezies. Diese Effekte ließen sich durch Enzyminduktion – durch gleichzeitiges Rauchen – noch verstärken. 

Fleisch hat, verglichen mit Gemüse, eine relativ hohe Kaloriendichte und kann so zum Adipositasrisiko beitragen. Hinzu kommen Modifikation der Darmmikrobiota, die die Produktion protektiver Metaboliten reduzieren, was die Tumorpromotion fördert, postbiotische Effekte des Fleischs BMMFs – Substanzen, die über Transfektion zur Inflammation führen und Tumorpromotion betreiben. BMMFs (Bovine Meat Milk Factors) sind relativ neu entdeckte Erreger bestehend aus kleinen DNA-Elementen, die Ähnlichkeit mit bakteriellen Plasmiden aufweisen. Gefunden wurden sie in Rindfleisch und Milchprodukten, BMMF-DNA im Colon und BMMF-Proteine in Colon, Brust, Prostata und Gehirn. „Es ist davon auszugehen, dass Menschen sich mit den BMMFs im frühen Säuglingsalter infizieren – wenn ihr Immunsystem noch nicht ausgereift und leistungsfähig ist, erklärt das DKFZ (Deutsches Krebsforschungszentrum) anlässlich einer Pressekonferenz zu „Neuartige Infektionserreger als Krebsrisikofaktoren“ im Februar 2019. Die Erreger induzierten in bestimmten Geweben (Darm, Brust) eine chronisch-entzündliche Reaktion, die im umgebenden Gewebe die Krebsentstehung fördern könne. 

An den Forschungsarbeiten – „Specific nutritional infections early in life as risk factors for human colon and breast cancers several decades later“ – beteiligt war auch Professor Harald zur Hausen. Zur Hausen erhielt 2008 den Nobelpreis für Medizin für die Entdeckung eines Zusammenhangs zwischen einer Infektion mit HPV (Humane Papillomaviren) und der Entstehung von Gebärmutterhalskrebs. Prof. Smollich widmet sich diesem Thema in seinem Ernährungsmedizinblog „Krebs durch Infektionserreger aus Milch und Fleisch?

Es gibt keine unbedenkliche Alkoholmenge

Ein zweiter wichtiger Risikofaktor für Tumoren ist Alkohol, er gehört laut IARC-Einstufung in die gleiche Risikokategorie wie verarbeitetes Fleisch (Gruppe 1) und zeichnet für 10 Prozent aller ernährungsbedingter Krebstodesfälle verantwortlich. Für die onkogene Wirkung von Ethanol sind Smollich zufolge zahlreiche Pathomechanismen bekannt: Es komme durch chronischen Alkoholkonsum zum Mangel an bestimmten Mikronährstoffen – ein Vitamin A-Mangel könne sodann das Risiko für Leberzellkrebs erhöhen, ein Mangel an Folsäure sei mit Rektumkarzinomen assoziiert. Zudem betonte Smollich die nicht zu unterschätzenden Estrogen-modulierenden Wirkungen von Alkohol und das dadurch erhöhte Risiko für bestimmte Brustkrebsarten. Nicht zu vergessen ist darüber hinaus die direkt mutagene Wirkung von Acetaldehyd. Doch gilt denn Rotwein nicht als „gesund“ – aufgrund der enthaltenen Resveratrole? Nein: „Toxikologisch gesehen ist Ethanol humankarzinogen, und es macht keinen Unterschied, ob dieser in Bier oder Wein enthalten ist, eine sichere Dosis gibt es nicht“, erklärte Smollich.

Arsen, Blei, Cadmium: 10 Prozent der ernährungsbedingten Krebserkrankungen

Daneben gibt es viele andere Risikofaktoren für ernährungsbedingten Krebs: Blei und Arsen, letzteres findet sich laut Smollich häufig in Reiswaffeln oder in Vollkornreis, auch Cadmium und Quecksilber (Seefisch) und Acrylamid (Toastbrot) sind krebserregend. Auch diese Faktoren seien relevant – doch machten diese Faktoren zusammen gerade einmal 10 Prozent des ernährungsbedingten Krebsrisikos aus, erinnerte Smollich.

Wie wirken eigentlich Ballaststoffe präventiv bei Darmkrebserkrankungen? Darum geht es im dritten Teil von „Mit Ernährung Krebs vorbeugen: Wie gut sind Ballaststoffe, Seefisch und Nahrungsergänzungsmittel?“.

Wie wirkt sich Übergewicht auf das Krebsrisiko aus? Das ist das Thema des ersten Teils von „Mit Ernährung Krebs vorbeugen: Wie beeinflusst Übergewicht das Krebsrisiko?“.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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