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Das Spahn’sche Masken-Desaster
Die Geister, die ich rief
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat die schlampig ausgestaltete Verordnung zur Ausgabe von Schutzmasken in den Apotheken offenbar gegen alle Bedenken seiner Ministerialbeamten durchgesetzt. Sein Werk fällt ihm ausgerechnet in einer Zeit noch einmal auf die Füße, in der man unionsintern äußerst dünnhäutig reagiert, wenn es um Geld und Masken geht. Leidtragende sind auch die Apotheken, die in der öffentlichen Wahrnehmung als Nutznießer des Spahn’schen Alleingangs dastehen, meint DAZ.online-Redakteurin Christina Müller.
Für Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) läuft das Jahr 2021 bisher alles andere als rund. Testkonzept hakt, Google-Deal gescheitert, Impfstrategie stockt – nichts will ihm so recht gelingen. Und nun auch noch das: Nach Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung haben seine Beamten im Bundesgesundheitsministerium ihn mehrfach gewarnt, seine Masken-Verteilaktion über die Apotheken sei zu teuer und er solle lieber davon abrücken. Doch Spahn zückte laut „Tagesschau“-Bericht den Grünstift und wies sein Ministerium dennoch an, eine entsprechende Verordnung auf den Weg zu bringen.
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Minister unter Druck
Die Kritik an Spahn und seiner hemdsärmeligen Masken-Verordnung, die er bekanntermaßen wegen des massiven öffentlichen und internen Drucks bereits Ende Januar überarbeiten lassen musste, ist nicht neu. Sie gewinnt aber an Brisanz mit der Erkenntnis, dass er all die Warnungen aus den Fachreferaten in den Wind schlug und sich bei der Preisfindung auf eine simple Internetrecherche bei Preisvergleichsportalen wie Idealo.de, geizhals.de, und restposten.de sowie Presseartikel beruft – die vermutlich auch noch viel Geld gekostet haben dürfte, denn namhafte Berater wie EY arbeiten bekanntlich nicht umsonst.
Zudem kommt die Berichterstattung für Spahn zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: Erst kürzlich war einzelnen Unionsabgeordneten, darunter der Gesundheitspolitiker Georg Nüßlein (CSU), sogar die Immunität entzogen worden, weil sie in Verdacht gerieten, Geld für die Vermittlung von Masken-Deals kassiert zu haben. Korruption lautet der Vorwurf – und für die Union resultiert daraus ein ernster Imageschaden, der sich sogleich in sinkenden Umfragewerten niederschlug. In einem Superwahljahr wie diesem kommt das einer politischen Katastrophe gleich.
Bittere Folgen für die Apotheken
Ausgerechnet in eine Zeit, in der man bei CDU und CSU mehr als satt sein dürfte, wenn es um Masken-Mauscheleien geht, fällt nun also die Veröffentlichung der Rechercheergebnisse von NDR, WDR und SZ. Auch wenn der Minister schon vorher persönlich in der Kritik stand für seine verkorkste Masken-Verordnung, spitzt sich die Lage damit weiter zu für ihn. Inzwischen werden aus Politik und Gesellschaft immer mehr Stimmen laut, die ihn als Bundesgesundheitsminister für nicht mehr tragbar halten. Dennoch: Es erscheint mit Blick auf die Corona-Pandemie eher unwahrscheinlich, dass sich die Kanzlerin dazu hinreißen lässt, Spahn jetzt aus dem Amt zu schmeißen. Wen sollte sie stattdessen berufen, der praktisch ohne Einarbeitungszeit handlungsfähig wäre?
Für die Apotheken hat der Wirbel um Spahn übrigens einen höchst unangenehmen Nebeneffekt: Sie gelten als die Nutznießer seines Vorstoßes, die sich auf Kosten des Staats die Taschen vollmachen – und das, obwohl sie zu keinem Zeitpunkt finanzielle oder sonstige Forderungen in dieser Angelegenheit aufgestellt hatten. Im Gegenteil: Auch sie überrumpelte der Minister und brachte sie im Dezember organisatorisch an ihre Grenzen, als sie über das Wochenende Tausende von Masken beschaffen mussten, um ihren Auftrag zu erfüllen.
Leider gelingt es auch den Autoren der „Tagesschau“ nicht, hier zu differenzieren. Mit der Schlagzeile „Dumm und dämlich verdient“ setzen sie in ihrem Beitrag nicht auf die Qualität ihrer journalistischen Recherche, sondern entscheiden sich für eine reißerische Aufmachung, die völlig zu Unrecht ein zweifelhaftes Licht auf jene Berufsgruppe wirft, die die Konsequenzen aus dem Schnellschuss des Ministers unmittelbar ausbaden durfte. Einem Medium wie der „Tagesschau“, das einen gewissen Qualitätsanspruch für sich geltend macht, hätte ein wenig mehr Sachlichkeit gut zu Gesicht gestanden.
6 Kommentare
Dumm und Dämlich verdient
von Heinrich Banßhaf am 18.03.2021 um 19:43 Uhr
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...das liebe Geld...
von Impfapotheker am 18.03.2021 um 19:14 Uhr
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AW: ...das liebe Geld
von Thomas Kerlag am 19.03.2021 um 9:34 Uhr
Kopfschütteln
von Karl Friedrich Müller am 18.03.2021 um 16:32 Uhr
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Qualität?
von Stefan Haydn am 18.03.2021 um 15:56 Uhr
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Masken
von Michael Zeimke am 18.03.2021 um 14:33 Uhr
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