Sonderprüfungen bei Rechenzentren

Wirtschaftsprüfer sollen BaFin zuarbeiten

Stuttgart - 14.04.2021, 10:45 Uhr

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) beabsichtigt „zeitnah“, bei mehreren Factoring-Instituten im Gesundheitswesen Sonderprüfungen durchzuführen. Auch zwei Apothekenrechenzentren könnten davon betroffen sein. (Foto: IMAGO / Winfried Rothermel)

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) beabsichtigt „zeitnah“, bei mehreren Factoring-Instituten im Gesundheitswesen Sonderprüfungen durchzuführen. Auch zwei Apothekenrechenzentren könnten davon betroffen sein. (Foto: IMAGO / Winfried Rothermel)


KfW-Kredite, Treuhandkonten-Pflicht, Sonderprüfungen – aus Sicht der Bundesregierung muss bei der Bewältigung der AvP-Insolvenz offenbar nicht viel mehr passieren. Mit einer Kleinen, aber äußerst detaillierten Anfrage richteten sich vier Abgeordnete der FDP-Bundestagsfraktion erneut an die Regierungsverantwortlichen – und erhielten nur ein sehr vages Bild von der aktuellen Lage und den geplanten Konsequenzen. „Die Situation für die betroffenen AvP-Apotheken bleibt bitter“, fasst der FDP-Gesundheitsexperte Wieland Schinnenburg zusammen.

Die FDP-Bundestagsfraktion lässt nicht locker und hat die Bundesregierung erneut zum Thema „Folgen der AvP-Insolvenz für die Apotheken“ befragt. Doch bei der Beantwortung kratzt das Bundesministerium für Gesundheit viele Themen nur oberflächlich an. Für informierte Kreise ergeben sich aus der Antwort der Bundesregierung kaum Neuigkeiten. Dabei hatten die Liberalen mit ihrem Fragenkatalog unter dem Titel „Apotheken in der Krise – Versorgungssicherheit in ländlichen Regionen gewährleisten, Defizite bei Factoring-Unternehmen im Gesundheitswesen aufklären und ausräumen“ einen Rundumschlag konzipiert. Im Folgenden fasst DAZ.online die wichtigsten Punkte kommentierend zusammen.

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Auf die Frage, welche Hilfsprogramme die Bundesregierung den von der AvP-Insolvenz betroffenen Apotheken zur Verfügung stellt, wird konkret nur das Sonderprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), einschließlich des KfW-Schnellkredits, genannt. „Ein speziell für die von der AvP-Deutschland GmbH (AvP)-Insolvenz betroffenen Apotheken entwickeltes Hilfsprogramm existiert nicht“, heißt es in der Antwort. Seit dem Start der Hilfsprogramme sollen im Rahmen des KfW-Sonderprogramms (inklusive KfW-Schnellkredit) 368 Anträge mit einem Antragsvolumen in Höhe von 71 Millionen Euro von Apotheken eingegangen sein. Davon seien 355 Anträge mit einem Gesamtvolumen in Höhe von 69 Millionen Euro zugesagt worden (Stand: 19. März 2021).

Einordnung: Wie DAZ.online bereits Anfang Februar darstellte, stehen Apotheken die KfW-Darlehen aus dem Sonderprogramm bereits seit März 2020 (!) zur Verfügung, da es sich um Wirtschaftshilfen im Rahmen der Corona-Pandemie handelt. Von der Insolvenz des Rechenzentrums AvP können die Apotheken allerdings erst seit frühestens September 2020 betroffen sein. Daraus ergibt sich das Problem, dass weder die Bundesregierung noch die KfW anhand dieser Gesamtzahlen differenzieren kann, aus welchem Grund die jeweiligen Betriebe die Kredite beantragt und letztlich zugesagt bekommen haben. In den 355 bewilligten Darlehen stecken also auch Anträge, die zwischen März und September 2020 und somit zeitlich vor der AvP-Insolvenz bei der KfW aufschlugen. Es wird aber auch klar: „Extra-Geld“ gab und wird es für die von der Pleite betroffenen Apotheke nicht geben.

Darüber hinaus wird in der Antwort darauf verwiesen, dass die Vergabe von Krediten im Rahmen des KfW-Sonderprogramms nach dem Hausbankprinzip erfolgt. Dabei prüften die Hausbanken die Einhaltung der Fördervoraussetzungen und leiteten den Kreditantrag bei einem positiven Ergebnis an die KfW weiter. Der Bundesregierung lägen keine Informationen über Anzahl und Gründe für von Hausbanken abgelehnte Kreditanträge von Apotheken vor.

Einordnung: Recherchen von DAZ.online ergaben im Oktober 2020, dass es bei der Vergabe der Kredite zu teils unüberwindbaren Hürden kommt. So scheitern die Anträge an praktisch unerfüllbaren Bedingungen. Dazu gehört einerseits das Umschuldungsverbot, weitere Gründe können aber auch sein, dass die Bestimmungen des „Temporary Framework“ der Europäischen Kommission – also dem befristeten Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft – nicht erfüllt sind, insbesondere die Maßgabe, dass die Apotheken nicht schon zum 31. Dezember 2019 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten waren. Gerade die Voraussetzung, dass sich die Apotheken zum Zeitpunkt des Antrags mit ihren Konten nicht im „Soll“ befinden dürfen, macht die politische Hilfsmaßnahme für viele AvP-Betroffenen zu einem unerreichbaren Angebot.

Kontrollbedarf für GKV-Finanzmittel

Bezüglich der Frage, ob die Bundesregierung innerhalb des Finanzsystems zusätzlichen Kontrollbedarf für Finanzmittel aus der Sphäre der gesetzlichen Krankenversicherung wie verschärfte Kontrollen sieht, wird auf das aktuelle Gesetzgebungsvorhaben des Gesundheitsversorgungs-Weiterentwicklungsgesetzes (GVWG) verwiesen, in dem das Vorhaben verankert ist, eine Treuhandkonten-Pflicht für Apothekenrechenzentren einzuführen.

Einordnung: Was den Nutzen einer Treuhandkonten-Pflicht für Abrechner betrifft, sind sich die von DAZ.online befragten Branchenkenner einig, dass diese allein nur einen unzureichenden Effekt haben wird. So wies Werner Dick vom Bundesverband Deutscher Apothekenrechenzentren (VDARZ) im Interview mit DAZ.online vergangenen Dezember auf den Unterschied zwischen offenen und verdeckten Treuhandkonten hin. Während nach aktueller Gesetzeslage verdeckte Konten den Apotheken keine erkennbar größere Sicherheit böten als bisher, sei das Einführen offener Konten mit Blick auf den organisatorischen Aufwand „absolut unrealistisch“. Sein Vorschlag daher: „Die andere Alternative aus unserer Sicht ist die gesetzliche Verankerung, dass verdeckte Treuhandkonten im Fall einer Insolvenz grundsätzlich ausgesondert werden können.“ Tatsächlich stellt sich die Frage, ob die Pflicht zur Abrechnung über Treuhandkonten ein Problem wie bei der AvP-Insolvenz hätte verhindern können. Diese Hoffnung stützt sich auf die Erkenntnis, dass bei AvP Abrechnungsgelder und eigene Gelder des Unternehmens offenbar vermischt wurden. Doch selbst wenn eine eindeutige Zuordnung möglich gewesen wäre, hätte die in den AGB verankerte Vollabtretung der Forderungen der Apotheken gegenüber den Krankenkassen an AvP einer Aussonderung entgegengestanden.

Wie bereits vor wenigen Monaten angekündigt, verweist auch die Bundesregierung in ihrer Antwort darauf, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) „zeitnah“ beabsichtigt, bei mehreren Factoring-Instituten im Gesundheitswesen Sonderprüfungen durchzuführen. Die Auswahlkriterien für die Prüfungen orientieren sich dabei an der Größe der Unternehmen und der Art der abgerechneten Forderungen, heißt es in dem Papier. Prüfungsschwerpunkte sollen dabei die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation sowie das Rechnungswesen der jeweiligen Institute sein. Aufgrund der „hierfür teilweise erforderlichen Spezialkenntnisse“ werden die Prüfungen ausgeschrieben, und zwar europaweit und explizit an Wirtschaftsprüfer bzw. Wirtschaftsprüfungsgesellschaften gerichtet. Die Prüfungen sollen dann durch BaFin-Mitarbeiter begleitet werden. Erste Prüfungsergebnisse werden zum Jahreswechsel 2021/22 erwartet, unterliegen jedoch der Verschwiegenheitspflicht.

Einordnung: Ein BaFin-Sprecher bestätigte Ende Februar gegenüber DAZ.online, dass von der Sonderprüfung auch Abrechnungsstellen für Apotheken betroffen sind. Um welche es dabei genau geht, erläuterte die Behörde damals nicht näher. Ein Blick in die Unternehmensdatenbank der BaFin verrät jedoch, dass zwei Dienstleister aus dem Apothekenbereich für Sonderprüfungen gemäß § 44 Kreditwesengesetz (KWG) infrage kommen: Sowohl beim Apotheken- und Ärzte-Abrechnungszentrum Dr. Güldener GmbH als auch bei Noventi HealthCare GmbH handelt es sich um Finanzdienstleistungsinstitute mit Factoringerlaubnis, die der BaFin-Aufsicht unterliegen. Andere Apothekenrechenzentren werden als „freigestellte sonstige Institute“ in der Unternehmensdatenbank geführt und unterliegen dementsprechend nicht der üblichen Aufsicht.

Abrechnung – kein Thema für die Telematikinfrastruktur

Inwiefern die Einführung elektronischer Verordnungen (E-Rezepte) Veränderungen bei der Abrechnung bringt, erklärt die Bundesregierung zum Schluss: Damit Leistungserbringer Leistungserbringer verpflichtet werden können, ab dem 1. Januar 2022 vertragsärztliche Verordnungen von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln elektronisch zu erstellen und dem Versicherten über die Telematikinfrastruktur elektronisch zur Verfügung zu stellen, arbeitet die Gesellschaft für Telematik (Gematik) an der Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen. Davon ausgeschlossen seien aber die technische und organisatorische Umsetzung der anschließenden Abrechnung der E-Rezepte. Diese erfolge außerhalb der Telematikinfrastruktur und gehöre nicht zu den Aufgaben der Gematik. Eine Anbindung von Apothekenrechenzentren an die Telematikinfrastruktur sei demnach derzeit nicht vorgesehen. Die Regelungen des fünften Sozialgesetzbuch (SGB V) würden darüber hinaus keine verpflichtende Inanspruchnahme eines Apothekenrechenzentrums durch Apotheken vorsehen. Die Entscheidung sei eine privatwirtschaftliche.

Einordnung: Gemäß § 300 SGB V regeln der GKV-Spitzenverband und der Deutsche Apothekenverband (DAV) in einer Arzneimittelabrechnungsvereinbarung das Nähere über die Verwendung von E-Rezepten für die Arzneimittelabrechnung. Stichtag war der 31. März 2020. Bisher liegen jedoch keine offiziellen Ergebnisse vor. Nach Informationen von DAZ.online stellt es offenbar eine größere Herausforderung dar, die modernen Daten der E-Rezepte in die eher betagte EDV der Krankenkassen einzuspeisen. „Hier trifft die neue auf die alte Welt“, brachte es ein Vertreter der Apothekenrechenzentren Ende Januar gegenüber DAZ.online auf den Punkt. Man müsse erst einmal einen Standard schaffen, damit die Verordnungsdaten zwischen den Apotheken und Krankenkassen übertragen werden könnten. Dieser solle am Ende den gleichen technischen Sicherheitsanforderungen entsprechen, wie jene innerhalb der TI. Ungeklärt seien jedoch Fragen hinsichtlich der Versicherung der Rezeptdaten. Die bisherigen Regelungen im Sozialrecht würden noch vom Papierrezept ausgehen und seien zum Teil 60 Jahre alt. „Es kann nicht sein, dass die Apotheken für die Übertragung der E-Rezept-Daten letztlich höhere Gebühren zahlen müssen als für die Übersendung der Papierrezepte“, so der Vertreter der Rechenzentren. Auch einer weiteren Bürokratisierung wolle man entgegenwirken. So steht auch die Netzgesellschaft Deutscher Apotheker (NGDA) bereit, um technischen Support zu leisten. Denkbar wäre, für die Authentifizierung auf die bereits bestehenden N-Ident-Zertifikate zurückzugreifen.

Reaktion aus der Opposition

Äußerst unzufrieden sind die Abgeordneten mit der Antwort der Bundesregierung auf ihre Kleine Anfrage. Wieland Schinnenburg, Mitglied im Gesundheitsausschuss für die FDP-Bundestagsfraktion, kommentiert die Reaktion der Regierungsverantwortlichen folgendermaßen: „Die Situation für die betroffenen AvP-Apotheken bleibt bitter: Sie müssen sich selbst helfen oder mit den bestehenden Bundeshilfen klarkommen. KfW-Sonderhilfen, geschweige denn Erleichterungen in den Rückzahlungskonditionen, gibt es für sie nicht. Die Gefahr von Insolvenzen und etwaige Versorgungsengpässe sind damit keinesfalls gebannt.“

Für besonders schlimm hält er die Gleichgültigkeit der Bundesregierung gegenüber der ausufernden Abrechnungsbürokratie. Warum dafür nicht die Telematikinfrastruktur beispielsweise durch eine Anbindung der Apothekenrechenzentren genutzt wird, bleibt ihm dabei schleierhaft. Positiv allein ist für Schinnenburg das angekündigte Vorhaben der Großen Koaltion, künftig Treuhandkonten für Abrechnungsstellen vorzuschreiben. Damit sieht er eine zentrale Forderung der FDP umgesetzt. Die ABDA begrüßte in ihrer Stellungnahme zum GVWG-Entwurf ebenfalls die beabsichtigte Einführung einer Treuhandkonten-Pflicht, machte zugleich aber keine weiteren Vorschläge zur Absicherung und Weiterentwicklung der Rezeptabrechnung.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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