Viertes Bevölkerungsschutzgesetz

GroKo bessert Bundes-Notbremse nach

Berlin - 19.04.2021, 17:25 Uhr

Am 21. April soll die „Bundes-Notbremse“ abschließend im Bundestag beraten werden. (Foto: IMAGO / serienlicht)

Am 21. April soll die „Bundes-Notbremse“ abschließend im Bundestag beraten werden. (Foto: IMAGO / serienlicht)


Die Regierungsfraktionen haben nach der massiven Kritik am Gesetzentwurf für das Vierte Bevölkerungsschutzgesetz – die sogenannte Bundes-Notbremse – Änderungsanträge vorgelegt. Unter anderem sollen die Ausgangsbeschränkungen ab einer 100er-Inzidenz nun erst ab 22 Uhr gelten, zudem wird die Bundesregierung mit einer eigenen Vorschrift ermächtigt, Erleichterungen für Geimpfte oder Getestete zu regeln.

Erwartungsgemäß wird das Vierte Bevölkungsschutzgesetz nach viel Kritik aus der Opposition und auch aus den eigenen Reihen in Details noch einmal geändert, bevor der Bundestag am morgigen Mittwoch in zweiter und dritter Lesung abschließend über den Entwurf abstimmt. Die Koalitionsfraktionen haben sich auf verschiedene Ent- und Verschärfungen verständigt.

Grundsätzlich greift die „Notbremse“, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz (Ansteckungen binnen sieben Tagen pro 100.000 Einwohner) in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinander folgenden Tagen die Schwelle von 100 überschreitet. Dann sollen ab dem übernächsten Tag schärfere Maßnahmen gelten. Diese sollen so lange in Kraft bleiben, bis die Sieben-Tage-Inzidenz an fünf aufeinander folgenden Tagen die Schwelle von 100 unterschreitet.

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Private Kontakte: Es darf sich höchstens ein Haushalt mit einer weiteren Person treffen. Kinder bis 14 Jahre zählen nicht mit. Für Zusammenkünfte von Ehe- und Lebenspartnern oder zur Wahrnehmung des Sorge- und Umgangsrechts gilt die Kontaktbeschränkung nicht. Bei Trauerfeiern nach Todesfällen dürfen jetzt bis zu 30 Personen (zunächst geplant: 15 Personen) zusammenkommen.

Ausgangsbeschränkungen: Die geplanten Ausgangsbeschränkungen sollen ab 22.00 Uhr (ursprünglich: 21.00 Uhr) gelten. Bis 5.00 Uhr darf man die eigene Wohnung oder das eigene Grundstück nicht mehr verlassen. Ausnahmen sind die „Abwendung einer Gefahr für Leib, Leben oder Eigentum“ wie etwa gesundheitliche Notfälle bei Mensch und Tier oder dringende medizinische Behandlungen. Eine neue Ausnahme ist: „Körperliche Bewegung alleine, nicht jedoch in Sportanlagen“ soll bis Mitternacht erlaubt bleiben.
Ausgenommen sind in der Regel auch die Ausübung eines Berufs oder Mandats und die journalistische Berichterstattung. Das Gleiche gilt für die Wahrnehmung von Sorge- oder Umgangsrecht, die unaufschiebbare Betreuung Unterstützungsbedürftiger oder Minderjähriger oder die Begleitung Sterbender, Versorgung von Tieren oder „ähnlich gewichtige und unabweisbare Gründe“.

Homeoffice: Arbeitgeber werden verpflichtet, Angestellten, die Büroarbeiten oder vergleichbare Tätigkeiten ausüben, das Arbeiten im Homeoffice anzubieten. 

Geschäfte: Läden dürfen Kunden nur noch empfangen, wenn diese einen negativen Corona-Test vorlegen und einen Termin gebucht haben. Ab einer Inzidenz von 150 soll nur noch das Abholen bestellter Waren möglich sein (Click & Collect). In der ersten Notbremse-Version war ab einer Inzidenz von 100 eine Schließung der Geschäfte vorgesehen.

Ausgenommen von Schließungen oder starken Beschränkungen bleiben weiterhin der Lebensmittelhandel, Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörgeräteakustiker, Tankstellen, Zeitungsverkäufer, Buchhandlungen, Blumenläden, Tierbedarfs- und Futtermittelmärkte und Gartenmärkte. Diese dürfen aber nur das übliche Sortiment verkaufen. Für die zulässige Kundenanzahl gelten Grenzen in Abhängigkeit von der Verkaufsfläche. In geschlossenen Räumen müssen Kunden eine Maske auf FFP2-Niveau oder eine medizinische Maske tragen.

Freizeit und Kultur: Einrichtungen wie Schwimmbäder, Saunen, Diskotheken, Bordelle, Wellnesszentren, Ausflugsschiffe oder Indoorspielplätze müssen schließen. Dasselbe gilt für Theater, Opern, Konzerthäuser, Bühnen, Musikclubs, Kinos (außer Autokinos), Museen, Ausstellungen und Gedenkstätten, auch entsprechende Veranstaltungen sind untersagt. Die Außenbereiche von Zoos und botanische Gärten sollen für Besucher mit aktuellem Negativ-Test offen bleiben.

Sport: Nur kontaktloser Individualsport bleibt erlaubt, den man alleine, zu zweit oder mit Angehörigen des eigenen Hausstands ausüben kann. Für Berufs- und Leistungssportler gibt es Ausnahmen. Für Kinder im Alter bis 14 Jahren soll Sport in Gruppen weiter möglich sein.

Gastronomie: Der Betrieb von Gastronomiebetrieben und Kantinen wird untersagt. Es gibt aber Ausnahmen etwa für Speisesäle in Reha-Zentren oder Pflegeheimen, die Versorgung Obdachloser oder von Fernfahrern. Die Abholung von Speisen und Getränken zum Mitnehmen bleibt erlaubt, ebenso die Auslieferung.

Körpernahe Dienstleistungen: Dienstleistungen mit körperlicher Nähe zum Kunden sind untersagt. Ausgenommen sind Dienstleistungen, „die medizinischen, therapeutischen, pflegerischen oder seelsorgerischen Zwecken dienen sowie Friseurbetriebe“. Dabei müssen in der Regel FFP2-Masken oder Masken mit gleicher Schutzwirkung getragen werden. Wer zum Friseur will, muss ein höchstens 24 Stunden altes negatives Testergebnis vorweisen.

Nah- und Fernverkehr: In Bus, Bahn und Taxi sind Masken mit FFP2-Niveau Pflicht. Möglichst soll nur die Hälfte der regulär zulässigen Passagiere mitfahren.

Tourismus: Die Vermietung touristischer Übernachtungsmöglichkeiten ist untersagt.

Schulen und Verordnungen

Weiterhin gilt: Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte müssen im Präsenzunterricht zweimal pro Woche getestet werden. Darüber hinaus gilt hier eine eigene Notbremse: Überschreitet die Sieben-Tage-Inzidenz an drei aufeinanderfolgenden Tagen den Schwellenwert von 165 (ursprünglich sollte hier eine Inzidenz-Schwelle von 200 gelten), so wird ab dem übernächsten Tag der Präsenzunterricht in Schulen, Berufsschulen, Hochschulen, Einrichtungen der Erwachsenenbildung und ähnlichen Einrichtungen verboten. Ausnahmen für Abschlussklassen und Förderschulen sind möglich. Diese Bremse gilt auch für Kitas, die Länder können aber Notbetreuung ermöglichen. Die Schulbremse tritt außer Kraft, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz an fünf aufeinander folgenden Tagen den Schwellenwert wieder unterschreitet.

Neu ist zudem, dass die Bundesregierung keine Verordnungen zur Eindämmung der Pandemie vorbei am Bundestag erlassen kann. Die alte Fassung des Gesetzentwurfs sah vor, dass die Bundesregierung ermächtigt wird, „zur einheitlichen Festsetzung von Corona-Maßnahmen Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates zu erlassen“.

Dafür wird die Bundesregierung jetzt in einer gesonderten Vorschrift ermächtigt, besondere Regelungen für Geimpfte, Getestete und vergleichbare Personen zu bestimmen – per Rechtsverordnung mit Zustimmung von Bundestag und Bundesrat, wie es im Änderungsantrag heißt.

Alle Regelungen sind erst einmal befristet bis zum 30. Juni. Bisher hieß es, die Bundes-Notbremse solle nur gelten, solange in Deutschland eine epidemische Lage von nationaler Tragweite als festgestellt gilt. Der Bundestag muss dies alle drei Monate bekräftigen.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich geht davon aus, dass Klagen gegen die Bundes-Notbremse durch die entschärften Pläne zu Ausgangsbeschränkungen kaum Chancen haben. „Wir sind der festen Überzeugung, dass das ein tragbarer Bereich ist, der auch der Überprüfung aufseiten der Gerichte standhalten kann“, sagte Mützenich am Montag nach einer Sitzung der SPD-Fraktion.



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