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Digitaler Impfpass
EU macht den Weg frei für das Grüne Zertifikat
Die Europäische Union hat sich über die Rahmenbedingungen zu einem digitalen „Grünen Zertifikat“ geeinigt, mit dem künftig eine Corona-Impfung, eine Genesung oder negative Testergebnisse nachgewiesen werden sollen. Doch was genau bringt es?
Auf einer Pressekonferenz am Donnerstagabend gab der spanische EU-Parlamentarier Juan Fernando López Aguilar bekannt, nach „aufreibenden” und „stundenlangen” Verhandlungen hätten das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten einen Kompromiss zu den Rahmenbedingungen beim sogenannten Grünen Zertifikat beschlossen. Der Gesetzentwurf muss in der kommenden Woche noch durch den Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres der EU genehmigt werden.
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Mit dem digitalen Zertifikat sollen die Kontrolle und das Ausstellen von Impfnachweisen innerhalb der Europäischen Union vereinheitlicht werden, ebenso Nachweise einer Genesung nach durchgemachter SARS-CoV-2-Infektion und Testergebnisse. Damit verfolgt die EU zwei Ziele: Zum einen soll es die Abläufe bei Reisen zwischen verschiedenen EU-Staaten erleichtern. Ein weiterer, offenbar wichtiger Grund ist die vergleichsweise hohe Fälschungssicherheit eines digitalen Zertifikats.
Bislang hätten Reisende verschiedene Arten von Nachweisen wie ärztliche Bescheinigungen, Testergebnisse oder Erklärungen vorweisen müssen, heißt es im Verordnungsentwurf der EU-Kommission. Aufgrund „des Fehlens standardisierter und gesicherter Formate” hätten sie dabei zum Teil „Probleme bei der Akzeptanz solcher Bescheinigungen” gehabt. Zudem solle es zur Vorlage unwahrer Angaben enthaltender oder gefälschter Dokumente gekommen sein.
Apotheken dürfen Zertifikat nachträglich erstellen
Das digitale Grüne Zertifikat soll nun als Nachweis über Impfung, Genesung oder Corona-Test von Ärzten, Impf- oder Testzentren ausgestellt werden und einen QR-Code enthalten. Wer in der Vergangenheit bereits geimpft wurde, soll den Nachweis in das Grüne Zertifikat übertragen lassen können, was auch in Apotheken möglich sein soll.
In der gesamten EU soll die Echtheit der Zertifikate anhand des QR-Codes überprüft werden können, auch wenn diese in einem anderen Land ausgestellt wurden. Die digitale Plattform dazu haben im Auftrag der EU-Kommission die Deutsche Telekom und SAP entwickelt. Laut EU soll niemand gezwungen werden, den Nachweis auf dem Smartphone mit sich zu führen, auch ein Ausdruck des Nachweises mit dem QR-Code soll gültig sein.
Welche Vorteile hat das Grüne Zertifikat für Reisende?
Der Vorteil des neuen Zertifikats für die Reisenden selbst dürfte begrenzt sein: Reisen innerhalb der EU sind mit einem negativen PCR-Testergebnis ohnehin schon möglich. Mehrere Länder verzichten zudem auch jetzt schon bei Geimpften und Genesenen auf solche Tests. Für Geimpfte und Genesene, die mit dem digitalen Zertifikat ihren Status nachweisen können, könnte nun lediglich in weiteren Ländern die Testpflicht entfallen. Ungeimpfte, die noch keine Infektion mit dem Coronavirus durchgemacht haben, müssen sich ohnehin nach wie vor testen lassen.
In einigen Fällen könnte das digitale Zertifikat sogar einen zusätzlichen Aufwand für die Reisende bedeuten: Nämlich dann, wenn sie den Nachweis einer Genesung oder der Impfung nun in die digitale Form übertragen lassen müssen, während vorher der einfache Nachweis genügt hat.
Reisefreiheit darf nicht an das Grüne Zertifikat geknüpft werden
Unklar ist, ob das Zertifikat zwingend zum Reisen benötigt wird. In der Beschlussvorlage der EU heißt es zwar ausdrücklich, die Reisefreiheit dürfe nicht an das digitale Grüne Zertifikat geknüpft werden. Andererseits könnten Reiseveranstalter und Fluggesellschaften danach verlangen, wenn es erst einmal eingeführt wurde, weil es für sie die Abläufe erleichtert.
Das EU-Parlament hatte offenbar ursprünglich angestrebt, dass für Inhaber des Zertifikats grundsätzlich keine weiteren Beschränkungen bei Reisen in der EU mehr gelten sollten. Dies hatten die EU-Mitgliedstaaten aber als Eingriff in ihre Souveränität gesehen und nicht zugestimmt. Der nun beschlossene Kompromiss sieht vor, dass die Mitgliedstaaten auch von Inhabern des Zertifikats zusätzlich eine Quarantäne oder Tests fordern können, wenn sie es für nötig halten. Sie sollen dies aber mit dem aktuellen Pandemiegeschehen begründen können und die EU zwei Tage vorher darüber informieren.
Keine EU-weit kostenlosen Tests
Ebenfalls nicht durchsetzen konnte sich das EU-Parlament mit der Forderung, Corona-Tests innerhalb der gesamten EU kostenfrei zugänglich zu machen. Auch Obergrenzen für die Preise von PCR-Test werden nicht eingeführt. Momentan sehen die Länderbestimmungen hierzu unterschiedlich aus. In Frankreich zum Beispiel sind PCR-Tests generell kostenlos, auch wenn sie an Flughäfen für Reisende angeboten werden. In Deutschland kann ein PCR-Test bis zu 180 Euro kosten, wenn er am Flughafen erfolgen und schnell ein Ergebnis liefern soll.
Nur Personen, die beruflich oder familiär bedingt häufig Grenzen überqueren müssen, könnten finanziell künftig Unterstützung bekommen: EU-weit sollen 100 Millionen Euro zur Finanzierung solcher Tests bereitgestellt werden. Keinerlei Vorgaben macht die EU dazu, wie Länder den digitalen Pass über Reiseregelungen hinaus einsetzen dürfen. Kritiker fürchten, dass die soziale Teilhabe im Alltag dauerhaft an solche Gesundheitszertifikate geknüpft werden könnte.
Einsatz nach israelischem Vorbild
So hatten Österreich, Bulgarien und Griechenland bereits angekündigt, das Zertifikat künftig nach israelischem Vorbild einsetzen zu wollen. Dort gibt es schon seit mehreren Monaten einen digitalen „Green Pass”: Der Zugang zu Sportclubs oder bestimmten kulturellen Veranstaltungen ist nur noch mit diesem Nachweis möglich, obwohl die Pandemie in Israel schon fast zum Erliegen gekommen ist.
Der Entwurf der EU-Verordnung sieht in jedem Fall offiziell vor, die Gültigkeit des Grünen Zertifikats auf zwölf Monate zu befristen. Dieses sei an die COVID-19-Pandemie geknüpft und solle nach deren Ende ausgesetzt werden, heißt es. Es solle aber wieder aktiviert werden können, wenn die WHO eine „neue Gesundheitsnotlage” ausrufe.
Das EU-Zertifikat könnte schon Anfang Juli eingeführt werden. Allerdings müssen dafür auch in allen Mitgliedstaaten rechtzeitig die technischen Voraussetzungen geschaffen werden.
2 Kommentare
praktisch
von Dr. House am 25.05.2021 um 14:35 Uhr
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Kaffee trinken...Däumchen drehen?
von T. La Roche am 21.05.2021 um 23:41 Uhr
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