Hypothyreose

L-Thyroxin doch nicht für immer und ewig?

Waren (Müritz) - 28.05.2021, 07:00 Uhr

Auch Absetzversuche sind bei Schilddrüsenhormonen bei manchen Patienten möglich. (Foto: SciePro / AdobeStock)

Auch Absetzversuche sind bei Schilddrüsenhormonen bei manchen Patienten möglich. (Foto: SciePro / AdobeStock)


Bei welchen Patienten lohnt sich ein Absetzversuch?

Die Studienautoren sehen darin einen Indikator für Personen, die möglicherweise nicht von einer Substitution profitieren. Zudem können Bedenken über Nebenwirkungen zur Entscheidung führen, die Hormone wieder abzusetzen. Ob die Therapie beendet werden sollte, muss selbstverständlich im individuellen Fall entschieden werden. Feldkamp nennt vier Patientengruppen, bei denen er sofort einen Absetzversuch wagen würde:

  • Patienten, die ursprünglich wegen eines Schilddrüsenknotens mit Hormonen behandelt wurden,
  • Patienten, die nur eine leichte TSH-Erhöhung zu Beginn der Therapie zeigten,
  • Patienten, bei denen nur ein Teil der Schilddrüse entfernt und die zur Sicherheit mit Schilddrüsenhormonen behandelt wurden, obwohl der Rest der Drüse groß genug ist, um selbst ausreichend Hormone zu produzieren,
  • junge Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis, die nur eine leichte TSH-Erhöhung zu Beginn der Therapie in der Vergangenheit zeigten.

Auf die Frage, ob man auch noch im hohen Alter an der Medikation etwas ändern sollte, entgegnet Feldkamp: „Gerade ältere Menschen haben nachweislich Nachteile von einer nicht notwendigen Schilddrüsenhormontherapie. So entwickeln etwa 30 Prozent der über 60-Jährigen im Verlauf einer L-Thyroxin-Therapie Vorhofflimmern, wenn der TSH- Wert zu stark unterdrückt wird.“ Zudem wird in der wissenschaftlichen Literatur unter niedrigen TSH-Werten ein erhöhtes relatives Risiko für Frakturen als Folge einer Übertherapie beschrieben.

Wie setzt man Schilddrüsenhormone am besten ab?

Die Studie von Burgos et al. ist eine der ersten, die versucht hat, das Wissen um das Absetzen von Schilddrüsenhormonen systematisch zu verfassen. Noch ist viel Forschung nötig, um eine evidenzbasierte Strategie zu entwickeln. Das Wichtigste zuerst: Schilddrüsenhormone greifen empfindlich in den Stoffwechsel ein und dürfen auf keinen Fall eigenmächtig abgesetzt werden! Arzt und Patient entscheiden gemeinsam, ob und wie die Therapie kontrolliert beendet werden kann.

Feldkamp geht in seiner Praxis folgendermaßen vor: „Die Dosis sollte zunächst halbiert werden. Ist der TSH-Wert nach sechs bis acht Wochen in Ordnung, kann die Medikation ganz abgesetzt werden. Eine Kontrolle ist dann erst nach einem halben oder ganzen Jahr nötig. Falls sich die Schilddrüsenwerte in dieser Zeit verschlechtern sollten, muss die Therapie wieder angesetzt werden.“ Im Fall von Patienten, die wegen eines Schilddrüsenknotens behandelt wurden und eine normal große Schilddrüse haben, kann L-Thyroxin nach Erfahrung von Feldkamp auch abrupt abgesetzt werden. „Die Blutspiegel ändern sich nicht schlagartig. Schilddrüsenhormone zirkulieren an Eiweiß gebunden, sodass es 3 bis 4 Wochen dauert, bis die Medikation verbraucht ist.“

Aus den Augen heißt aber nicht aus dem Sinn: Auch Patienten, bei denen ein Absetzen erfolgreich war, müssen ihre Schilddrüsenwerte in regelmäßigen Abständen überprüfen lassen. Sinnvoll erscheint nach aktuellem Kenntnisstand eine einmal jährliche TSH-Kontrolle.



Rika Rausch, Apothekerin
redaktion@daz.online


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