Barmer-Zahnreport 2021

Kreidezähne – ein weiterer Grund für reduzierten Antibiotikaeinsatz?

Stuttgart - 01.06.2021, 15:15 Uhr

Regelmäßiges Zähneputzen kann Kreidezähne nicht verhindern, da die Zähne bereits geschädigt durchbrechen. (s / Foto: luuuusa / AdobeStock)

Regelmäßiges Zähneputzen kann Kreidezähne nicht verhindern, da die Zähne bereits geschädigt durchbrechen. (s / Foto: luuuusa / AdobeStock)


Der Barmer-Zahnreport 2021 zeigt neue Zusammenhänge rund um die Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) auf. Was am Ende hinter dieser relativ neuen Volkskrankheit „Kreidezähne“ steckt, weiß man in der Wissenschaft jedoch weiterhin nicht. Ein reduzierter Antibiotika-Einsatz in jungen Jahren könnte sich aber auch in diesem Punkt lohnen.

Im Mai 2018 nannte die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) in einer Pressemitteilung Kreidezähne eine „neue Volkskrankheit“. Man kennt sie auch unter dem Namen Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH), wobei es sich um eine systemisch bedingte Strukturanomalie des Schmelzes handeln soll.

Die Ätiologie beschrieb die DGZMK als „weitgehend ungeklärt“. Weil die Schmelzentwicklung der ersten Molaren und der Inzisivi (Schneidezähne) aber zwischen dem achten Schwangerschaftsmonat und dem vierten Lebensjahr stattfindet, gehe man davon aus, dass die Störung auch in dieser Zeitspanne auftreten muss, hieß es.

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Das BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung) ging in einer Stellungnahme vom August 2018 bei der Entstehung von Kreidezähnen von einem „multifaktoriellen Geschehen“ aus. Epidemiologische Studien sollen unter anderem auf Erkrankungen der Mutter im letzten Schwangerschaftsviertel, Komplikationen bei der Geburt oder häufige Erkrankungen des Kindes in den ersten Lebensjahren (vor allem verbunden mit hohem Fieber) hinweisen. Auch ein zu niedriger Vitamin-D-Blutspiegel oder eine frühe Aufnahme des Antibiotikums Amoxicillin wurden laut BfR diskutiert. Zudem sollten Studien über Zusammenhänge zwischen MIH und einer erhöhten Exposition gegenüber Dioxin berichten.

Nun heißt es in einer aktuellen Mitteilung zum Barmer-Zahnreport 2021, dass mindestens 450.000 Kinder in Deutschland (rund 8 Prozent aller Sechs- bis Zwölfjährigen) sogenannte Kreidezähne hätten, die behandelt werden müssten. Zudem rückt die Mitteilung Antibiotika als mögliche Ursache in den Fokus: „Kinder haben häufiger Kreidezähne, wenn sie in den ersten vier Lebensjahren bestimmte Antibiotika erhalten haben. Vor diesem Hintergrund muss erneut auf deren verantwortungsvollen und indikationsgerechten Einsatz hingewiesen werden. Antibiotika sind ohne jeden Zweifel segensreich. Doch die Prämisse lautet auch hier, so viel wie nötig und so wenig wie möglich“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Barmer Christoph Straub.

Der Zahnreport habe unterschiedliche Gruppen von Medikamentenverordnungen bei Kindern mit und ohne Kreidezähnen untersucht. Dabei zeige sich, dass Kinder mit Kreidezähnen in den ersten vier Lebensjahren häufig angewendete Antibiotika bis zu etwa 10 Prozent mehr verschrieben bekämen als Gleichaltrige ohne Kreidezähne. Der Zusammenhang sei also erkennbar, doch die Hintergründe müssten weiter untersucht werden. Abrechnungsdaten würden dafür nicht ausreichen.

Mädchen haben häufiger Kreidezähne als Jungen

Laut dem Barmer-Zahnreport 2021 sind Mädchen häufiger betroffen als Jungen. Zudem bekämen Kinder vergleichsweise selten Kreidezähne, wenn die Mutter zum Zeitpunkt der Geburt noch sehr jung oder schon älter als 40 Jahre alt war. Barmer-versicherte Mütter hätten gut doppelt so häufig Kinder mit Kreidezähnen, wenn sie zum Zeitpunkt der Geburt zwischen 30 und 40 Jahre alt waren.

Außerdem gebe es große regionale Unterschiede. Bundesweit schwankten die Betroffenen-Raten bei Kindern auf Stadt- und Kreisebene zwischen 3 und 15 Prozent. Auch auf Bundeslandebene seien die Unterschiede noch beträchtlich: Sie reichen von 5,5 Prozent in Hamburg bis hin zu 10,2 Prozent in Nordrhein-Westfalen.

Insgesamt sei man bei der Antibiotikaverordnung bereits auf einem guten Weg. Die Antibiotikagabe habe sich bei Kindern bis fünf Jahren zwischen den Jahren 2005 und 2019 mehr als halbiert. 

Doch auch die Barmer macht klar, dass bisher über die Entstehung der Kreidezähne nur wenig bekannt sei. Das mache sie besonders tückisch. Regelmäßiges Zähneputzen könne Kreidezähne nicht verhindern, da die Zähne bereits geschädigt durchbrechen. Eltern betroffener Kinder hätten somit auch nichts falsch gemacht.


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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