Fachgesellschaften stellen sich hinter Impfkommission

Corona-Impfung für Kinder: Spahn will nicht auf STIKO-Empfehlung warten

Marseille - 07.06.2021, 10:45 Uhr

Immer mehr medizinische Fachgesellschaften kritisieren Bundesgesundheitsminister Jens Spahn öffentlich für seinen Umgang mit der STIKO. (Foto: IMAGO / photothek)

Immer mehr medizinische Fachgesellschaften kritisieren Bundesgesundheitsminister Jens Spahn öffentlich für seinen Umgang mit der STIKO. (Foto: IMAGO / photothek)


STIKO-Chef kritisiert Spahns Linie öffentlich

So empfiehlt die STIKO, den Vektorimpfstoff von AstraZeneca nur noch für Personen ab 60 Jahren, seitdem es vor allem bei jüngeren Frauen in einigen Fällen zu tödlichen Hirnvenenthrombosen in zeitlichem Zusammenhang mit der Impfung gekommen war. Auch der Vektorimpfstoff von Johnson & Johnson wird erst ab 60 Jahren empfohlen, da hier ebenfalls ein Thromboserisiko besteht. Trotzdem hatte Spahn beschlossen, dass AstraZeneca und Johnson & Johnson auch an Jüngere verimpft werden sollen. STIKO-Chef Professor Thomas Mertens hatte das daraufhin in einem Interview mit der FAZ als „nicht gerecht und nicht sinnvoll” bezeichnet.

Gleich zwei Argumente der STIKO zählen für Spahn offenbar nicht: Dass eine Nutzen-Risiko-Abwägung in verschiedenen Altersgruppen und bei verschiedenen Impfstoffen sehr unterschiedlich ausfallen kann. Und dass durch eine Freigabe der Impfungen für Jüngere oder gar Kinder Personen mit einem besonders hohen Risiko für schwere Verläufe länger auf eine Impfung warten müssen.

Mertens hatte im NDR-Podcast „Das Coronavirus-Update“ in der vergangenen Woche noch einmal deutlich gemacht, dass Kinder ausgesprochen selten schwer an COVID-19 erkranken. Tatsächlich leben in Deutschland etwa 13,5 Millionen Kinder und Jugendliche. Dem Robert Koch-Institut wurden aber bisher (Stand 1. Juni) nur 16 Todesfälle bei Unter-18-Jährigen in Zusammenhang mit einer Coronavirus-Infektion gemeldet, im Vergleich zu 89.132 Todesfällen bei Erwachsenen. Bei zwölf dieser an und mit dem Coronavirus verstorbenen Minderjährigen waren Vorerkrankungen bekannt, bei den restlichen vier wurden dazu keine Angaben gemacht. Es ist also nicht einmal sicher, ob in Deutschland überhaupt ein zuvor gesundes Kind an einer COVID-19-Infektion gestorben ist. Risiken der Impfung können laut STIKO hingegen nicht ausgeschlossen werden, da gerade einmal 1.100 Kinder in der Zulassungsstudie geimpft wurden und bereits bei 14 von ihnen schwere Reaktionen auftraten.

Der Gesundheitsminister konnte bisher keine wissenschaftlichen Gründe für seine Entscheidung entgegen der STIKO-Expertise anführen. Sie scheint vielmehr politisch motiviert zu sein: Spahn weiß, dass sich viele Eltern eine Impfung ihrer Kinder wünschen. Ob das wirklich medizinisch sinnvoll ist oder nicht, können diese aber nur schwer beurteilen – genau deshalb gibt es ja eigentlich das Instrument der STIKO-Empfehlungen.



Irene Habich, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Impfung Kinder

von Tierärztin am 11.06.2021 um 7:42 Uhr

Das Verhalten des Herrn Spahns ist inakzeptabel und gefährlich! Mediziner und medizinisch Tätige werden sicher wissen wonach sie ihre (Evidenz basierte) Entscheidung ausrichten. Um die weiteren Menschen und die Kinder, die diese Entscheidungen dann betreffen, mache ich mir große Sorgen!

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