Digitales Impfzertifikat

Douglas: „Apotheken werden Improvisationskünste zeigen müssen“

Berlin - 11.06.2021, 15:10 Uhr

(Foto: IMAGO / Kirchner-Media)

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Kommende Woche werden die ersten Apotheken mit der Ausstellung der COVID-19-Impfzertifikate starten. Doch viele haben noch Fragen – nicht nur dazu, wie sie sich bei mein-apothekenportal.de registrieren. Wer darf die Zertifikate ausstellen? Welche Dokumentationspflichten bestehen? Und lässt sich der Service auch online anbieten? DAZ.online hat dazu den Freiburger Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas befragt. 

Ab dem 14. Juni sollen die Apotheken digitale COVID-19-Impfzertifikate ausstellen können.  Es handelt sich um ein Angebot für bereits geimpfte Personen – künftig sollen die QR-Codes gleich bei der Impfung ausgestellt werden. Dennoch könnte auf die Apotheken ein Ansturm zukommen: Stand heute sind laut Robert Koch-Institut (RKI) 24,8 Prozent der Gesamtbevölkerung – 20,6 Millionen Menschen – bereits vollständig geimpft. Zwar sollen all jene, die in Impfzentren geimpft wurden, bis Ende Juni Post mit einem QR-Code bekommen, also ihrem Impfzertifikat, das sie sich dann selbst mit der CovPass- oder Corona-Warn-App auf ihr Smartphone laden können. Und es gibt sicherlich auch einige Geimpfte, die nicht zwingend Wert auf einen digitalen Impfnachweis legen, etwa Pflegeheimbewohner. Dennoch sollten die Apotheken vorbereitet sein. 

Abgesehen davon, dass manche noch damit kämpfen, sich einen Zugang zum Verbändeportal zu verschaffen, über das sie ab nächster Woche die Zertifikate ausstellen können, stellen sich einige weitere Fragen rund um die neue Aufgabe. Unter anderem: Wer darf die Zertifikate ausstellen? Welche Dokumentationspflichten bestehen? DAZ.online hat dazu den Freiburger Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas befragt.

DAZ.online: Herr Douglas, nach der Herstellung von Desinfektionsmitteln, der Verteilung von Gratismasken, der Durchführung von Bürgertests sowie der Distribution von Impfstoffen kommt jetzt eine neue Aufgabe auf die Apotheken zu: Die Ausstellung des digitalen COVID-19-Impfzertifikats. Was denken Sie: Wieso soll die Dokumentation gerade in Apotheken vorgenommen werden?

Douglas: Die Aufgabe der nachträglichen Dokumentation der Impfbescheinigungen zur Ausstellung des Impfzertifikats ist aus meiner Sicht sehr gut mit den Leistungen einer Apotheke vergleichbar. Es geht in der Sache darum, aufgrund von öffentlichen Dokumenten, nämlich Impfbuch und Impfbescheinigung, die Entscheidung zu treffen, ob die anwesende Person ordnungsgemäß geimpft wurde und somit für ein Impfzertifikat berechtigt ist. Derartige Prüfungen nehmen Apotheken jeden Tag millionenfach bei der Entgegennahme von Verschreibungen vor. Es ist aus politischer Sicht erfreulich, dass der Gesetzgeber anerkennt, dass derart sensible Leistungen durch Vor-Ort Apotheken erbracht werden können. Gleichzeitig müssen die Apotheken leider auch dieses Mal ihre Improvisationskünste zeigen, da die gesetzlichen Rahmenbedingungen erst zum 1. Juni 2021 in Kraft getreten sind und nun bereits keine zwei Wochen später die Umsetzung erfolgt. Hier wäre eine entsprechend längere Vorbereitung sicherlich besser gewesen; die Apotheken werden aber auch dieses Mal diese Herausforderung schaffen.

Das Gesetz  (§ 22 Abs. 5 IfSG) spricht davon, dass nachträglich jeder Arzt oder Apotheker die Bescheinigung vornehmen darf. Bedeutet dies tatsächlich, dass nur approbierte Apotheker:innen die Bescheinigung ausstellen dürfen?

In der Tat könnte der Wortlaut dafür sprechen, dass diese Bescheinigung Pharmazeuten vorbehalten ist. Allerdings findet sich in der Gesetzesbegründung eine Vielzahl hilfreicher Informationen, die im Zusammenhang mit dem – sicherlich sehr kurzen – Wortlaut der Vorschrift in den Blick zu nehmen sind. Dort wird ausdrücklich darauf hingewiesen, die Ausstellung könne auch durch die berufsmäßigen Gehilfen vorgenommen werden. An anderer Stelle weist die Begründung ausdrücklich darauf hin, dass von Seiten des Apothekeninhabers geeignete Maßnahmen zu treffen sind, auch um zu gewährleisten, dass die ausstellenden Personen ausreichend Kenntnisse von den formellen Anforderungen an die Impfdokumentation erhalten. Damit wird anerkannt, dass die Berechtigung zur Ausstellung nicht auf approbierte Apotheker beschränkt ist.

Dürfen somit alle Apothekenangestellten diese Bescheinigungen ausstellen?

Alle sicherlich nicht. Hier ist hervorzuheben, dass es sich bei dieser Tätigkeit um eine sehr sensible Tätigkeit handelt, die ein hohes Verantwortungsbewusstsein einerseits sowie Risiken andererseits beinhaltet. Daher wird der Inhaber im Einzelfall entscheiden müssen, wer dazu geeignet ist, diese Tätigkeit auszuüben. Bei pharmazeutischem Personal, also Approbierten und PTAs, wird man dies in der Regel annehmen können, da sie aufgrund der generellen Erfahrung mit Verschreibungen hierfür prädestiniert sind. Bei anderen Mitarbeitern ist dies zwar nicht ausgeschlossen, jedoch muss dann entsprechend sichergestellt werden, dass sie sich der Sensibilität der Tätigkeit bewusst sind. Hierüber sind sie entsprechend vorher zu belehren. Dazu gehört sicherlich auch, dass sich der Inhaber und die insoweit damit befassten Mitarbeiter vorher entsprechend mit der Materie vertraut machen und sich die formellen Anforderungen der Impfdokumentation vergegenwärtigen. Nicht möglich ist es auch meiner Sicht, schlicht Dritte als Hilfskräfte einzustellen, die diese Tätigkeit übernehmen – so wie dies etwa bei dem Betrieb der Testzentren der Fall war. Aufgrund der mit der Ausstellung der Impfzertifikate verbundenen Haftungsrisiken dürfte dies in der Praxis auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen.

Wie schützt man sich vor Haftungsrisiken?

DAZ.online: Sie sprechen Haftungsrisiken an. Welche Haftungsrisiken bestehen denn hier und wie kann sich die Apotheke insoweit absichern?

Douglas: Zunächst macht sich der Mitarbeiter, der wissentlich die Durchführung einer Schutzimpfung im Rechtsverkehr nicht richtig bescheinigt, strafbar, was dann natürlich auch berufsrechtliche Konsequenzen – Stichwort Zuverlässigkeit – haben kann. Dies kann dann auch Inhaber treffen, wenn er diese ihm bekannte Praxis eines Mitarbeiters nicht unterbindet. Darüber hinaus wäre es abstrakt denkbar, dass er in einem Fall, in dem die Bescheinigung unrichtig ausgestellt wurde und eine Person so zu Unrecht als Geimpfter Zugang zu einer Einrichtung erhält, in der er dann Dritte infiziert, auch für die sich daraus ergebenden Konsequenzen einstehen muss. Allerdings dürfte dies in der Praxis sich kaum nachweisen lassen, sodass wir dieses Szenario eher als theoretisch erachten.

Das Gesetz spricht lapidar nur von geeigneten Maßnahmen zur Vermeidung der Ausstellung eines unrichtigen Impfzertifikats. Wie diese Maßnahmen auszusehen haben, wird in der Begründung erläutert. Hier findet sich der ausdrückliche Hinweis, dass geeignete Maßnahmen zu treffen sind, um eine missbräuchliche Ausstellung etwa aufgrund der Vorlage gefälschter Impfnachweise zu unterbinden. Dies bedeutet natürlich nicht, dass der Apothekeninhaber für ein unzutreffend ausgestelltes digitales Impfzertifikat in jedem Fall haftet. Es müssen aber eben, so wie vom Gesetzgeber gefordert, geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um dies zu verhindern.

Und welche können das sein?

Die Gesetzesbegründung weist ausdrücklich darauf hin, dass die Person, die das Zertifikat wünscht, sich vor Ausstellung durch den Personalausweis zu identifizieren hat und zudem über die Konsequenzen über die Vorlage einer unrichtigen Impfdokumentation zu belehren ist. Nach dieser Belehrung ist dann die Impfdokumentation zu prüfen auf mögliche Anhaltspunkte dafür, dass hier etwas nicht in Ordnung ist. Häufig wird die Apotheke den Kunden kennen, gegebenenfalls auch den Arzt, und vor dem Hintergrund der anderen Impfungen schnell abschätzen können, dass dies seine Richtigkeit hat. Das Gesetz führt zudem aus, dass die Ausstellung in der Regel nur erfolgen soll, wenn die Impfung in räumlicher Nähe erfolgt ist, etwa in der gleichen oder umliegenden Gemeinden oder sonstigen Gebietskörperschaften. Das soll gewährleisten, dass nicht nur die Form der Nachweise, sondern auch die ausstellenden Leistungserbringer bekannt sind. Im Einzelfall kann hiervon abgewichen werden, etwa wenn die Ausstellung aus beruflichen Gründen oder bei Wohnsitzwechsel nicht am Ort der Impfung erfolgen kann. Kurz gesagt: stammt der Kunde nicht aus dem allgemeinen Einzugsgebiet der Apotheke, so ist per se zu hinterfragen, ob das Impfzertifikat ausgestellt werden kann.

Aber auch auf mögliche Manipulationen ist zu achten. Etwa ob die Klammern im Impfbuch gelöst und wieder zusammengeführt wurden. Das könnte dafür sprechen, dass der äußere Teil des Impfausweises mit dem Namen mit dem inneren Teil, in dem die Impfungen eingetragen sind, nicht übereinstimmt. Hier wäre es zielführend, wenn vonseiten des RKI oder BMG Hilfestellungen, etwa typische Fallgestaltungen von Manipulationen, gegenüber den Apotheken kommuniziert werden, die diese Prüfung erleichtern. Zumindest nach unserer Kenntnis ist dies nicht erfolgt.

Die Apotheke muss also belehren. Wie hat man sich eine solche Belehrung vorzustellen?

Auch hierzu findet sich nur in der Begründung des Gesetzes etwas – wenn auch ohne konkrete Vorgaben. Allerdings ist in der Begründung ausdrücklich vorgesehen, dass die Durchführung der Überprüfung, die ordnungsgemäße Belehrung des Kunden und die Ausstellung des Impfzertifikats zu dokumentieren sind. Im Idealfall wird daher der Kunde eine entsprechende Belehrung in der Apotheke unterschreiben, die dann Grundlage der Dokumentation gemacht wird.

Das klingt nach bürokratischem Aufwand…

Ja, in der Tat wird dies dazu führen, dass entsprechende Belehrungen zu dokumentieren und dann zu archivieren sind. Diese werden möglicherweise dann auch Grundlage für die sich daran anschließende Abrechnung sein. Aufgrund der Sensibilität der Tätigkeit ist dies aber sicherlich interessengerecht. Dabei sind sicherlich auch die zuletzt negativen Erfahrungen in den Testzentren zu berücksichtigen, deren Wiederholung es zu vermeiden gilt.

Online-Ausstellung der Zertifikate?

DAZ.online: Noch immer gelten in den Apotheken Maskenpflicht und Abstandsregelungen. Gibt es für die Apotheke auch Möglichkeit außerhalb der Betriebsräume die Bestätigung vorzunehmen, vielleicht sogar – was wohl Apotheken bereits ankündigen – online?

Douglas: Eine Durchführung der Tätigkeit außerhalb der Betriebsräume durch die entsprechend belehrten Mitarbeiter der Apotheke halten wir ohne weiteres für möglich. Tatsächlich gibt es eine Bindung an die Betriebsräume für Leistungen in der Apotheke nur bei der Abgabe von Arzneimitteln. Genauso wie die Durchführung von Schnelltests kann auch die Bereitstellung der Impfzertifikate außerhalb der Betriebsräume erfolgen.

Die Online-Ausstellung der Zertifikate halte ich dagegen für nicht möglich. Gerade unter Berücksichtigung der Begründung des Gesetzes soll ja der Missbrauch verhindert werden. Es ist für uns schlicht nicht erkennbar, wie bei einem online durchgeführten Verfahren die Überprüfung der Dokumente – Ausweis und Impfpass – in der Form erfolgen kann, dass in gleichem Maße die missbräuchliche Ausstellung ausgeschlossen wird wie bei der Vorort-Prüfung. Auch der Hinweis, dass in der Regel nur eine Ausstellung nur dann erfolgen soll, wenn die Impfung in räumlicher Nähe vorgenommen wurde, spricht gegen derartige Überlegungen.

Nicht zuletzt aufgrund der strafrechtlichen Risiken, die in diesem Zusammenhang bestehen, können wir weder Apotheken noch Geimpften empfehlen, von solchen Angeboten Gebrauch zu machen. Jenseits dessen droht hier möglicherweise der nachträgliche Entzug des Impfzertifikats mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen.

Apropos Risiken: Was ist mit der Berufshaftpflichtversicherung?

Wir sehen hier keine Besonderheiten. Es ist eine Aufgabe, die vom Gesetzgeber der Apotheke zugewiesen ist, und die auch inhaltlich dem entspricht, was die Apotheken täglich leisten. Sofern daher die entsprechende Unterweisung der Mitarbeiter, so wie in der Gesetzesbegründung skizziert, erfolgt, dürfte dies nach unserer Einschätzung unter die Versicherung fallen. Gegebenenfalls sollte dies aber noch abgeklärt werden.

Können Sie den Apotheke angesichts der komplexen neuen Aufgaben abschließend noch einen Rat geben?

Das Angebot dieser Leistung birgt natürlich ein gewisses Konfliktpotenzial, etwa wenn Stammkunden das Zertifikat ausgestellt bekommen, obwohl die formalen Vorgaben nicht erfüllt sind. Die Mitarbeiter einer Apotheke sind es aber gewohnt, freundlich einem Kunden z.B. auch zu erklären, dass die Abgabe eines verschreibungspflichtigen Medikaments ohne Verschreibung nicht möglich ist. Daher dürfte der Umgang mit solchen Einzelfällen ohne weiteres möglich sein.  Es handelt sich, wie bereits eingangs ausgeführt, um eine sensible Aufgabe, die vielleicht vergleichbar mit der Belieferung einer BTM-Verschreibung ist. Wenn sich alle in der Apotheke dem bewusst sind, sollte es auch nicht zu Schwierigkeiten bei der Durchführung kommen.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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2 Kommentare

Interview mit Dr. Douglas

von Dr. Jochen Pfeifer am 12.06.2021 um 0:24 Uhr

Gem. 75a IFSG ist die wissentliche (!) Fälschung von digitalen Impfausweisen strafbewehrt. Herr Dr. Douglas empfiehlt in Ihrem Interview daher, die ordnungsgemäße Prüfung durch die Apotheker zu dokumentieren. Andererseits schreibt die ABDA in Ihrer aktuellen Handlungshilfe, dass KEINE Dokumentation erfolgen darf und ausdrücklich verboten sei. Könnten Sie bitte in Ergänzung Ihres Interviews Herrn Dr. Douglas fragen, was jetzt gilt.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Interview mit Dr. Douglas

von Schmidt am 12.06.2021 um 9:38 Uhr

Genau diese Frage haben wir uns auch schon gestellt. Eine Ergänzung seitens Dr.Douglas und der DAZ wäre hier wirklich wünschenswert

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