Geringere Vergütung, mehr Kontrolle

Neue Coronavirus-Testverordnung verzögert sich

Berlin - 17.06.2021, 17:05 Uhr

Wildwuchs bei Testzentren will das BMG mit strengeren Auflagen und Kontrollen eindämmen. (c / Foto: IMAGO / Christian Grube)

Wildwuchs bei Testzentren will das BMG mit strengeren Auflagen und Kontrollen eindämmen. (c / Foto: IMAGO / Christian Grube)


Eigentlich sollte am heutigen Donnerstag eine überarbeitete Coronavirus-Testverordnung in Kraft treten. Das sah der am 9. Juni vorgelegte Referentenentwurf vor, mit dem das Bundesgesundheitsministerium auf Berichte über zweifelhafte Bürgertestzentren und mutmaßlichen Abrechnungsbetrug reagieren wollte – mit gekürzten Vergütungen und mehr Kontrollen. Doch der Zeitplan verschiebt sich. Das dürfte an der massiven Kritik an den Plänen liegen. Vor allem die Kassenärztlichen Vereinigungen beklagen, von ihnen werde „Unmögliches“ verlangt. Aus der für diese Woche geplanten Ressortabstimmung wurde nichts. Nach Informationen von DAZ.online soll das Bundeskabinett dem Verordnungsentwurf nun am kommenden Mittwoch seinen Segen geben.

Für die Durchführung von Bürgertests mittels PoC-Antigentests soll es ab dem 1. Juli nur noch 12,50 Euro brutto geben – und zwar für alle, die diese Tests anbieten. So sieht es der Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) für eine neu gefasste Corona-Testverordnung vor, der am 9. Juni in die Ressortabstimmung gehen sollte. Bislang bekommen Ärzte noch 15 Euro für die Durchführung plus bis zu 6 Euro Materialkosten, bei allen anderen Leistungserbringern – auch Apotheken – sind es 12 Euro für die Durchführung.

Weiterhin sieht dieser Entwurf vor, dass Beauftragungen zur Durchführung von Bürgertests mittels Allgemeinverfügung – wie zum Beispiel in Baden-Württemberg und Bayern geschehen – zum 30. Juni unwirksam werden. An ihre Stelle soll eine individuelle Beauftragung rücken, bei der verschiedene Voraussetzungen zu erfüllen sind; insbesondere sollten Qualität und Zuverlässigkeit geprüft werden. Dabei sollen für Apotheken dieselben Anforderungen gelten wie für sonstige „Dritte“ – nur Arztpraxen sollten weiterhin ohne weitere Voraussetzungen berechtigt sein, die Tests zu erbringen. Ein Ansatz, der zu massiver Kritik bei der ABDA geführt hat.

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Aber auch weitere Auskunfts- und Kontrollrechte für die zuständigen Stellen des öffentlichen Gesundheitsdiensts sind vorgesehen. Zudem sollen die für die Abrechnung zuständigen Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) die Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnungen der Leistungserbringer überprüfen. Ab August sollten sie den Finanzbehörden überdies monatlich die an die Leistungserbringer geleisteten Zahlungen mitteilen. 

Dazu machte die Kassenärztliche Bundesvereinigung in ihrer Stellungnahme deutlich: „Der Referentenentwurf des BMG zur neuen TestV verlangt von den Kassenärztlichen Vereinigungen Unmögliches. Die Kassenärztlichen Vereinigungen bekommen die Aufgabe, die Rechtmäßigkeit und Richtigkeit der Abrechnung von Teststellen zu bestätigen und gleichzeitig den Teststellen auch noch mit großer Geschwindigkeit die angeforderten Gelder auszuzahlen.“ Angesichts der vielen Teststellen – allein in Bayern gebe es mehr als 6.000 davon – sei es „schlicht und einfach unmöglich, alle Abrechnungen dieser Teststellen innerhalb eines überschaubaren Zeitrahmens zu überprüfen und die Gelder zeitnah auszuzahlen“.

Als Datum des Inkrafttretens sah der Entwurf den 17. Juni vor – demzufolge hätte die Verordnung gestern im Bundesanzeiger veröffentlicht werden müssen. Doch das ist nicht geschehen. Dem Vernehmen nach sollen nicht zuletzt die neuen Aufgaben für die KVen für Zoff gesorgt haben. Das Kabinett soll sich nun erst nächsten Mittwoch mit einer – voraussichtlich erneut überarbeiteten – Verordnung befassen. Eine Vergütungskürzung könnte dann nach wie vor zum 1. Juli erfolgen.

Kritik an überwachten Selbsttests nur „vor Ort“

In der überarbeiteten Verordnung soll überdies eine Vergütung für die nachträgliche Ausstellung von COVID-19-Genesenenzertifkaten geregelt werden. Für die Apotheke sieht der bisherige Entwurf eine Vergütung von 6 Euro je Erstellung vor – wenn die Leistung „unter Einsatz von Systemen erfolgt, die vom Robert Koch-Institut dafür bereitgestellt werden“. Das sollte, wie bei den Impfzertifikaten, in den Apotheken der Fall sein.

Überdies sollen erstmals auch überwachte Antigen-Schnelltests zur Eigenanwendung in die Testverordnung aufgenommen werden. Für den Test an sich gibt es dann eine Pauschale von 3 Euro, für die Überwachung der Durchführung können 5 Euro abgerechnet werden. Diese Selbsttests sollen allerdings nicht bei Bürgertestungen eingesetzt werden. Im Blick hat das BMG ihren Einsatz vielmehr in Einrichtungen nach § 4 Abs. 2 TestV – das sind zum Beispiel Krankenhäuser, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, Tageskliniken, Behindertenwerkstätten sowie Unterkünfte für Obdachlose, Flüchtlinge und Asylbewerber.

Diese Selbsttests sollen ausdrücklich „vor Ort“ überwacht werden – damit will das BMG Online-Angebote verhindern. Auch dafür muss Spahn Kritik einstecken. In der Bundespolitik gibt es nämlich durchaus Rückenwind für digitale Selbsttests. So erklärte etwa der CDU-Abgeordnete Tino Sorge gegenüber „Handelsblatt Inside“, es wäre „ein großer Fehler, auf den Einbezug digital begleiteter Selbsttests zu verzichten“. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis wird mit den Worten zitiert: „Wir brauchen in Zeiten schließender Testzentren weiterhin eine Möglichkeit, um ein nachweisbares Testergebnis zu erhalten.” Kritik kommt zudem aus der Opposition: So hält der FDP-Abgeordnete Andrew Ullmann den Vor-Ort-Ansatz der neuen Testverordnung für „innovationsfeindlich“. Gerade digitale Corona-Selbsttests würden genau das ermöglichen, was jetzt benötigt werde, sagte er dem Handelsblatt. Sie seien ortsunabhängig und allgemein flexibler durchzuführen als Tests in stationären Zentren.

Eine gewisse Rückendeckung erhält Spahn dagegen von seinem Parteikollegen Erwin Rüddel, dem Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses des Bundestags. Die digitalen Tests fände er grundsätzlich nicht uninteressant, sagte er dem Handelsblatt. „Bevor wir allerdings darüber sprechen, solche Tests in die Testverordnung mit aufzunehmen, muss sichergestellt sein, dass diese Tests nicht manipuliert werden können“, erklärte Rüddel. Davon sei er „aktuell noch nicht ganz überzeugt“.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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