Katastrophen-Tief Bernd

„Das Wasser hat ganz kurz vor der Apotheke gestoppt“

Düsseldorf - 16.07.2021, 13:45 Uhr

Apotheker Christian Fehske hat Glück gehabt. Der Keller seiner Rathaus-Apotheke in Hagen ist nicht vollgelaufen. (Foto: privat)

Apotheker Christian Fehske hat Glück gehabt. Der Keller seiner Rathaus-Apotheke in Hagen ist nicht vollgelaufen. (Foto: privat)


Apotheker Christian Fehske aus Hagen berichtet aus der Katastrophennacht zum 15. Juli 2021 und von Kollegen, die weit weniger Glück hatten. In der nordrhein-westfälischen Stadt hatte der Dauerregen des Tiefs Bernd so wie in vielen weiteren Regionen im Westen der Republik beschauliche Flüsschen in reißende Ströme verwandelt.

Normalerweise dümpelt die Volme in der nordrhein-westfälischen Stadt 188.000-Einwohner-Stadt „eher beschaulich“ vor sich hin, sagt Apotheker Christian Fehske, dessen Rathaus-Apotheke sich unweit des Flüsschens befindet. „Es gibt einmal im Jahr ein Quietscheentchen-Rennen – und die Entchen haben normalerweise Mühe, von der Stelle zu kommen“, sagt er.

Nicht so in der Nacht zum 15. Juli 2021, als der Dauerregen aus dem über Deutschlands Westen, den Benelux-Ländern und dem östlichen Frankreich festsitzenden Tief Bernd kleine Flüsse wie die Volme in Westfalen, die Ahr in der Eifel, die Swiss bei Bonn oder die Kyll bei Trier – um nur einige zu nennen – in reißende Ströme verwandelte. Von sonst normalerweise beschaulichen 1,09 Meter stieg der Pegel der Volme etwa in der Nacht zum 15. Juli auf 4,42 Meter.

„Ich und eine Mitarbeiterin haben in der Nacht Flutwache gehalten in der Apotheke und Sandsäcke geschichtet“ berichtet Fehske. Vom Abend an habe man dann mitansehen müssen, wie das Wasser immer weiter stieg. „Nur wenige Meter vor der Apotheke, vor den Kellerfenstern, hat das Wasser dann gestoppt“, sagt der Apotheker.

„Noch schnell Sandsäcke besorgt“

Im Keller stehe sein Server-Raum, ein Reinraum mit teuren Geräten „und natürlich die Kühlschränke für die COVID-Vakzine“, sagt er. Die Sorge sei groß gewesen, dass das Wasser all dies fluten und vernichten hätte können. Noch am Morgen habe man eher halb im Scherz darüber geredet, ob der Fluss über die Ufer steigen könne. Dann seien im Laufe des Tages die Pegel gestiegen. „Ich habe dann noch schnell aus dem Baumarkt Säcke und Sand besorgt und die zusammen mit Mitarbeitern gefüllt“, sagt Fehske. Auch zwei leistungsstarke Pumpen habe er besorgt.

„Eine mussten wir dann auch einsetzen, weil an einer Stelle plötzlich durch den massiven Regen das Dach undicht wurde“, sagt er – den schlimmsten Fall des vollgelaufenen Kellers habe er zum Glück nicht erleben müssen. Aber die Angst sei groß gewesen, und er habe unter anderem den Server-Raum abgedichtet.

„Wir haben einfach großes Glück gehabt“, sagt er. Andere Apotheker in der Stadt, berichtet er, hätten leider nicht so viel Glück gehabt. Die Fluten der Volme sowie der Ennepe und der Lenne, die alle in oder bei Hagen in die Ruhr münden, haben in der ganzen Stadt Verwüstungen angerichtet, etliche Brücken und Straßen zerstört. „Einige Apotheken hier bangen nun um ihre Existenz“, weiß Fehske. Zu erreichen sind viele davon in den Tagen nach dem Unglück nicht. Einige andere sind bereits bei den Aufräumarbeiten und möchten gerade lieber nicht mit der Presse reden.

Hilfsbereitschaft unter den Kollegen ist groß

„Wir haben einigen meiner Kollegen mit Kühlboxen geholfen, damit sie die Arzneimittel kühlen können“, sagt Fehske. Man helfe sich gerne gegenseitig. Überhaupt sagt er, habe sich jetzt in den Tagen die große Solidarität untereinander wieder gezeigt. „Die Amtsapothekerin und das Gesundheitsamt haben sich direkt nach dem Unglück bei allen gemeldet und nachgefragt, ob und wie man helfen könne“, sagt er. Und die Apotheker helfen sich gegenseitig.

Für die Zukunft müsse man sich nun wohl wappnen. Zwar spricht die Stadt Hagen etwa von einem „120-jährigen Hochwasser“ – „doch wer weiß, ob wir nicht bald schon wieder das nächste erleben“, sagt der Apotheker. Er habe jedenfalls auch in seine Versicherungsunterlagen geschaut. „Wer hätte gedacht, dass man sich in Hagen Gedanken über Versicherungsschutz gegen Hochwasser machen müsste“, sagt er.

Apotheker Fehske hat seinen Server-Raum abgedichtet.

Bereits vor längerer Zeit auf mögliche Notfälle vorbereitet 

Auch ob und was man baulich noch verändern könne, sei er am überlegen. „Aber man kann ja nicht einfach mal eben den Server-Raum aufs Dach verlegen. Das sind ja Kilometer Kabel.“ Dabei ist Fehske einer von wohl noch wenigen, die sich bereits vor längerer Zeit auf mögliche Notfälle vorbereitet haben. „Ich habe etwa zwei Notstromaggregate im Dachgeschoss“, sagt er. Dafür sei er früher auch schon mal belächelt worden. „Und jetzt haben einige Stadtteile in Hagen gerade erst wieder Strom“, sagt er.

Medikamente für Hochwasser-Opfer in den Sammelstellen ausgegeben

Auswirkungen habe das Hochwasser-Unglück aber auch noch auf andere Art gehabt. „Noch in der Nacht kamen dann viele Anrufe, wo für die Menschen, deren Häuser evakuiert wurden, Medikamente etwa in den Sammelstellen benötigt wurden“, berichtet er. Betroffen waren in Hagen auch mehrere Pflegeheime. „Und zu einigen sind die Medikamente, die wir dann an die Helfer übergeben haben, per Boot gebracht worden.“ Und auch die COVID-19-Testinfrastruktur sei in der Stadt weitgehend zusammengebrochen. „Wir sind eine der wenigen Stellen, an denen noch Tests gemacht werden – und wir haben derzeit lange Schlangen dafür.“

Der einzelne könne nun zwar die ein oder andere Vorsorgemaßnahme für die Zukunft ergreifen – und man werde sich wohl auf ähnliche Ereignisse vorbereiten müssen. „Aber vieles muss nun natürlich auch die Politik machen. Ich wünsche mir, dass dort nun entsprechende Entscheidungen für die Zukunft getroffen werden“, sagt Fehske.

Versicherungen rechnen mit einem der teuersten Versicherungsjahre

Im ganzen Westen und Südwesten Deutschlands – in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und mittlerweile auch Baden-Württemberg – sind auch etliche Apotheken von den Ausmaßen der Wetter-Katastrophe betroffen. Genaue Zahlen gibt es noch nicht, in einigen Gegenden sind immer noch Ortschaften, Straßen, Autobahnen und Schienen überschwemmt. Viele Apotheken sind telefonisch nicht erreichbar. Einige posten etwa auf Facebook wie Christian Willeke von der Gesund Leben-Apotheke in Sundern in Nordrhein-Westfalen: „Das Hochwasser hat unsere Apotheke erstmal komplett stillgelegt, aber wir geben alles, um bald wieder für euch da zu sein.“

Versicherungen rechnen Berichten zu folge mit einem der teuersten Versicherungsjahre – dabei zahlen die meisten Hochwasser-Schäden wohl nur, wenn explizit eine „Elementarversicherung“ mitabgeschlossen wurde. Experten rechnen auch damit, dass in Zukunft die Prämien steigen werden und in einigen Gegenden solche Policen gar nicht mehr angeboten werden.  Betroffene Geschäftsleute wie Apotheker werden aber wahrscheinlich mit Hilfen  von den Bundesländern sowie dem Bund rechnen können.



Volker Budinger, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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