- DAZ.online
- News
- Spektrum
- Mediziner befürchten ...
Zusätzlich zu Corona
Mediziner befürchten verstärkt Atemwegsinfekte
Vergangenen Herbst und Winter fielen die saisontypischen Atemwegserkrankungen nahezu aus, die Grippewelle war nicht existent. Auch in den Apotheken brach der OTC-Umsatz im Erkältungssegment ein. In der kommenden Saison könnte das anders aussehen. Intensivmediziner:innen in Deutschland rechnen für Herbst und Winter wieder verstärkt mit diversen viralen Atemwegserkrankungen, wie Grippe oder RSV.
Die Coronaschutzmaßnahmen, „AHA“, aber auch geschlossene Kitas und Schulen im vergangenen Winter hatten einen Nebeneffekt: Auch andere Krankheitserreger hatten keine Chance. Es gab nahezu keine Atemwegserkrankungen, wie Erkältungen oder Grippe, und auch Magen-Darm-Infekte waren auf einem Tiefstand. Die OTC-Umsätze in diesen Bereichen brachen ein. Für den kommenden Herbst und Winter rechnen Mediziner:innen aber wieder verstärkt mit Menschen mit diversen viralen Atemwegserkrankungen. „Durch das Tragen von Masken und die anderen Regeln war die Zahl der Patienten mit Grippe und anderen viralen Krankheitserregern während der Corona-Zeit verschwindend gering“, sagte der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Gernot Marx, der Deutschen Presse-Agentur. „Wir befürchten, dass dieser positive Effekt nun verschwinden wird und wir zu den potenziellen Corona-Patienten zwischen Oktober und März auch die anderen Patienten mit viralen Erkrankungen betreuen werden.“
Mehr zum Thema
Die Patientenzahlen seien schwer einzuschätzen, auch vor der Corona-Zeit schwankten die Werte von Saison zu Saison. „Aber klar ist, dass Grippe- und COVID-19-Patienten unter Umständen die gleichen Therapien brauchen, zum Beispiel die künstliche Lunge. Die ECMO-Kapazität in Deutschland ist im internationalen Vergleich sehr gut, aber jede Kapazität hat ihre Grenzen.“ Ein erhöhtes Risiko für einen schwereren Verlauf von Grippe haben laut RKI unter anderem ältere Menschen und solche mit bestimmten Grundkrankheiten oder schwerer Fettleibigkeit. Außerdem erhöhe eine Schwangerschaft, vor allem im fortgeschrittenen Stadium, das Risiko.
„Verschobene“ Infektionen bei Kleinkindern
Auch das Robert Koch-Institut (RKI) mahnte kürzlich in einer Herbst-Winter-Strategie für die stationäre und ambulante Versorgung eine frühzeitige Vorbereitung „auf ein verstärktes Krankheitsgeschehen“ an, „auch angesichts der zusätzlich zu erwartenden Belastung durch akute Atemwegsinfektionen“, die in der Saison 2020/21 nicht in der Bevölkerung zirkuliert seien. Genannt wird neben der Grippe auch das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV), ein weltweit verbreiteter Erreger, der einfache Atemwegsinfektionen, aber auch schwere Erkrankungen auslösen kann. Letzteres insbesondere bei Säuglingen. Bei älteren Säuglingen und Kleinkindern ist eine RSV-Infektion die häufigste Ursache von Erkrankungen des unteren Respirationstraktes und von damit verbundenen Krankenhauseinweisungen. Innerhalb des 1. Lebensjahres haben üblicherweise laut RKI 50 bis 70 Prozent und bis zum Ende des 2. Lebensjahres nahezu alle Kinder mindestens eine Infektion mit RSV durchgemacht.
Im vergangenen Winter sei die Zahl der RSV-Infektionen jedoch Kinderärzten zufolge um weit mehr als 90 Prozent zurückgegangen, schrieb kürzlich die „Süddeutsche Zeitung“. Man müsse damit rechnen, dass die sehr jungen Kinder, die diesen Infekt noch nicht durchgemacht haben, ihn jetzt nachholen. Welche Auswirkungen das auf die Verläufe hat, wenn die Infektion ins spätere Lebensalter verschoben wird, wisse man nicht, erklärt Gesine Hansen, Ärztliche Direktorin des Zentrums Kinderheilkunde und Jugendmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover gegenüber der SZ. Da aber Säuglinge in der Regel am schwersten erkranken, vermutet sie, dass es Kindern nicht schlechter ergehen wird, wenn sie sich eine RSV-Infektion erst später im Leben einhandeln.
Mehr zum Thema
Ergebnisse der DAZ.online-Umfrage
Im Winter wurden vor allem weniger Erkältungspräparate abgegeben
Marx rief erneut zum Wahrnehmen der Impfangebote gegen COVID-19 auf: „Ich weiß nicht, woher dieses Wir-haben-es-geschafft-Gefühl mancher Menschen kommt, wo wir doch so viele noch nicht geimpft haben. Zu glauben, dass man die Impfung nicht brauche, weil schon so viele geimpft seien, ist ein absoluter Trugschluss“, sagte Marx, der Direktor der Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care am Universitätsklinikum Aachen ist. Von der Impfbereitschaft und vernünftigem Verhalten mit Vorsicht, Abständen und Maske hänge die Zahl der Neuinfektionen ab. Das sei ausschlaggebend, um besser durch die nächsten Monate zu kommen.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.