Barmer Arzneimittelreport 2021

Alle gebärfähigen Frauen sollten einen Medikationsplan erhalten

Stuttgart - 12.08.2021, 17:50 Uhr

Allein bei der Barmer hatten im Jahr 2018 fast 154.000 oder 7,8 Prozent der Frauen zwischen 13 und 49 Jahren potenziell das ungeborene Kind schädigende Arzneimittel verordnet bekommen. (Foto: Oksana Kuzmina / AdobeStock)

Allein bei der Barmer hatten im Jahr 2018 fast 154.000 oder 7,8 Prozent der Frauen zwischen 13 und 49 Jahren potenziell das ungeborene Kind schädigende Arzneimittel verordnet bekommen. (Foto: Oksana Kuzmina / AdobeStock)


Teratogene Arzneimittel in der Schwangerschaft müssen zum „never Event“ werden

Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer, fordert aus diesem Grund den Bundeseinheitlichen Medikationsplan auch für alle gebärfähigen Frauen. Bis heute werde die Arzneimitteltherapie von Frauen im gebärfähigen Alter „unzureichend“ dokumentiert. Diese Defizite machten es vor allem weiterbehandelnden Ärztinnen und Ärzten schwer bis unmöglich, ihre Patientinnen und das ungeborene Kind vor unnötigen Risiken zu schützen, sagte Straub in der Pressekonferenz. „Sicherheit beginnt bereits vor der Schwangerschaft“, so Straub. Der Einsatz von Teratogenen sei inakzeptabel und „es ist höchste Zeit für einen besseren Schutz des ungeborenen Kindes“, erklärte er bei der Vorstellung des Reports.

Medikationsplan bereits ab einem Arzneimittel

Auch Frauen im gebärfähigen Alter mit Dauermedikation sollten deswegen einen Rechtsanspruch auf den Bundeseinheitlichen Medikationsplan erhalten, findet der Barmer-Vorstandsvorsitzende. Damit könne das Risiko für das ungeborene Leben bei einer notwendigen teratogenen Medikation massiv reduziert werden. Doch dürfe es in diesen Fällen keine Rolle spielen, ob die Frauen nur ein oder mehrere Arzneimittel einnähmen, denn bisher besteht der Anspruch auf den Medikationsplan nur ab der regelmäßigen Einnahme von mindestens drei Medikamenten. Darüber hinaus sollte in Zukunft die Gesamtmedikation grundsätzlich auf mögliche Schwangerschaftsrisiken geprüft werden, rät Straub.

Teratogene Arzneimittel zu selten abgesetzt

Selbst bei Eintritt der Schwangerschaft werden teratogene Arzneimittel nicht konsequent abgesetzt: Gerade bei den riskanten und besonders riskanten Präparaten liegen die Absetzquoten dem Arzneimittel-Report zufolge mit Eintritt der Schwangerschaft lediglich zwischen 31 und 60 Prozent. „Diese Absetzquoten sind viel zu niedrig“, erklärte Straub. Hingegen gilt es auch zu vermeiden, dass Schwangere oder Frauen mit Kinderwunsch ihre Arzneimittel, auch nicht teratogene, aus Angst vor Schäden für das Baby eigenmächtig absetzen. Denn auch schlecht eingestellte Grunderkrankungen können das Ungeborene schädigen.

Vorbildlich sei die Situation in Großbritannien gelöst. So wurde in Großbritannien das „Never-Event“-Konzept entwickelt beziehungsweise konkretisiert. Dabei versteht man unter einem „Never-Event“ Ereignisse mit schweren Folgen, die grundsätzlich vermeidbar sind. Heißt: Die Verordnung eines teratogenen Arzneimittels in der Schwangerschaft gilt als „Never-Event“, das immer ausgeschlossen werden müsse und nicht passieren dürfe, so Straub. „In Deutschland muss die Verschreibung von einem teratogenen Arzneimittel in der Schwangerschaft ebenfalls zum ,Never-Event' werden“, sagt Straub. Er findet: „Der Bundeseinheitliche Medikationsplan, die Prüfung der Arzneimitteltherapie und das ,Never-Event'-Konzept könnten den Schutz von Ungeborenen signifikant steigern. Diese Schritte sind überfällig.“



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


1 Kommentar

never Event

von Patricia Wunderlich am 15.08.2021 um 13:00 Uhr

gerade letzte Woche habe ich von der rezeptierenden Gynäkologin eines nachweislich teratogenen Medikaments gehört : das ist nett dass sie anrufen , ist so in Ordnung……
Allerhöchste Zeit , dass sich etwas ändert!
Habe immer noch ein mieses Gefühl .

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.