Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

22.08.2021, 07:30 Uhr

Traurig! Da soll eine unserer Zukünfte in Dienstleistungen wie z. B. Medikationsanalysen liegen, aber in der Öffentlichkeit weiß keiner was davon. (Foto: Alex Schelbert)

Traurig! Da soll eine unserer Zukünfte in Dienstleistungen wie z. B. Medikationsanalysen liegen, aber in der Öffentlichkeit weiß keiner was davon. (Foto: Alex Schelbert)


18. August 2021

Dem Verband der Ersatzkassen (vdek) ist die Vergütung für den Apotheken-Botendienst ein Dorn im Auge. Für diesen mit den gesetzlich fixierten 2,50 Euro vergüteten Service hätten sie in den ersten acht Monaten nach ihrer Einführung Ende April 2020 bereits knapp 29 Mio. Euro aufgebracht, schreiben zwei Autorinnen im aktuellen „ersatzkasse magazin“. Wobei die Verteilung auf die Apotheken sehr unterschiedlich ausgefallen sei, 24 Apotheken hätten ein Viertel der Ausgaben verursacht, einige hätten sogar für bis zu 50 Prozent aller Arzneimittel einen Botendienst abgerechnet. Mein liebes Tagebuch, nicht übel. oder? Da muss wohl eine ganze Armada an Botendienstfahrzeugen bereitstehen, um im Fünf-Minuten-Takt die Bestellungen auszuliefern – Amazon prime im Miniformat oder besser Apozon prime. Vielleicht sollte man da mal genauer hinsehen, manche Apotheken übertreiben da wohl ein bisschen. Die Durchschnittsapotheke habe dagegen von den Ersatzkassen nur etwa 2000 Euro seit Einführung des Botendienstes erhalten. Egal, so oder so ist der vdek „not amused“ über das Botendienst-Honorar und fragt, ob dieser Service dauerhaft von der Versichertengemeinschaft zu finanzieren sei, und provoziert mit der Anmerkung, dass die Versandapotheken diesen Service kostenfrei erbringen würden und somit die Arzneimittel von der Vor-Ort-Apotheke für die GKV mehr kosten würden als bei den konkurrierenden Versandapos. Und die Einführung des E-Rezepts werde diese Entwicklung sicher noch befördern, meinen die Autorinnen der vdek-Berichts. Und sie legen noch eins drauf: Diese Leistung der Apotheke sei „weder geeignet, die Rolle der Apotheken in der flächendeckenden Gesundheitsversorgung zu stärken, noch die Versorgung für die Versicherten spürbar zu verbessern“ – sie sagen aber nicht, wie sie zu dieser absurden Einschätzung kommen. Ihre Schlussfolgerung: Die Botendienstvergütung müsse „wahrscheinlich als eine ‚Entschädigung‘ der Apothekerschaft dafür betrachtet werden, dass der Versandhandel von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus europarechtlichen Gründen nicht untersagt werden konnte“. Mein liebes Tagebuch, ob man die 2,50 Euro so uminterpretiert oder nicht: Der Botendienst trägt durchaus dazu bei, die Versorgung der Versicherten zu verbessern. Und dass da wohl einige Apotheken deutlich übertreiben und für bis zu 50 Prozent aller Arzneimittel einen Botendienst abrechnen – da sollten die Kassen dann einfach mal ganz genau hinsehen und die Plausibilitätsprüfung machen. Eindeutig falsch ist dagegen die Aussage der vdek-Autorinnen, dass durch den Botendienst die Arzneimittel bei den Vor-Ort-Apotheken für die Kassen teurer seien: Die Arzneimittel kosten exakt denselben Preis.

 

Das E-Rezept kommt und mit ihm der Kampf der Arzneiversender ums E-Rezept. Schauen wir auf den Zur Rose-Konzern mit seiner Tochter DocMorris. Wie aus einer Mitteilung des Konzerns anlässlich der Veröffentlichung der Zahlen für das erste Halbjahr hervorgeht, will die Schweizer Zur Rose-Gruppe im zweiten Halbjahr 2021 ihr Hauptaugenmerk auf die Einführung des E-Rezepts setzen. Das bedeutet: geplante Umsatzsteigerung in diesem Bereich und die Metamorphose „von einer reinen E-Commerce-Apotheke hin zu einem umfassenden Gesundheitsdienstleister und Healthtech-Anbieter“. Mein liebes Tagebuch, wir haben es bereits vernommen: Das Unternehmen plant den Auf- und Ausbau eines Gesundheitsökosystems, man möchte künftig die gesamte Gesundheitsversorgung mit Arzt, Apotheke usw. aus einer Hand anbieten können. Und schon bis Jahresende sollen dann alle Dienste und Funktionen wie E-Commerce, Gesundheitsservices und Marktplatz in einer digitalen DocMorris-Gesundheitsplattform mit nur noch einer App und einen Portal zusammengeführt werden, verspricht Zur Rose vollmundig. Der Marktplatz DocMorris+, bei dem bekanntlich auch Vor-Ort-Apotheken als Partner-Apotheken mitmachen sollen, um „same day delivery“ anbieten zu können, wurde dafür in „DocMorris Express“ umbenannt. Mein liebes Tagebuch, ob sich dafür genügend  Apotheken finden (da fällt einem doch das Zitat ein „nur die dümmsten Kälber wählen ihren Metzger selber“), bleibt abzuwarten. Laut den Zur Rose-Zahlen habe sich zwar der Umsatz zur Zufriedenheit entwickelt, aber von Gewinn ist da noch keine Spur, im Gegenteil: Das Betriebsergebnis fürs erste Halbjahr liegt mit minus 49,7 Mio. Schweizer Franken (etwa 46,4 Mio. Euro) deutlich unter dem vom Vorjahr. Man hatte die eine oder andere Aufwendung und Investition, heißt es. Nur mal so als Beispiel: Für die umfangreiche DocMorris-Marketingkampagne „Das neue Gesund“, die aufs E-Rezept abgestellt ist, hat Zur Rose nach eigenen Angaben rund 20 Millionen Schweizer Franken (rund 18,7 Millionen Euro) ausgegeben. Tja, die Zur Rose Group AG meint es ernst mit dem E-Rezept, sehr ernst.

Apropos Kampagnen und E-Rezept, mein liebes Tagebuch, da passt doch folgende Meldung recht gut dazu: Die ABDA hat ihre Zusammenarbeit mit der Kommunikationsagentur Cyrano für weitere zwei Jahre verlängert. Die Agentur unterstützt z. B. die Landesorganisationen bei der Umsetzung bundesweiter Kampagnen. Das Budget liegt bei gut 2 Millionen Euro brutto pro Jahr. Mein liebes Tagebuch, mal ganz spitz formuliert und nur mal so zum Nachdenken: Den Kampf ums E-Rezept lässt sich DocMorris mit seiner Kampagne fast 20 Mio. Euro kosten, das Budget für unsere ABDA-Apotheken-Kampagne beträgt 2 Mio. Euro. Was lernen wir daraus? Wir können nicht durch Plakate und Werbespots punkten, wir können nur durch Leistung vor Ort überzeugen –  aber da müssen wir dann auch kräftig liefern.



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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4 Kommentare

Keine Wahrnehmung

von Reinhard Rodiger am 22.08.2021 um 13:50 Uhr

Ein Igel hat eine Chance mit seinem Totstellreflex."Wir" nicht.

Es häufen sich die brisanten Themen zu denen "Wir" nur einen Totstellreflex zu bieten haben.Die Krankenkassen machen Hasspropaganda, die Polypharmazie wird der allgemeinen Presse überlassen, die Heuchelei zur praktischen Kompetenz von PTA geht weiter,die angeblichen Zukunftstätigkeiten bleiben im Nebel, zum eRezept nichts erhellendes,zur leistungsgerechten Bezahlung nichts, zur Fremdkapitalgestützten Infrastrukturzerstörung weniger als nichts(=Unterstützung) usw. Es macht Schwierigkeiten,
aufzuhören.Alles nicht zu übersehende, nicht sichtbar bearbeitete Führungsaufgaben.

Wer zu allem Wichtigen schweigt,wird nicht wahrgenommen und als nicht vorhanden und vernachlässigter eingestuft.Da ist es eine bodenlose Frechheit, die Einzelnen doch zu mehr Engagement aufzurufen.Sie können dieses Loch nicht stopfen.Sicher, es kann immer mehr oder besser gemacht werden.Aber ohne tragendes Vorbild und fassbare Perspektiven geht es nicht.

Keine Wahrnehmung ist der Preis für Schweigen.Keine Zukunft ist die Folge.Kommentarlost induziert von "unserer" Führung.

Vielleicht kommen Vorschläge zur Lösung der angeschnittenen Probleme oder Fragen dazu.Da könnte die DAZ ja auch unterstützen.Vielleicht kommt etwas in Bewegung.Der Stoff liegt rum.

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Blech oder ABDA?

von Ulrich Ströh am 22.08.2021 um 8:46 Uhr

Ein Spiegeljournalist namens Blech pointiert die Polypharmazie für die interessierte Öffentlichkeit.

Und die ABDA schweigt weiterhin zu diesem , unserem Zukunftsthema .
Gibts dazu endlich konkrete Hinweise auf dem kommenden Apothekertag?

Warum überlassen wir Fachfremden dieses zukünftige Spielfeld ?

Wahrnehmbar geht anders.

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Mal emtionsarm betrachtet ….

von gabriela aures am 22.08.2021 um 8:28 Uhr

.,.. haben wir echt andere Baustellen als die PTAs „kleinzuhalten“ !
„ Denn dass eine PTA mal eben so einen approbierten Apotheker, eine approbierte Apothekerin mit deren gesamten Verantwortung vertritt, auch nur für ein paar Stunden – das kann doch nicht wirklich eine Lösung für Personalengpässe sein.“
Nein, tatsächlich soll und kann auch keine Lösung für echte Personalengpässe sein, sondern nur eine durchaus pragmatische Lösung, wenn InhaberInnen mal eben ein paar STUNDEN frei haben müssen. Sind schließlich auch nur Menschen, oftmals sogar mit Kindern oder Terminen !

Ganz nebenbei : die hieraus befürchtete (vermeintliche) Bedrohung für den Beruf des Apothekers ist eher dem Standesdünkel geschuldet .
Wir stehen vor viel größeren Umbrüchen und Risiken.

Aber solange unsere ABDA stillhält ( mittlerweile sogar im Keller, was man hört und sieht) ist ja alles gut und selbst von einer AG Honorar kann man in 14 Jahren keine Wunder erwarten.
(Ist GRO da noch mit dabei ? Oder hat sich die Zusammensetzung seit dem Gründungsjahr 2007 geändert ? Letztens habe ich die bei DAZ noch gefunden.,,)

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AW: Mal emtionsarm betrachtet

von Dr.Diefenbach am 22.08.2021 um 11:19 Uhr

Schade dass Frau Aures nur noch selten schreibt...Ich stimme ihr wie so oft weitgehend ZU.Das Theater um die Vertretungsbefugnis für PTA :Das geht seit Jahren.Der Firewall um "uns" ist-logisch.massiv,ABER:Kommt es nicht täglich x-fach vor, dass KollegInnen mal "eben" den Betrieb verlassen(müssen),um etwas ausserhalb der Organisation Apotheke zu erledigen.Das bekommt gar keiner mit, insofern sind es auch oft PTAs ,
die sehr wohl das System "Apotheke" aufrecht erhalten.Und was ist daran so schlecht?Ich fasse da ein ganz heisses Eisen an:Viele der appobierten
KollegInnen,die heute in den Betrieben arbeiten, sind doch auf Grund ihrer Sprachkenntnisse weiter entfernt vom Kunden/Patienten als man das
annehmen kann.Leider stelle ich dies bei der Prüfung von PharmazeutInnen die von ausserhalb kommen, so sage ich das jetzt ,oft fest, dass der Wunsch eines Ratsuchenden in der Apotheke gar nicht VERSTANDEN wird!! Kann das die Zukunft sein? Und:Der Beruf hat es immer noch nicht erreicht,dass das "Image" welches uns zusteht(!),auch realisiert IST.Trotz Corona,trotz teilweisem Arbeiten an der Belastungsgrenze über lange Zeiträume.Oder irre ich mich da?Insofern steht nach meiner Ansicht einer partiellen Vertretung bei entsprechender Weiterqualifikation wenigstens eine Option offen, die heute nicht legal oft genutzt wird,,,
Dass unser PR Aktivist der ABDA nach wie vor im Glashaus agiert,dies ist auch nichts Neues.Über die Aussagen zB zum E-rezept finde ich wesentlich mehr
von Autoren ausserhalb des eigenen Dunstkreises als das was aus dem ABDA Haus nach draussen dringt.
Und zur "Honorardebatte um pharmazeutische Dienstleistung".das ist doch noch peinlicher als mancher aktuelle "Wahlkampf".Diese elende
Geheimnsikrämerei.dass nach einer Vielzahl von Jahren nicht mal eine konkrete Zahl auf dem Tisch liegt:Ist dies nicht viel schlimmer als das Diskutieren um eine partielle Vertretungsbefugnis für PTA,Und am Rande: unsere "Altvorexaminierten" vertreten auch.Dies geht in Ordnung.Aber ist deren Kenntnis-oder Wissensstand weiter als der einer PTA im ständigen Bildungsmodus?
Wir sollten auch nicht vergessen, dass die Generation Z, die ja offenkundig über Arbeitsmodelle andere Denkstrukturen an den Tag legt ,den Mitarbeiterbedarf nochmal deutlich nach oben fährt!! Und?Wenn der Grossteil fertiger Pharmazeuten liebt in andere Strukturen wechselt oder nach 3o Stunden erschöpft ist, dann bleiben eben Alternativdenkmodelle MIT Konsequenzen nicht aus!! Es geht hier nicht ums "mal eben" vertreten durch eine andere Berufsgruppe.Es geht um den Individualerhalt der Einzelapotheke.Oder wir übertragen schleichend die Vorortbetriebe mehr und mehr an KollegInnen,die dann auch auf Grund der Grösse irgendwann mit Fremdkapital agieren.Dann wird ohnehin Vieles umstrukturiert.
Die Diskussion um PTAS soll und muss weitergeführt werden.Denken ist nicht verboten!Und den Alleinanspruch hat keine(r) von uns!!






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