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18. August 2021
Dem Verband der Ersatzkassen (vdek) ist die Vergütung für den Apotheken-Botendienst ein Dorn im Auge. Für diesen mit den gesetzlich fixierten 2,50 Euro vergüteten Service hätten sie in den ersten acht Monaten nach ihrer Einführung Ende April 2020 bereits knapp 29 Mio. Euro aufgebracht, schreiben zwei Autorinnen im aktuellen „ersatzkasse magazin“. Wobei die Verteilung auf die Apotheken sehr unterschiedlich ausgefallen sei, 24 Apotheken hätten ein Viertel der Ausgaben verursacht, einige hätten sogar für bis zu 50 Prozent aller Arzneimittel einen Botendienst abgerechnet. Mein liebes Tagebuch, nicht übel. oder? Da muss wohl eine ganze Armada an Botendienstfahrzeugen bereitstehen, um im Fünf-Minuten-Takt die Bestellungen auszuliefern – Amazon prime im Miniformat oder besser Apozon prime. Vielleicht sollte man da mal genauer hinsehen, manche Apotheken übertreiben da wohl ein bisschen. Die Durchschnittsapotheke habe dagegen von den Ersatzkassen nur etwa 2000 Euro seit Einführung des Botendienstes erhalten. Egal, so oder so ist der vdek „not amused“ über das Botendienst-Honorar und fragt, ob dieser Service dauerhaft von der Versichertengemeinschaft zu finanzieren sei, und provoziert mit der Anmerkung, dass die Versandapotheken diesen Service kostenfrei erbringen würden und somit die Arzneimittel von der Vor-Ort-Apotheke für die GKV mehr kosten würden als bei den konkurrierenden Versandapos. Und die Einführung des E-Rezepts werde diese Entwicklung sicher noch befördern, meinen die Autorinnen der vdek-Berichts. Und sie legen noch eins drauf: Diese Leistung der Apotheke sei „weder geeignet, die Rolle der Apotheken in der flächendeckenden Gesundheitsversorgung zu stärken, noch die Versorgung für die Versicherten spürbar zu verbessern“ – sie sagen aber nicht, wie sie zu dieser absurden Einschätzung kommen. Ihre Schlussfolgerung: Die Botendienstvergütung müsse „wahrscheinlich als eine ‚Entschädigung‘ der Apothekerschaft dafür betrachtet werden, dass der Versandhandel von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus europarechtlichen Gründen nicht untersagt werden konnte“. Mein liebes Tagebuch, ob man die 2,50 Euro so uminterpretiert oder nicht: Der Botendienst trägt durchaus dazu bei, die Versorgung der Versicherten zu verbessern. Und dass da wohl einige Apotheken deutlich übertreiben und für bis zu 50 Prozent aller Arzneimittel einen Botendienst abrechnen – da sollten die Kassen dann einfach mal ganz genau hinsehen und die Plausibilitätsprüfung machen. Eindeutig falsch ist dagegen die Aussage der vdek-Autorinnen, dass durch den Botendienst die Arzneimittel bei den Vor-Ort-Apotheken für die Kassen teurer seien: Die Arzneimittel kosten exakt denselben Preis.
Das E-Rezept kommt und mit ihm der Kampf der Arzneiversender ums E-Rezept. Schauen wir auf den Zur Rose-Konzern mit seiner Tochter DocMorris. Wie aus einer Mitteilung des Konzerns anlässlich der Veröffentlichung der Zahlen für das erste Halbjahr hervorgeht, will die Schweizer Zur Rose-Gruppe im zweiten Halbjahr 2021 ihr Hauptaugenmerk auf die Einführung des E-Rezepts setzen. Das bedeutet: geplante Umsatzsteigerung in diesem Bereich und die Metamorphose „von einer reinen E-Commerce-Apotheke hin zu einem umfassenden Gesundheitsdienstleister und Healthtech-Anbieter“. Mein liebes Tagebuch, wir haben es bereits vernommen: Das Unternehmen plant den Auf- und Ausbau eines Gesundheitsökosystems, man möchte künftig die gesamte Gesundheitsversorgung mit Arzt, Apotheke usw. aus einer Hand anbieten können. Und schon bis Jahresende sollen dann alle Dienste und Funktionen wie E-Commerce, Gesundheitsservices und Marktplatz in einer digitalen DocMorris-Gesundheitsplattform mit nur noch einer App und einen Portal zusammengeführt werden, verspricht Zur Rose vollmundig. Der Marktplatz DocMorris+, bei dem bekanntlich auch Vor-Ort-Apotheken als Partner-Apotheken mitmachen sollen, um „same day delivery“ anbieten zu können, wurde dafür in „DocMorris Express“ umbenannt. Mein liebes Tagebuch, ob sich dafür genügend Apotheken finden (da fällt einem doch das Zitat ein „nur die dümmsten Kälber wählen ihren Metzger selber“), bleibt abzuwarten. Laut den Zur Rose-Zahlen habe sich zwar der Umsatz zur Zufriedenheit entwickelt, aber von Gewinn ist da noch keine Spur, im Gegenteil: Das Betriebsergebnis fürs erste Halbjahr liegt mit minus 49,7 Mio. Schweizer Franken (etwa 46,4 Mio. Euro) deutlich unter dem vom Vorjahr. Man hatte die eine oder andere Aufwendung und Investition, heißt es. Nur mal so als Beispiel: Für die umfangreiche DocMorris-Marketingkampagne „Das neue Gesund“, die aufs E-Rezept abgestellt ist, hat Zur Rose nach eigenen Angaben rund 20 Millionen Schweizer Franken (rund 18,7 Millionen Euro) ausgegeben. Tja, die Zur Rose Group AG meint es ernst mit dem E-Rezept, sehr ernst.
Apropos Kampagnen und E-Rezept, mein liebes Tagebuch, da passt doch folgende Meldung recht gut dazu: Die ABDA hat ihre Zusammenarbeit mit der Kommunikationsagentur Cyrano für weitere zwei Jahre verlängert. Die Agentur unterstützt z. B. die Landesorganisationen bei der Umsetzung bundesweiter Kampagnen. Das Budget liegt bei gut 2 Millionen Euro brutto pro Jahr. Mein liebes Tagebuch, mal ganz spitz formuliert und nur mal so zum Nachdenken: Den Kampf ums E-Rezept lässt sich DocMorris mit seiner Kampagne fast 20 Mio. Euro kosten, das Budget für unsere ABDA-Apotheken-Kampagne beträgt 2 Mio. Euro. Was lernen wir daraus? Wir können nicht durch Plakate und Werbespots punkten, wir können nur durch Leistung vor Ort überzeugen – aber da müssen wir dann auch kräftig liefern.
4 Kommentare
Keine Wahrnehmung
von Reinhard Rodiger am 22.08.2021 um 13:50 Uhr
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Blech oder ABDA?
von Ulrich Ströh am 22.08.2021 um 8:46 Uhr
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Mal emtionsarm betrachtet ….
von gabriela aures am 22.08.2021 um 8:28 Uhr
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AW: Mal emtionsarm betrachtet
von Dr.Diefenbach am 22.08.2021 um 11:19 Uhr
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