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20. August 2021
Wir dürfen nicht nur Impfzertifikate übers DAV-Portal digitalisieren (wenn es denn funktioniert), sondern auch Genesenenzerfikate. Doch voraussichtlich wird dies erst ab kommender Woche möglich sein. Und dieses Mal liegt es nicht am Apothekenportal: Das Robert-Koch-Institut wird die neue Funktion voraussichtlich erst in der kommenden Woche freischalten. Also, mein liebes Tagebuch, da müssen wir wohl diejenigen, die ihr Genesenenzertifikat schon am Montag digitalisiert haben wollen, noch ein wenig vertrösten. Und bald soll auch noch die Handlungshilfe folgen, mit der die ABDA Hinweise zur praktischen Umsetzung in den Offizinen gibt. Die Abrechnung erfolgt dann über die Apothekenrechenzentren und nicht über die Kassenärztlichen Vereinigungen. Viel Geld gibt es bekanntlich nicht für diese Leistung: Die Vergütung laut Coronavirus-Testverordnung (§ 12 Abs. 6) beträgt 6 Euro – mein liebes Tagebuch, muss man als Maßnahme für den Kundenservice sehen.
So ab und an und in manchen Regionen Deutschlands, so hört man, gibt es Personalengpässe in den Apotheken. Mal gibt es Engpässe bei Approbierten, mal bei PTAs. Richtig valide Daten scheint es nicht zu geben, ist ja auch alles im Fluss. Immerhin, den sächsischen CDU-Gesundheitspolitiker aus dem Erzgebirge, Alexander Kraus, treiben diese Engpässe um. Und so hat er nun vorgeschlagen, den PTAs die Vertretung von Approbierten zu ermöglichen. Freilich, nicht die PTA, die gerade von der PTA-Schule kommt, soll vertreten können, sondern für ihn ist denkbar, „dass PTAs mit mindestens fünf Jahren Berufspraxis stundenweise einspringen“, wie er auf seiner Internetseite schreibt. Man könne die Vertretung auch an eine Weiterbildung knüpfen. Diese PTAs hätten durch ihre Berufserfahrung „ein Gespür entwickelt, inwieweit sie den Kunden helfen können“, meint Kraus. Für den Bundesverband PTA trifft dieser Kraussche Vorschlag ins Schwarze und holt gleich mehrere Vorschläge aus der Schublade, wie der PTA-Beruf aufgewertet werden könnte, beispielsweise durch eine standardisierte Weiterqualifizierung, die zur „Certified Person“ mit definierten Kompetenzen führe. Der Schlüssel für diese Weiterentwicklung liege nun bei der ABDA, meint der BVpta, dessen Aufgabe es nun mal ist, sich für den PTA-Beruf einzusetzen, zumal ihm die Reform und Modernisierung des PTA-Berufs von 2019 nicht weit genug ging. Mein liebes Tagebuch, aber vielleicht hätte man dem CDU-Gesundheitspolitiker Kraus erstmal den Unterschied zwischen einer approbierten Apothekerin und einer PTA erklären sollen und den Unterschied zwischen einem achtsemestrigen Pharmaziestudium und einer Ausbildung an einer PTA-Schule. Gut möglich, dass er es sich dann nochmal überlegt hätte, ob er so einen Vorschlag macht. Denn dass eine PTA mal eben so einen approbierten Apotheker, eine approbierte Apothekerin mit deren gesamten Verantwortung vertritt, auch nur für ein paar Stunden – das kann doch nicht wirklich eine Lösung für Personalengpässe sein. Und, mein liebes Tagebuch, bei aller Wertschätzung und Anerkennung des PTA-Berufs: Wenn es um die Gesundheit geht, möchte ich mich nicht auf das „Gespür von PTA, inwieweit sie den Kunden helfen können“ (O-Ton Kraus), verlassen wollen.
Spiegel-Lesern ist Jörg Blech bekannt: Er ist Wissenschaftsjournalist und Sachbuchautor und kennt sich in der Gesundheitsszene aus. Vor Kurzem machte er in einem Online-Beitrag auf die gefährliche Polypharmazie aufmerksam. Hintergrund ist die für Oktober geplante Internationale Konferenz im dänischen Kolding, auf der es um „Desprescribing“ geht, ums „Ent-Verschreiben“, wie man es etwas holprig ins Deutsche übersetzen kann. Blech findet, dass es höchste Zeit für das Treffen sei, denn das Absetzen von Arzneimitteln finde in der Medizin noch immer viel zu selten statt. Da kann man ihm nur zustimmen. Er zitiert einen Beitrag im „Geriatric-Report“, in dem eine 85 Jahre alte Dame vorgestellt wird, auf deren Medikamentenplan 16 verschiedene Präparate standen. „So weit kommt es, wenn keiner der Verschreibenden den ganzen Menschen im Blick hat“, gibt Blech zu bedenken. Und er nennt auch Verschreibungskaskaden: „Ein Medikament wird verschrieben, damit es die Wirkung eines anderen aufhebt.“ Mein liebes Tagebuch, wir Apothekers sehen solche Fälle von Polypharmazie nicht selten in unserer Praxis. Blech ist überzeugt, dass Patienten und deren Angehörige etwas dagegen tun können: Sie könnten „gemeinsam mit einer kritischen Hausärztin oder einem Hausarzt die Liste der Rezepte sichten“, so Blech, und die überflüssigen oder die ab einem gewissen Alter nicht mehr geeigneten Arzneimittel oder Arzneimittel, deren Indikation nicht mehr angezeigt ist, nicht mehr geben. Mein liebes Tagebuch, wie wahr, das kann man alles unterschreiben. Nur eines hat mich nachdenklich gestimmt: Was Jörg Blech da vorschlägt – sind das nicht genau die Aufgaben und Dienstleistungen, die wir Apothekerinnen und Apotheker mit der Medikationsanalyse und dem Medikationsmanagement anbieten? Ist es denn in Kreisen von erfahrenen Wissenschaftsjournalisten nicht bekannt, dass wir Apothekers die Arzneimittelfachleute sind, die gelernt haben, solche Verschreibungskaskaden, solche gefährliche Polypharmazie aufzudecken? Oder hat es sich noch nicht herumgesprochen, dass es genau solche Dienstleistungen sein sollen, die wir Apothekers als honorierte pharmazeutische Dienstleistungen anbieten wollen? Wie auch! Mein liebes Tagebuch, vermutlich weiß das da draußen noch keiner! Ist ja alles noch sehr geheim, die ABDA lässt dazu nichts raus, die Verhandlungen mit den Krankenkassen laufen und laufen. Und die Zeit läuft uns davon. Mich stimmt das traurig.
4 Kommentare
Keine Wahrnehmung
von Reinhard Rodiger am 22.08.2021 um 13:50 Uhr
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Blech oder ABDA?
von Ulrich Ströh am 22.08.2021 um 8:46 Uhr
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Mal emtionsarm betrachtet ….
von gabriela aures am 22.08.2021 um 8:28 Uhr
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AW: Mal emtionsarm betrachtet
von Dr.Diefenbach am 22.08.2021 um 11:19 Uhr
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