Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

22.08.2021, 07:30 Uhr

Traurig! Da soll eine unserer Zukünfte in Dienstleistungen wie z. B. Medikationsanalysen liegen, aber in der Öffentlichkeit weiß keiner was davon. (Foto: Alex Schelbert)

Traurig! Da soll eine unserer Zukünfte in Dienstleistungen wie z. B. Medikationsanalysen liegen, aber in der Öffentlichkeit weiß keiner was davon. (Foto: Alex Schelbert)


20. August 2021

Wir dürfen nicht nur Impfzertifikate übers DAV-Portal digitalisieren (wenn es denn funktioniert), sondern auch Genesenenzerfikate. Doch voraussichtlich wird dies erst ab kommender Woche möglich sein. Und dieses Mal liegt es nicht am Apothekenportal: Das Robert-Koch-Institut wird die neue Funktion voraussichtlich erst in der kommenden Woche freischalten. Also, mein liebes Tagebuch, da müssen wir wohl diejenigen, die ihr Genesenenzertifikat schon am Montag digitalisiert haben wollen, noch ein wenig vertrösten. Und bald soll auch noch die Handlungshilfe folgen, mit der die ABDA Hinweise zur praktischen Umsetzung in den Offizinen gibt. Die Abrechnung erfolgt dann über die Apothekenrechenzentren und nicht über die Kassenärztlichen Vereinigungen. Viel Geld gibt es bekanntlich nicht für diese Leistung: Die Vergütung laut Coronavirus-Testverordnung (§ 12 Abs. 6) beträgt 6 Euro – mein liebes Tagebuch, muss man als Maßnahme für den Kundenservice sehen.

 

So ab und an und in manchen Regionen Deutschlands, so hört man, gibt es Personalengpässe in den Apotheken. Mal gibt es Engpässe bei Approbierten, mal bei PTAs. Richtig valide Daten scheint es nicht zu geben, ist ja auch alles im Fluss. Immerhin, den sächsischen CDU-Gesundheitspolitiker aus dem Erzgebirge, Alexander Kraus, treiben diese Engpässe um. Und so hat er nun vorgeschlagen, den PTAs die Vertretung von Approbierten zu ermöglichen. Freilich, nicht die PTA, die gerade von der PTA-Schule kommt, soll vertreten können, sondern für ihn ist denkbar, „dass PTAs mit mindestens fünf Jahren Berufspraxis stundenweise einspringen“, wie er auf seiner Internetseite schreibt. Man könne die Vertretung auch an eine Weiterbildung knüpfen. Diese PTAs hätten durch ihre Berufserfahrung „ein Gespür entwickelt, inwieweit sie den Kunden helfen können“, meint Kraus. Für den Bundesverband PTA trifft dieser Kraussche Vorschlag ins Schwarze und holt gleich mehrere Vorschläge aus der Schublade, wie der PTA-Beruf aufgewertet werden könnte, beispielsweise durch eine standardisierte Weiterqualifizierung, die zur „Certified Person“ mit definierten Kompetenzen führe. Der Schlüssel für diese Weiterentwicklung liege nun bei der ABDA, meint der BVpta, dessen Aufgabe es nun mal ist, sich für den PTA-Beruf einzusetzen, zumal ihm die Reform und Modernisierung des PTA-Berufs von 2019 nicht weit genug ging. Mein liebes Tagebuch, aber vielleicht hätte man dem CDU-Gesundheitspolitiker Kraus erstmal den Unterschied zwischen einer approbierten Apothekerin und einer PTA erklären sollen und den Unterschied zwischen einem achtsemestrigen Pharmaziestudium und einer Ausbildung an einer PTA-Schule. Gut möglich, dass er es sich dann nochmal überlegt hätte, ob er so einen Vorschlag macht. Denn dass eine PTA mal eben so einen approbierten Apotheker, eine approbierte Apothekerin mit deren gesamten Verantwortung vertritt, auch nur für ein paar Stunden – das kann doch nicht wirklich eine Lösung für Personalengpässe sein. Und, mein liebes Tagebuch, bei aller Wertschätzung und Anerkennung des PTA-Berufs: Wenn es um die Gesundheit geht, möchte ich mich nicht auf das „Gespür von PTA, inwieweit sie den Kunden helfen können“ (O-Ton Kraus), verlassen wollen.


Spiegel-Lesern ist Jörg Blech bekannt: Er ist Wissenschaftsjournalist und Sachbuchautor und kennt sich in der Gesundheitsszene aus. Vor Kurzem machte er in einem Online-Beitrag auf die gefährliche Polypharmazie aufmerksam. Hintergrund ist die für Oktober geplante Internationale Konferenz im dänischen Kolding, auf der es um „Desprescribing“ geht, ums „Ent-Verschreiben“, wie man es etwas holprig ins Deutsche übersetzen kann. Blech findet, dass es höchste Zeit für das Treffen sei, denn das Absetzen von Arzneimitteln finde in der Medizin noch immer viel zu selten statt. Da kann man ihm nur zustimmen. Er zitiert einen Beitrag im „Geriatric-Report“, in dem eine 85 Jahre alte Dame vorgestellt wird, auf deren Medikamentenplan 16 verschiedene Präparate standen. „So weit kommt es, wenn keiner der Verschreibenden den ganzen Menschen im Blick hat“, gibt Blech zu bedenken. Und er nennt auch Verschreibungskaskaden: „Ein Medikament wird verschrieben, damit es die Wirkung eines anderen aufhebt.“ Mein liebes Tagebuch, wir Apothekers sehen solche Fälle von Polypharmazie nicht selten in unserer Praxis. Blech ist überzeugt, dass Patienten und deren Angehörige etwas dagegen tun können: Sie könnten „gemeinsam mit einer kritischen Hausärztin oder einem Hausarzt die Liste der Rezepte sichten“, so Blech, und die überflüssigen oder die ab einem gewissen Alter nicht mehr geeigneten Arzneimittel oder Arzneimittel, deren Indikation nicht mehr angezeigt ist, nicht mehr geben. Mein liebes Tagebuch, wie wahr, das kann man alles unterschreiben. Nur eines hat mich nachdenklich gestimmt: Was Jörg Blech da vorschlägt – sind das nicht genau die Aufgaben und Dienstleistungen, die wir Apothekerinnen und Apotheker mit der Medikationsanalyse und dem Medikationsmanagement anbieten? Ist es denn in Kreisen von erfahrenen Wissenschaftsjournalisten nicht bekannt, dass wir Apothekers die Arzneimittelfachleute sind, die gelernt haben, solche Verschreibungskaskaden, solche gefährliche Polypharmazie aufzudecken? Oder hat es sich noch nicht herumgesprochen, dass es genau solche Dienstleistungen sein sollen, die wir Apothekers als honorierte pharmazeutische Dienstleistungen anbieten wollen? Wie auch! Mein liebes Tagebuch, vermutlich weiß das da draußen noch keiner! Ist ja alles noch sehr geheim, die ABDA lässt dazu nichts raus, die Verhandlungen mit den Krankenkassen laufen und laufen. Und die Zeit läuft uns davon. Mich stimmt das traurig.



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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4 Kommentare

Keine Wahrnehmung

von Reinhard Rodiger am 22.08.2021 um 13:50 Uhr

Ein Igel hat eine Chance mit seinem Totstellreflex."Wir" nicht.

Es häufen sich die brisanten Themen zu denen "Wir" nur einen Totstellreflex zu bieten haben.Die Krankenkassen machen Hasspropaganda, die Polypharmazie wird der allgemeinen Presse überlassen, die Heuchelei zur praktischen Kompetenz von PTA geht weiter,die angeblichen Zukunftstätigkeiten bleiben im Nebel, zum eRezept nichts erhellendes,zur leistungsgerechten Bezahlung nichts, zur Fremdkapitalgestützten Infrastrukturzerstörung weniger als nichts(=Unterstützung) usw. Es macht Schwierigkeiten,
aufzuhören.Alles nicht zu übersehende, nicht sichtbar bearbeitete Führungsaufgaben.

Wer zu allem Wichtigen schweigt,wird nicht wahrgenommen und als nicht vorhanden und vernachlässigter eingestuft.Da ist es eine bodenlose Frechheit, die Einzelnen doch zu mehr Engagement aufzurufen.Sie können dieses Loch nicht stopfen.Sicher, es kann immer mehr oder besser gemacht werden.Aber ohne tragendes Vorbild und fassbare Perspektiven geht es nicht.

Keine Wahrnehmung ist der Preis für Schweigen.Keine Zukunft ist die Folge.Kommentarlost induziert von "unserer" Führung.

Vielleicht kommen Vorschläge zur Lösung der angeschnittenen Probleme oder Fragen dazu.Da könnte die DAZ ja auch unterstützen.Vielleicht kommt etwas in Bewegung.Der Stoff liegt rum.

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Blech oder ABDA?

von Ulrich Ströh am 22.08.2021 um 8:46 Uhr

Ein Spiegeljournalist namens Blech pointiert die Polypharmazie für die interessierte Öffentlichkeit.

Und die ABDA schweigt weiterhin zu diesem , unserem Zukunftsthema .
Gibts dazu endlich konkrete Hinweise auf dem kommenden Apothekertag?

Warum überlassen wir Fachfremden dieses zukünftige Spielfeld ?

Wahrnehmbar geht anders.

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Mal emtionsarm betrachtet ….

von gabriela aures am 22.08.2021 um 8:28 Uhr

.,.. haben wir echt andere Baustellen als die PTAs „kleinzuhalten“ !
„ Denn dass eine PTA mal eben so einen approbierten Apotheker, eine approbierte Apothekerin mit deren gesamten Verantwortung vertritt, auch nur für ein paar Stunden – das kann doch nicht wirklich eine Lösung für Personalengpässe sein.“
Nein, tatsächlich soll und kann auch keine Lösung für echte Personalengpässe sein, sondern nur eine durchaus pragmatische Lösung, wenn InhaberInnen mal eben ein paar STUNDEN frei haben müssen. Sind schließlich auch nur Menschen, oftmals sogar mit Kindern oder Terminen !

Ganz nebenbei : die hieraus befürchtete (vermeintliche) Bedrohung für den Beruf des Apothekers ist eher dem Standesdünkel geschuldet .
Wir stehen vor viel größeren Umbrüchen und Risiken.

Aber solange unsere ABDA stillhält ( mittlerweile sogar im Keller, was man hört und sieht) ist ja alles gut und selbst von einer AG Honorar kann man in 14 Jahren keine Wunder erwarten.
(Ist GRO da noch mit dabei ? Oder hat sich die Zusammensetzung seit dem Gründungsjahr 2007 geändert ? Letztens habe ich die bei DAZ noch gefunden.,,)

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AW: Mal emtionsarm betrachtet

von Dr.Diefenbach am 22.08.2021 um 11:19 Uhr

Schade dass Frau Aures nur noch selten schreibt...Ich stimme ihr wie so oft weitgehend ZU.Das Theater um die Vertretungsbefugnis für PTA :Das geht seit Jahren.Der Firewall um "uns" ist-logisch.massiv,ABER:Kommt es nicht täglich x-fach vor, dass KollegInnen mal "eben" den Betrieb verlassen(müssen),um etwas ausserhalb der Organisation Apotheke zu erledigen.Das bekommt gar keiner mit, insofern sind es auch oft PTAs ,
die sehr wohl das System "Apotheke" aufrecht erhalten.Und was ist daran so schlecht?Ich fasse da ein ganz heisses Eisen an:Viele der appobierten
KollegInnen,die heute in den Betrieben arbeiten, sind doch auf Grund ihrer Sprachkenntnisse weiter entfernt vom Kunden/Patienten als man das
annehmen kann.Leider stelle ich dies bei der Prüfung von PharmazeutInnen die von ausserhalb kommen, so sage ich das jetzt ,oft fest, dass der Wunsch eines Ratsuchenden in der Apotheke gar nicht VERSTANDEN wird!! Kann das die Zukunft sein? Und:Der Beruf hat es immer noch nicht erreicht,dass das "Image" welches uns zusteht(!),auch realisiert IST.Trotz Corona,trotz teilweisem Arbeiten an der Belastungsgrenze über lange Zeiträume.Oder irre ich mich da?Insofern steht nach meiner Ansicht einer partiellen Vertretung bei entsprechender Weiterqualifikation wenigstens eine Option offen, die heute nicht legal oft genutzt wird,,,
Dass unser PR Aktivist der ABDA nach wie vor im Glashaus agiert,dies ist auch nichts Neues.Über die Aussagen zB zum E-rezept finde ich wesentlich mehr
von Autoren ausserhalb des eigenen Dunstkreises als das was aus dem ABDA Haus nach draussen dringt.
Und zur "Honorardebatte um pharmazeutische Dienstleistung".das ist doch noch peinlicher als mancher aktuelle "Wahlkampf".Diese elende
Geheimnsikrämerei.dass nach einer Vielzahl von Jahren nicht mal eine konkrete Zahl auf dem Tisch liegt:Ist dies nicht viel schlimmer als das Diskutieren um eine partielle Vertretungsbefugnis für PTA,Und am Rande: unsere "Altvorexaminierten" vertreten auch.Dies geht in Ordnung.Aber ist deren Kenntnis-oder Wissensstand weiter als der einer PTA im ständigen Bildungsmodus?
Wir sollten auch nicht vergessen, dass die Generation Z, die ja offenkundig über Arbeitsmodelle andere Denkstrukturen an den Tag legt ,den Mitarbeiterbedarf nochmal deutlich nach oben fährt!! Und?Wenn der Grossteil fertiger Pharmazeuten liebt in andere Strukturen wechselt oder nach 3o Stunden erschöpft ist, dann bleiben eben Alternativdenkmodelle MIT Konsequenzen nicht aus!! Es geht hier nicht ums "mal eben" vertreten durch eine andere Berufsgruppe.Es geht um den Individualerhalt der Einzelapotheke.Oder wir übertragen schleichend die Vorortbetriebe mehr und mehr an KollegInnen,die dann auch auf Grund der Grösse irgendwann mit Fremdkapital agieren.Dann wird ohnehin Vieles umstrukturiert.
Die Diskussion um PTAS soll und muss weitergeführt werden.Denken ist nicht verboten!Und den Alleinanspruch hat keine(r) von uns!!






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