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7-Tage-Inzidenz soll nicht alleiniger Maßstab sein
Bundestag verlängert epidemische Lage erneut
Der Deutsche Bundestag hat am gestrigen Mittwochabend nach einer heftigen Debatte zwischen Regierung und Opposition die epidemische Lage von nationaler Tragweite um weitere drei Monate bis Ende November verlängert. Zugleich fordern die Abgeordneten die Bundesregierung auf, bis zum 30. August eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes vorzubereiten: Die Sieben-Tage-Inzidenz soll nicht mehr zentraler Maßstab sein. Ärzte haben sich indessen gegen eine Fokussierung auf die Krankenhausbelegung ausgesprochen.
„Wir befinden uns wieder im exponentiellen Wachstum der Infektionen und auch der schweren Erkrankungen. Immer mehr junge Menschen landen im Krankenhaus, weil sie sich nicht impfen lassen haben oder es bislang nicht ernst genug genommen haben“, sagte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin, Christian Karagiannidis, der „Rheinischen Post“ (Donnerstag). „Das Signal, das vom Streichen des Inzidenzwerts 50 ausgeht, ist kritisch. Natürlich hat sich die Bedeutung verändert, wir sollten den Inzidenzwert aber keinesfalls aufgeben. Ein Dreiklang aus Inzidenzen, Krankenhausfällen und Intensivbettenbelegung ist wichtig.“
Der bisherige Wert von 50 bei der Sieben-Tage-Inzidenz, der noch in § 28a Infektionsschutzgesetz (IfSG) als Schwelle für schärfere Maßnahmen genannt ist, ist aus Sicht der Bundesregierung aufgrund des Impffortschritts nicht mehr aktuell. „Deshalb sollen sich die in § 28a IfSG genannten Schutzmaßnahmen gegen die Coronavirus-Krankheit zukünftig insbesondere auch an der COVID-19- Hospitalisierungsrate ausrichten“, heißt es in einem am Mittwochabend vom Bundestag verabschiedeten Antrag der Regierungsfraktionen. Die Bundesregierung wird darin aufgefordert, hierfür unverzüglich – bis zum 30. August – Formulierungsvorschläge vorzulegen.
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„So wie wir seit Wochen sagen, dass die Inzidenz nicht alleiniger Indikator sein kann, so gilt das jetzt auch für die Hospitalisierung“, sagte der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft Gerald Gaß dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Donnerstag). Notwendig sei, verschiedene Indikatoren nebeneinander qualitativ zu betrachten, um sich ein wirkliches Bild von der Infektions- und Gefahrenlage im Gesundheitswesen zu machen. So müssten neben der Inzidenz und der Hospitalisierung zum Beispiel auch die Impfquote und die Dynamik der jeweiligen Parameter berücksichtigt werden. „Es gibt nicht die Glücksformel, bei der die eine Zahl herauskommt, die die Pandemie umfassend erklärt.“
Scharfe Kritik aus der Opposition
Der Bundestag hat gestern Abend zudem die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ vorerst für weitere drei Monate verlängert. Für den von der Koalition eingebrachten Antrag zur Verlängerung votierten 325 Abgeordnete. Dagegen stimmten 253 Parlamentarier, fünf enthielten sich. Die Sonderlage gilt damit vorerst bis Ende November. Ohne erneute Bestätigung des Parlaments läuft sie nach drei Monaten aus. Auf der festgestellten Lage basieren unter anderem Länder-Verordnungen zu Maßnahmen wie Maskenpflicht oder Kontaktbeschränkungen. Der Bund kann zudem bestimmte Verordnungen wie zur Impfstoffbeschaffung ohne Zustimmung des Bundesrats erlassen.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte: „Die Pandemie ist leider noch nicht vorbei.“ Es gehe darum, dass die Länder und Behörden vor Ort eine Rechtsgrundlage für Maßnahmen wie Maskentragen in Bussen und Bahnen bräuchten, so lange es noch eine so hohe Zahl Ungeimpfter gebe. Ziel bleibe, eine Überlastung des Gesundheitswesens weiter zu vermeiden. Um sicher durch die vierte Corona-Welle zu kommen, brauche es noch eine höhere Impfquote. Spahn rief bisher zögernde Menschen erneut dazu auf, Impfangebote anzunehmen. „Bitte machen Sie mit.“
Der Bundestag hatte die Sonderlage erstmals im März 2020 festgestellt und dies zuletzt am 11. Juni bestätigt. Aus der Opposition kam in der Debatte scharfe Kritik. FDP-Gesundheitsexpertin Christine Aschenberg-Dugnus warnte vor einer „Fortführung der automatischen und undifferenzierten Grundrechtseingriffe“. Von einer Überlastung des Gesundheitswesens sei man dank des Impffortschritts weit entfernt. AfD-Chef Tino Chrupalla sagte, unter den gegebenen Umständen bestehe keine Notwendigkeit, die Grundrechte weiter einzuschränken. Jan Korte von der Linksfraktion wertete den Antrag der Koalitionsfraktionen als „Beweis für das Scheitern der Politik der Bundesregierung“, die auch den zweiten Pandemie-Sommer „vollständig verpennt“ habe. Manuela Rottmann (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, ihre Fraktion habe im Verlauf der Coronakrise der Verlängerung der epidemischen Lage zugestimmt, weil es sonst keine ausreichende Rechtsgrundlage gegeben hätte. Es sei aber höchst problematisch, Sonderrechte zu vergeben. Sie wertete die Krisenpolitik der Regierung als „chaotisch und ineffizient“ und rügte: „Sie enttäuschen das Vertrauen und werden ihrer Verantwortung nicht gerecht.“ Die Regierung habe wieder nichts anderes zustande gebracht, als nur die Feststellung der epidemischen Lage zu verlängern.
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