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E-Rezept-App der Gematik
Was steckt hinter der Open-Source-Strategie?
Gematik: finanzielle Anreize nicht erforderlich
Die Gematik verzichtet darauf, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Zwar sei man „hochinteressiert an Meldungen von Schwachstellen, die Sicherheitsforschende in unseren Anwendungen gefunden haben“, erklärt eine Sprecherin auf Nachfrage. Durch die Veröffentlichung des Sourcecodes werde diese Community auch kontinuierlich in die weitere Verbesserung der Softwarekomponenten integriert. Geplant sei zudem, „noch in diesem Jahr eine Policy für das Coordinated Vulnerability Disclosure zu veröffentlichen“, in der die Regeln für eine Meldung, Bewertung, Behebung und anschließende Veröffentlichung von gefundenen Schwachstellen niedergeschrieben sind. „Eine finanzielle Incentivierung über sogenannte Bug Bounties wird durch dieses Vorgehen nicht erforderlich sein.“
Das heißt: Die Quellcodes sind zwar für jedermann zugänglich, doch dass sie sich wirklich jemand anschaut, sei sehr unwahrscheinlich, so Tschirsich. „Das ist extrem aufwendig, und die Zeit, die man reinsteckt, wird nicht honoriert.“ Für die sogenannte Security Community fehle schlicht der Anreiz, sich damit zu befassen.
Knackpunkt Identifikation
Unabhängig von den technischen Aspekten sieht Tschirsich seit Langem ein weiteres, besonders schwerwiegendes Problem – und das betrifft die „Schlüsselvergabe“ zu den Verordnungsdaten der Versicherten. Hier öffneten die Krankenkassen Angreifern ein Tor, indem sie bei der Ausgabe der NFC-fähigen Gesundheitskarten und der Persönlichen Identifikationsnummern (PIN) auf Verfahren setzten, die nicht geeignet seien, die Identität einer Person sicher festzustellen.
Wie leicht es ist, sich in ein vermeintlich sicheres System einzuschleichen, hat der IT-Fachmann zuletzt demonstriert, als er sich gemeinsam mit Dr. André Zilch Zugang zum DAV-Portal verschaffte. Auch als es Mitgliedern des CCC im Dezember 2019 gelungen war, die Telematikinfrastruktur zu knacken, war Tschirsich beteiligt gewesen. In beiden Fällen nutzten die IT-Spezialisten nicht etwa eine technische Lücke, sondern verschafften sich Zugang, indem sie Schwachstellen bei der „Schlüsselvergabe“ identifizierten. Im Fall des DAV-Portals etwa gaben sie sich als Apotheker aus und gelangten so an einen Zugangscode.
IT-Sicherheitexperten im Interview
„Das Zertifikate-Modul zu sperren, war allein die Entscheidung des DAV“
Ein vergleichbares Problem besteht auch bei der E-Rezept-App, meint Tschirsich. Um diese vollumfänglich nutzen zu können, benötigt jeder Versicherte eine NFC-fähige Gesundheitskarte plus eine PIN von seiner Krankenkasse. Viele Kassen, insbesondere große Versicherer, bieten für die Identifikation bei Beantragung der NFC-fähigen Karte ein sogenanntes Robo-Ident-Verfahren an. „Das ist wie ein Video-Identifikationsverfahren, nur ohne menschliches Zutun“, erläutert Tschirsich gegenüber der AZ. Im Klartext: Ob die Person, die sich als der Versicherte XY ausgibt, auch wirklich XY ist, überprüft lediglich ein Roboter.
Sowohl Video-Ident als auch Robo-Ident seien zwar von der Gematik abgesegnet, laut dem Bundesdatenschutzbeauftragen aber unzulässig, da sie den sehr hohen Schutzbedarf nicht gewährleisten können. Die Kassen setzten sich schlicht über die Vorschriften hinweg – ein Einfallstor für Angreifer.
1 Kommentar
Gematik APP kontra Apotheke vor Ort
von Andreas Neumann am 31.08.2021 um 9:29 Uhr
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