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Die nächste Grippe-Saison steht vor der Tür – und noch immer gibt es nicht einmal in der Hälfte der Bundesländer Modellprojekte zur Grippeschutzimpfung in Apotheken. Schade, dabei waren die bisherigen Impfprojekte in Apotheken ein voller Erfolg. Und warum läuft’s in vielen Bundesländern noch nicht? Was auch noch nicht läuft: die Digitalisierung des Impfzertifikats für die dritte Corona-Impfung. Sollte aber! Denn die dritte Impfung kommt, und die vierte, und die… Und noch was läuft noch lange nicht: honorierte pharmazeutische Dienstleistungen. Sogar auf dem Apothekertag will man nicht darüber diskutieren – einen Antrag dazu hat man mal eben gecancelt.
30. August 2021
Apotheken, die in der vergangenen Grippe-Saison Impfstoffe aus der Nationalen Reserve des Bundes bezogen haben, aber nicht mehr verkaufen konnten, dürfen sich freuen: Sie bleiben auf den Ladenhütern, den Beschaffungs- und Entsorgungskosten nicht sitzen, der Bund entschädigt sie dafür mit der – Achtung! –„Grippeimpfstoffrückerstattungsverordnung“. Mein liebes Tagebuch, ich bin so froh, dass solche Wörter in der deutschen Sprache möglich sind, sonst gäbe es womöglich keine Grippeimpfstoffrückerstattungsverordnungsauszahlungen. Also, der Referentenentwurf dafür liegt vor. Die Höhe des Anspruchs richtet sich „nach der Anzahl der von den Apotheken nicht abgegebenen Impfstoffdosen und dem Apothekeneinkaufspreis je Dosis“ – dieser Betrag kann je nach Impfstoffhersteller variieren. Insgesamt will der Bund 16 Mio. Euro aus dem Bundeshaushalt dafür locker machen. Abgewickelt werden soll die Auszahlung über den Nacht- und Notdienstfonds des Deutschen Apothekerverbands. Die ABDA sieht diese Entschädigung als sachgerechte und pragmatische Lösung und DAV-Chef Dittrich hält dies für ein „richtiges Signal“. Mein liebes Tagebuch, nun, das ist doch mal wirklich eine gute Nachricht. Jetzt müssen wir nur noch darauf warten, dass die Verordnung in Kraft tritt – Zeitpunkt noch ungewiss.
Wir können mittlerweile die Genesenenzertifikate digitalisieren und sie unseren Kunden für ihre Apps zur Verfügung stellen, wir können seit einigen Wochen die Zertifikate für die erste und zweite Corona-Impfung digitalisieren – nur für die dritte Impfung, da hapert’s noch. Ist ja auch noch relativ neu. Die dritte Impfung wird derzeit erstmal bestimmten Risikogruppen angeboten, z. B. Hochbetagten und Pflegeheimbewohnern. Aber es können sich auch alle, die eine vollständige Impfserie mit einem Vektorimpfstoff erhalten haben und diese mehr als ein halbes Jahr her ist, mit einem mRNA-Impfstoff ein drittes Mal impfen lassen – und da könnte es schon bald einige Personen mehr geben, die diese dritte Impfung gerne in ihrer App dokumentieren würden. Laut Auskunft des Deutschen Apothekerverbands ist es derzeit technisch nicht möglich, über das DAV-Portal ein digitales Zertifikat für die dritte Impfung zu generieren. Man prüfe allerdings eine Umsetzung, wie es so schön heißt. Mein liebes Tagebuch, das sollte man schleunigst tun, denn in nicht allzu weiter Ferne wird es weitere Corona-Impfungen für alle geben – und dann wollen wir doch gerne auch das Zertifikat für die dritte Impfung digitalisieren, und für die vierte, und für…
31. August 2021
Da schau an: So klammheimlich sind eben mal zwei brisante Anträge aus dem Antragskatalog zum Deutschen Apothekertag verschwunden, nämlich der Antrag zur Weiterentwicklung der Pharmazeutischen Dienstleistungen und der Antrag für ein Konzept zur Konsolidierung des ABDA-Haushalts. Der Geschäftsführende ABDA-Vorstand selbst hatte den Antrag zu den pharmazeutischen Dienstleistungen eingebracht – und eben wieder gecancelt. Schwerpunkte dieses Antrags waren zum einen der Appell, die honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen schnellstmöglich für die Versicherten erlebbar zu machen, zum andern die Forderung nach zusätzlichem Geld für die Dienstleistungen. Mein liebes Tagebuch, mal ganz theoretisch betrachtet wäre das ein sinnvoller Antrag gewesen, der allerdings einen riesengroßen Haken gehabt hätte, was sogar dem Antragsteller dämmerte: Bisher ist immer noch unbekannt, um welche Dienstleistungen es sich denn eigentlich handelt, die den Versicherten „erlebbar“ gemacht werden sollen. Und für etwas mehr Geld zu fordern, das noch gar nicht bekannt ist – na ja, das hat mittlerweile auch die ABDA gemerkt, dass dies wenig zielführend ist. Nun ja, dieser Antrag musste aus dem Katalog, wobei es natürlich schade ist, dass es bis heute noch keine Vorstellungen der pharmazeutischen Dienstleistungen gibt. Und zum zweiten zurückgezogenen Antrag – er kam von der Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern und soll bereits einige Unruhe ausgelöst haben. Er forderte einen kleineren ABDA-Haushalt und eine Verschlankung der Organisationsstrukturen, also weniger Geld für eine schlankere ABDA. Mein liebes Tagebuch, darüber wird man doch mal diskutieren dürfen. Denn in den vergangenen Jahren ist der ABDA-Haushalt ständig und deutlich gewachsen, warum nicht mal über Möglichkeiten für Einsparungen sprechen. Aber nicht jetzt, so ist zu hören, man wolle erstmal die Arbeitsergebnisse einer Strukturanalyse zur Organisation der ABDA abwarten, die im Herbst vorliegen sollen. Der Antrag zum Apothekertag wäre da zu früh gekommen, man wolle den Ergebnissen nicht vorgreifen. Mein liebes Tagebuch, dann sind wir mal richtig gespannt auf die Strukturanalyse und vor allem die Konsequenzen daraus… und spätestens dann muss auch über Verschlankung diskutiert werden.
1. September 2021
Die überarbeitete Coronavirus-Impfverordnung ist da! Sie regelt u. a. den Anspruch auf Auffrischimpfungen. Und sie schreibt fest, dass Apotheken für die Nachtragung einer Covid-19-Impfung in den gelben Impfpass eine Vergütung von 2 Euro erhalten. Mein liebes Tagebuch, auch wenn das nicht viel ist – es ist wichtig und sinnvoll, dass wir als Vor-Ort-Apotheken in diesem Kontext aufgeführt sind. Die Vor-Ort-Apotheken dürfen und können diesen Service bieten. Allerdings, für die Nachtragung anderer Impfungen in den Impfpass gilt diese Verordnung nicht, eine Vergütung dafür kann zwischen Apotheken und Patienten frei vereinbart werden, darauf hat die ABDA hingewiesen. Übrigens, die überarbeitete Corona-Impfverordnung hat den Kreis derer, die laut Verordnung gegen Corona impfen dürfen, ausgeweitet: der Öffentliche Gesundheitsdienst, Amtsärztinnen und Amtsärzte sowie Krankenhäuser. Die Apotheken sind nicht dabei. Mein liebes Tagebuch: noch nicht.
2. September 2021
Es ist ruhig geworden um Securpharm, dem Arzneimittelfälschungswarnsystem. Das System arbeitet so vor sich hin, von Fälschungen hört und liest man nichts. Nur ab und an schlägt das System Alarm. Tja, in der Regel wohl Fehlalarm. So gibt es mittlerweile von der Bundesapothekerkammer ausgearbeitete Arbeitshilfen, was zu tun ist, wenn eine Arzneimittelpackung bei der Verifizierung in der Apotheke eine Warnmeldung auslöst. Diese Standardanweisung „Securpharm Alarmmeldung“ wurde nun aktualisiert. Und siehe da: Viele dieser Fehlalarme könnten laut dieser BAK-Arbeitshilfe am Scanner oder an falsch eingestellten Scannern liegen. In vielen Fällen könne ein „NGDA-Scannertest“ durchgeführt werden, der das Problem dann lösen könne, wenn nicht, sollte man den Scannerlieferant oder das Softwarehaus kontaktieren. Mein liebes Tagebuch, so ist das nun mal in digitalen Zeiten: Die Ware ist original und ungefälscht, aber das Prüf-Tool spielt verrückt. Apropos Securpharm, seit 5. Februar 2019 ist es offiziell in Betrieb, also rund zweieinhalb Jahre. Und was hat es bisher gebracht? Außer vielen Kosten und viel Ärger? Und wie haben eigentlich andere europäische Länder die EU-Fälschungsschutzrichtlinie umgesetzt, wie sieht dort Securpharm oder entsprechende Tools aus? Laufen die dort schon? Mein liebes Tagebuch, es ist wirklich ruhig geworden…
3. September 2021
Immer wieder mal nett, sich über das Thema Notdienst zu unterhalten, z. B. auch über die Frage, wie weit dürfen denn notdiensthabende Approbierte von der Apotheke entfernt sein, dass sie den Anforderungen der Apothekenbetriebsordnung genügen? Laut ApBetrO genügt es, sich „in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Apothekenbetriebsräumen“ aufzuhalten. Und was heißt „unmittelbare Nachbarschaft“? Kommt wohl auch drauf an, wie es die zuständige Behörde sieht. Eine Entfernung von 600 Metern ist demnach wohl nicht ausreichend. Sinn der Vorschrift ist es, dass die diensthabende Person innerhalb kurzer Zeit in der Apotheke ist. Und was heißt das nun wieder? Dem Kunden im Notdienst eine Wartezeit von zehn bis fünfzehn Minuten zuzumuten, wird in der einschlägigen Literatur akzeptiert, Rechtsprechung dazu gibt es nicht. Mein liebes Tagebuch, ehrlich gesagt, aus Sicht eines Kunden, der im Notfall für sein krankes Kind die Arzneimittel besorgt, sind zehn bis 15 Minuten ziemlich lange. Da gäbe es doch in digitalen Zeiten andere Lösungen, mögen jetzt so manche einwerfen, z. B die Versorgung über einen Videobildschirm und einen Arzneimittelabgabeautomaten der Apotheke. Theoretisch und technisch gesehen ja, aber das lässt die ApBetrO nicht zu. Denn den Videoschalter mit Abgabeautomaten wollen wir nicht wirklich – den könnte nämlich auch ein EU-Versender aus den Niederlanden aufstellen und fernsteuern. Und das haben wir doch erst vor Kurzem erfolgreich verhindert.
Rasant haben sich die Modellprojekte zur Grippeschutzimpfung in Apotheken – bundesweit betrachtet – nun wirklich nicht ausgebreitet. Nordrhein und das Saarland machten im vergangenen Jahr den Anfang, hinzu kamen die Oberpfalz in Bayern, Niedersachsen und eine Modellregion in Schleswig-Holstein (initiiert durch Gehe). Und ab dieser Saison wird auch in einigen Regionen von Baden-Württemberg (Mannheim, Ostwürttemberg und Esslingen/Göppingen) und im Bereich Westfalen-Lippe die Grippeschutzimpfung in Apotheken angeboten werden können. In allen anderen Bundesländern läuft nichts oder noch nicht. Und was man auch wissen muss: Bei diesen Modellprojekten wird die Grippeschutzimpfung nur den Versicherten bestimmter Kassen angeboten, in Baden-Württemberg gilt das Modellprojekt beispielsweise nur für Versicherte der AOK Baden-Württemberg. Schade, mein liebes Tagebuch, dass sich das alles so schleppend dahinzieht. Noch nicht mal in der Hälfte der Bundesländer gibt es Modellprojekte. Warum ist das so? Da kann man nur mutmaßen: Liegt’s am mangelnden Interesse, Engagement und Verhandlungsgeschick der Apothekerverbände? Liegt’s am Desinteresse der Krankenkassen? Liegt’s an einzelnen Personen, die blockieren? Am mangelnden Interesse der Apotheken liegt es jedenfalls nicht, da hat wohl ein Umdenken stattgefunden. Mittlerweile sind Umfragen zufolge mehr als die Hälfte der Apothekerinnen und Apotheker bereit, gegen Grippe zu impfen. Und selbst die ABDA ist inzwischen Feuer und Flamme fürs Impfen: Laut ABDA-Präsidentin Overwiening seien die Apotheken sogar bereit, auch gegen Covid-19 zu impfen – wenn man sie denn ließe. Übrigens, mein liebes Tagebuch, die ersten Auswertungen von der vergangenen Saison zeigen, dass die bisherigen Modellprojekte ein voller Erfolg waren: deutliche Steigerung der Zahl der geimpften Personen und große Zufriedenheit der Geimpften. Also, lassen wir nicht locker, hoffen wir auf mehr Modellprojekte und dann einen raschen Übergang vom Modell zur Regel.
4 Kommentare
Antragsrückzug
von Dr. Diefenbach am 06.09.2021 um 20:18 Uhr
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Schweigen
von Reinhard Rodiger am 05.09.2021 um 17:54 Uhr
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Lobenswert
von Ulrich Ströh am 05.09.2021 um 8:50 Uhr
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AW: Lobenswert
von Christiane Patzelt am 05.09.2021 um 15:45 Uhr
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