- DAZ.online
- News
- Debatte & Meinung
- Mein liebes Tagebuch
30. September 2021
Rechtzeitig bereit fürs E-Rezept? Ob das wirklich funktionieren wird? Eigentlich sollten sich bundesweit ab 1. Oktober so nach und nach die Arztpraxen einklinken können und ihre Praxissoftware für die E-Rezept-Ausstellung fit machen. Fehlanzeige. Viele Arztpraxen haben noch gar nicht die technischen Möglichkeiten dazu. Es bleibt also vorerst dabei: Getestet wird derzeit nur in der Fokusregion Berlin-Brandenburg. Die freiwillige bundesweite Einführung wird zurückgestellt. Mein liebes Tagebuch, so ist das mit solchen Projekten, alles andere hätte auch große Verwunderung ausgelöst. Aber nach wie vor wird an der verpflichtenden Einführung der E-Rezepte festgehalten: Ab 1. Januar 2022 soll’s für GKV-Versicherte keine rosafarbenen Rezeptformulare mehr geben, sondern – ausgedruckte E-Rezepte (und wohl in seltenen Fällen sogar in digitaler Form auf dem Smartphone). Aber, mein liebes Tagebuch, hört man sich ein wenig um und schaut mal genauer hin, dann ist es wohl tatsächlich so, dass viele Arztpraxen gar nicht die technische Möglichkeit haben, E-Rezepte auszustellen – die zertifizierten Updates für die Praxisverwaltungssysteme fehlen noch.
Dass der bundesweite Roll-out des E-Rezepts auf Dezember verschoben und die Testphase in der Fokusregion Berlin-Brandenburg verlängert wird, halten die Softwarehäuser übrigens für eine richtige Entscheidung. Lars Polap, Geschäftsführer des Apothekensoftwarehauses Pharmatechnik und Vorstandsmitglied des Bundesverbands der Apothekensoftwarehäuser (ADAS) hält diese Entscheidung für vernünftig, wie er in einem Videointerview sagt. Man müsse einfach mehr Beteiligten die Gelegenheit geben, an solchen Tests teilzunehmen. Und, mein liebes Tagebuch, was er auch sagte: Er glaube nicht, dass ab Januar der „große Hebel zentral umgelegt werden kann“, und es ab dann nur noch E-Rezepte gebe. Ehrlich gesagt, mein liebes Tagebuch, das haben wir auch noch nie geglaubt. Und selbst der Gematik-Chef machte in einem Statement das deutlich, wovon wir alle realistischerweise ausgehen: Das E-Rezept gibt es nicht ab 1. Januar 2022 wie auf Knopfdruck überall, es wird „nach und nach flächendeckend zur Verfügung stehen“. Genauso wird es sein. Und, mein liebes Tagebuch, das „nach und nach“ kann sich dann bei dem einen oder anderen Arzt schon mal hinziehen…
Die Apothekenzahlen sinken, die Wege zur nächsten Apotheke werden länger. Diese einfache Rechnung und ihre Folgen wirken sich besonders gravierend im Nachtdienst aus. Der ADAC untersuchte in einer bundesweiten Studie, wie weit es die Landbewohner tatsächlich zur nächsten Notdienst-Apotheke haben. Laut ABDA-Angaben nehmen jede Nacht rund 20.000 Menschen den Notdienst der öffentlichen Apotheken in Anspruch. Mein liebes Tagebuch, wie die ADAC-Untersuchung zeigte, kann der Weg zur Notdienst-Apotheke bis zu 40 km weit sein – auf Rügen zum Beispiel – und der Rückweg kommt dann noch dazu. Die durchschnittliche Entfernung liegt allerdings bei nur 14,5 km, was allerdings immer noch relativ weit ist. Wobei sich die Bundesländer durchaus unterscheiden: Während z. B. Baden-Württemberg deutlich unter dem Mittelwert liegt, muss man in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern nachts im Durchschnitt rund 20 km zur nächsten Nachtdienst-Apotheke zurückliegen. Mein liebes Tagebuch, vermutlich werden bei weiter sinkenden Apothekenzahlen noch mehr Menschen weite Strecken zurücklegen müssen, um nachts an dringend benötigte Arzneimittel zu kommen. Welche Konsequenzen wird das langfristig haben?
2 Kommentare
Im Tagebuch
von Dr.Diefenbach am 03.10.2021 um 11:42 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Verkauft
von Comny am 03.10.2021 um 9:17 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.