Nur eine SMC-B-Karte pro Apotheke?

„Wir schaffen uns ein gefährliches Nadelöhr“

Stuttgart - 04.10.2021, 17:50 Uhr

Für den Kölner Apotheker Erik Tenberken zeigt sich am Beispiel der SMC-B-Karten, wie sehr die Apothekerschaft in Fragen der digitalen Zukunftsgestaltung „im Standesdünkel gefangen“ ist. (Foto: Sascha Swiercz)

Für den Kölner Apotheker Erik Tenberken zeigt sich am Beispiel der SMC-B-Karten, wie sehr die Apothekerschaft in Fragen der digitalen Zukunftsgestaltung „im Standesdünkel gefangen“ ist. (Foto: Sascha Swiercz)


Pro Betriebserlaubnis eine SMC-B-Karte – nach dieser Devise handeln wohl die meisten Apothekerkammern bei der Ausgabe der Institutionskarten an ihre Mitglieder. Doch gegenüber der DAZ äußern Apothekeninhaberinnen und -inhaber zunehmend ihr Unverständnis über diese starre Regelung. Einer von ihnen, Erik Tenberken aus Köln, fürchtet in dem Zusammenhang ganz neue Gefahren für die Apotheken. Dabei geht es Tenberken nicht nur um das Ausfallrisiko, sondern auch um Organisationsprobleme, Wettbewerbsnachteile und technische Limitationen, sollten die Kammern weiterhin nur eine SMC-B-Karte pro Mitglied gestatten.

Je näher der Termin für die Einführungspflicht der E-Rezepte rückt (nach aktuellem Stand: 1. Januar 2022), umso häufiger hört man von bisher ungeklärten Fragestellungen. Ein zentrales Problem für die Vor-Ort-Apotheken könnte sich aus der Anzahl der SMC-B-Karten ergeben, die von den Apothekerkammern an die Betriebe ausgegeben werden. Zur Erklärung: Um als Apotheke innerhalb der Telematikinfrastruktur (TI) identifiziert und adressiert werden zu können, benötigt man eine Identifikationsnummer. Diese sogenannten Telematik-IDs sind auf den jeweiligen SMC-B-Karten hinterlegt.

Doch in vielen Fällen könnte es notwendig sein, dass Apotheken über mehrere SMC-B-Karten verfügen müssen, weil in vielen Betrieben schon heute ankommende Verordnungen beispielsweise in verschiedenen E-Mail-Postfächern landen. Mit nur einer SMC-B-Karte halten manche Apothekeninhaberinnen und -inhaber diese Differenzierung für nicht mehr möglich. 

Darüber hinaus könnte es zu einem technischen Defekt kommen, der einen Ausfall der SMC-B-Karte herbeiführt. Eine neue SMC-B-Karte zu beantragen und zu erhalten, dauert bekanntlich mehrere Wochen. In dieser Wartezeit bliebe den betroffenen Betrieben der Zugang zu diesen und allen anderen TI-Anwendungen in dieser Zeit verwehrt. Betroffene Apotheken wären dann nicht in der Lage, ihrem Versorgungsauftrag nachzukommen. 

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Betriebe, die sich neben ihrer Offizintätigkeit auch in der Sterilherstellung, der Heimversorgung oder dem Versandhandel betätigen, könnten also womöglich auf mehrere SMC-B-Karten (mit unterschiedlichen Telematik-IDs) angewiesen sein. Diese Auffassung scheinen immer mehr Apothekeninhaberinnen und -inhaber zu vertreten. Einer von ihnen ist Erik Tenberken aus Köln, der sich neben seiner Birken- und Westgate-Apotheke auch im Bereich der Sterilherstellung, Verblisterung und Heimbelieferung engagiert. Hinzu kommen die Betreuung von bestimmten Patientengruppen – beispielsweise im Rahmen einer Substitutionsbehandlung – und der Betrieb eines Versandhandels. „All diese Organisationsbereiche in meinem Unternehmen können von den beiden SMC-B-Karten nicht abgedeckt werden“, erklärt Tenberken gegenüber der DAZ.

Das Ausfallrisiko sei für ihn ein wichtiger, aber eben auch nur einer von mehreren Aspekten. Denn es gehe auch um die Organisation der E-Rezepte. Bisher laufe das alles über digitale und analoge „Postfächer“, in die Anforderungen und Verordnungen eingehen. Und diese Prozesse seien aktuell noch auf das Muster-16-Papierrezept zugeschnitten. Mit dem E-Rezept würde sich aber etwas grundlegend ändern. „Ich kann mir ja gut vorstellen, dass sich die Verantwortlichen am Schreibtisch denken, dass es auch dann funktioniert, wenn jede Praxis und jede Apotheke mit nur einen SMC-B ausgestattet wird“, so Tenberken: „Aber ich prophezeie das Gegenteil.“

Gematik empfiehlt Mehrfachvergabe

Jeder Apothekenbetrieb, der seinen Kundinnen und Kunden mehr bietet als nur den HV-Bereich, müsse die Möglichkeit haben, auch mehrere Telematik-IDs zu erhalten. Tenberkens Birken-Apotheke sei beispielsweise nicht in allen Fällen der Adressat für Verordnungen und sonstige Anforderungen. Die seit vielen Jahren eingespielten Arbeitsabläufe – sowohl intern als auch mit externen Partnern – müssen sich daher seiner Meinung nach auch in der Sichtbarkeit in der TI ergeben. Es sei naiv und höchst gefährlich, diese Datenströme nur über einen SMC-B-legitimierten Zugang laufen zu lassen. „Wenn das so kommt, dann schaffen wir uns ein gefährliches Nadelöhr“, warnt Tenberken. Er habe aus verlässlicher Quelle erfahren, dass die großen EU-Arzneimittelversender wie DocMorris und Shop Apotheke jeweils rund 30 SMC-B-Karten im Einsatz haben werden. Auch, weil es pro SMC-B-Karte eine „Durchsatzobergrenze“ gibt. Nach Informationen der DAZ liegt diese bei etwa 2.000 non-QES-Signaturen pro Stunde.

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Die Gematik erklärt auf DAZ-Anfrage, dass man zwar nach § 340 Abs. 4 SGB V die Aufgabe habe, die Ausgabe der SMC-B-Karten an die Versender vorzunehmen. Dazu gehöre auch die Option zur Beantragung mehrerer SMC-B-Karten. Doch wie viele Karten je Versender konkret ausgeliefert wurden, beziffert die Gematik nicht. „Fragen nach Zahlen zu Bestellungen bzw. Auslieferungen betreffen vertragliche Details mit unseren Partnern. Dazu können wir Ihnen leider aus Datenschutzgründen keine nähere Auskunft […] geben“, heißt es aus Berlin.

Für sinnvoll hält die Gematik die Verwendung mehrerer SMC-B-Karten aber in jedem Fall. Apotheken, in denen neben dem persönlichen Kundenkontakt auch eine Zyto- bzw. Sterilherstellung, Heimversorgung oder Versandhandel läuft, könnten davon profitieren, zur eindeutigen Adressierung mehrere Telematik-IDs zu nutzen, erklärt eine Sprecherin. Dies sei im Gesetzestext explizit vorgesehen. Der elektronische Verzeichnisdienst umfasst nach §313 Abs. 1 Satz 2 SGB V auch die organisatorischen Einheiten von Leistungserbringern. Vor diesem Hintergrund spricht die Gematik gegenüber der DAZ die explizite Empfehlung aus, dass Kammern ihren Mitgliedern die Möglichkeiten schaffen, mehrere SMC-B-Karten auszugeben. 

Tenberken: Es gibt keine Standard-Apotheken

Die Apothekerkammern sehen das offenbar anders. Auf Anfrage der der DAZ erklärt Klaus Laskowski, Justiziar und stellvertretender Geschäftsführer der Bayerischen Landesapothekerkammer (BLAK), dass er derzeit keine ausreichende Rechtsgrundlage dafür sehe, dass für Teileinheiten der Apotheke (beispielsweise einen Versand-Shop) eigenständige SMC-B-Karten ausgegeben werden können. Für den Bereich der BLAK gibt Laskowski an, dass in einigen wenigen Fällen zweite SMC-B-Karten ausgegeben wurden, und zwar dann, wenn manche Apotheken aufgrund räumlicher Begebenheiten auf eine zweite TI-Ausstattung angewiesen sind, beispielsweise bei ausgelagerten Lagerräumen im Rahmen der Krankenhausversorgung, und dies technisch nicht anders zu lösen war. Außerdem weist er auf die Zweitkarte als Back-up-Lösung hin.

Erik Tenberken kann und will die Haltung der Standesvertretung nicht akzeptieren, vor allem deshalb nicht, weil § 313 Abs. 1 Satz 2 SGB V ja ausdrücklich die „Identifikation und Adressierung von […] organisatorischen Einheiten von Leistungserbringern“ einschließt. Der Bedarf mehrerer SMC-B-Karten ergebe sich daraus, dass Apotheken sich zunehmend differenzierten, um den Menschen Mehrwerte zu bieten. „Es existiert nicht die Standard-Apotheke, die sich die ABDA wünscht“, betont Tenberken. Am Beispiel der SMC-B-Karten zeige sich für ihn derzeit, wie sehr die Apothekerschaft in Fragen der digitalen Zukunftsgestaltung im Standesdünkel gefangen ist.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@daz.online


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4 Kommentare

Ins Gespräch kommen statt Wichtigtuerei

von Kathrin Storch am 04.10.2021 um 19:08 Uhr

Anstatt die Standesvertretung an den Pranger zu stellen (und sich damit selbst furchtbar wichtig zu tun) - sollte der Kollege einfach mit den betreffenden Stellen das Gespräch suchen - dafür braucht es keinen so plakativen Text - eine Konzentration auf die Lösung ist sowas wahrlich nicht - eher eine bewusste Eigenwerbung … schade sowas

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Ins Gespräch kommen statt Wichtigtuerei

von Reinhard Rokitta am 05.10.2021 um 9:16 Uhr

Wozu braucht der Kollege Eigenwerbung? Die Arroganz und Besserwisserei der Berufsvertretung, für die das Fax anscheinend immer noch das Nonplusultra ist, hat uns beim Einstieg in die Digitalisierung nur behindert. DVD und Bücher im Abo als notwendige Unterlagen für die ApoBetrO spricht auch Bände!

AW: Ins Gespräch kommen

von Heinrich Meyer am 05.10.2021 um 9:58 Uhr

Wenn man das Gespräch mit der Kammer sucht, bekommt man einen ablehnendes Schreiben der Justiziarin aufgrund der fehlerhaften Interpretation der Vergabekriterien durch eben diese. Die Stellungnahme der Gematik weist hier schließlich auch auf die zutreffende Beurteilung hin. Wenn diese befolgt werden würde, könnten wir vielleicht auch den organisatorischen Nachteil gegenüber den EU-Versendern ausgleichen. Das scheint bei Kammer und DAV aber niemanden zu interessieren.
P.S. Dabei ist es übrigens nicht einmal so, dass alle in Deutschland zuständigen Aufsichtsbehörden in dieser Frage einheitlich verfahren würden.

SMC B-Karten

von Sabine Schneider am 04.10.2021 um 18:30 Uhr

Alles kein Problem für Frau O.

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