Verstoß gegen HWG-Zuwendungsverbot

Gericht verbietet DocMorris-Treueprogramm

Berlin - 22.10.2021, 16:45 Uhr

DocMorris beschäftigt die deutschen Gerichte weiterhin. (x / IMAGO / U. J. Alexander)

DocMorris beschäftigt die deutschen Gerichte weiterhin. (x / IMAGO / U. J. Alexander)


Seit rund zehn Monaten gilt für Versender aus dem EU-Ausland, die gesetzlich Krankenversicherte in Deutschland mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln versorgen, wieder eine Preisbindung. Tatsächlich halten sich die großen Player derzeit an die neuen Vorgaben. Anfänglich versuchte sich DocMorris allerdings noch mit einem neuen „Treueprogramm“, das die Apothekerkammer Nordrhein auf den Plan rief. Sie monierte einen Verstoß gegen das heilmittelwerberechtliche Zuwendungsverbot. Zu Recht, wie jetzt das Landgericht Stuttgart befand.

Bei DocMorris hat man nie einen Hehl daraus gemacht, dass man das neue im Sozialrecht verankerte Rx-Boni-Verbot für ebenso europarechtswidrig hält wie das alte im Arzneimittelrecht. Dennoch hält sich das Unternehmen derzeit mit Provokationen zurück. Vielmehr sucht die Zur Rose-Tochter, deren Name nun vor allem für eine Gesundheitsplattform stehen soll, die Nähe zu den Vor-Ort-Apotheken hierzulande. Nur mit ihnen als Partner lässt sich eine taggleiche Express-Lieferung über die Plattform realisieren.

Anfang Januar dieses Jahres wurde die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) allerdings noch auf eine Werbung des Versenders aufmerksam. DocMorris hatte an seine Kunden ein Schreiben verschickt, in dem der Arzneimittelversender für ein Treueprogramm warb. Mit jeder per Post zugesandten Bestellung rezeptfreier und rezeptpflichtiger Arzneimittel könne man am Treueprogramm teilnehmen, hieß es darin. Funktionieren sollte das so: „Am Anfang jedes Monats buchen wir auf Basis ihrer postalischen Bestellung ein Guthaben auf ihr Treuekonto auf. Bestellen Sie danach rezeptfreie Produkte, verrechnen wir Ihr Guthaben mit dem Kaufpreis. Kann keine Verrechnung erfolgen, wird ihr Guthaben auf dem Treuekonto gesammelt. Eine Auszahlung erfolgt, sobald Ihr Guthaben 20 Euro übersteigt, oder spätestens zum Quartalsende, erstmalig zum 31.3.2021 …“.

Die AKNR hält das Treueprogramm für wettbewerbswidrig. Sie monierte allerdings keinen Verstoß gegen die Preisbindung, sondern gegen das heilmittelwerberechtliche Zuwendungsverbot (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 HWG). Die ausgelobten Treuevorteile seien keine noch zulässigen geringwertigen Kleinigkeiten. Dass das Heilmittelwerbegesetz hier anwendbar ist und auch nicht gegen Europarecht verstößt, sieht die AKNR durch das im Sommer ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu einer DocMorris-Gewinnspielwerbung bestätigt. Demnach ist das Verbot von Werbegaben durch das Heilmittelwerbegesetz eine Verkaufsmodalität, die alle Marktteilnehmer im In- und Ausland gleichermaßen treffe und damit nicht gegen die Warenverkehrsfreiheit verstoße. Darüber hinaus rügte die Kammer einen Verstoß gegen das Telemediengesetz. Dieses schreibt vor, dass die Bedingungen für die Inanspruchnahme von Angeboten zur Verkaufsförderung klar und eindeutig angegeben werden müssen. Doch in der beanstandeten Werbung werde nicht erklärt, in welcher Höhe ein Guthaben erworben werden könne und von welchen Faktoren dies abhängig sei.

Keine geringwertige Kleinigkeit

Das Landgericht Stuttgart gab der Klage der AKNR nun statt. Da sich die AKNR nicht auf einen Verstoß auf die neuen preisrechtlichen Regelungen berief, musste sich das Gericht mit diesen auch nicht auseinandersetzen. Aber das Treueprogramm stellt auch aus seiner Sicht eine nicht erlaubte Zuwendung im Sinne des § 7 HWG dar. Zwar werde kein Preisnachlass auf verschreibungspflichtige Arzneimittel gewährt, aber dem Verbraucher werde ein Startguthaben von 2,50 Euro und nachfolgende, nicht näher konkretisierte „Guthaben“ für jede Bestellung per Post gewährt, die später bei einer OTC-Bestellung verrechnet werden könnten. Es handele sich hier auch um eine produktbezogene und nicht um eine reine Image-Werbung, sodass der Anwendungsbereich von § 7 HWG eröffnet sei. Die Zuwendung sei auch nicht ausnahmsweise zulässig; insbesondere handele es sich nicht um eine geringwertige Kleinigkeit, die eine unsachliche Beeinflussung als ausgeschlossen erscheinen lasse – immerhin ist ein Ansparpotenzial von 20 Euro möglich.

Auch den Verstoß gegen das Telemediengesetz bejaht das Gericht. Nach § 6 Abs. Nr. 3 TMG müssen Anbieter, die Telemedien nutzen, beachten, dass ihre Angebote zur Verkaufsförderung (etwa Preisnachlässe, Zugaben, Geschenke) klar als solche erkennbar und die Bedingungen für ihre Inanspruchnahme leicht zugänglich sowie klar und unzweideutig angegeben sind. Das Gericht sieht in den ausgelobten Treuerabatten eine solche Verkaufsförderungsmaßnahme.

Aufgrund der Attraktivität solcher Maßnahmen verbunden mit der Missbrauchsgefahr seien dem Verbraucher schon zum Zeitpunkt der Werbung die Informationen zu geben, für die bei ihm ein aktuelles Aufklärungsbedürfnis bestehe, heißt es im Urteil. Hier fehlen den Richtern einige relevante Angaben – etwa zur Höhe des Guthabens bei weiteren postalischen Bestellungen und dazu, was mit den „angesparten“ Gutschriften am Ende eines Quartals geschieht.

DocMorris kann gegen das Urteil Berufung einlegen.

Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21. Oktober 2021, Az.: 34 O 14/21 KfH



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Steter Tropfen …

von K.Storch am 23.10.2021 um 8:22 Uhr

Danke für‘s immer und immer wieder Weiterkämpfen gegen solch unrechtmäßiger Geschäftspraktiken…
Und nun dies bitte dem GKV - Spitzenverband anzeigen …
Denn: die Internetseiten sind zwar „sauber“, aber die Stammkunden werden halt direkt angeschrieben… und dann fällt es nicht auf und die beschweren sich ja auch nicht über angebotene Boni

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