Unzulässige Patientenzuführung

Landgericht weist Shop Apotheke + Zava in die Schranken

Berlin - 26.10.2021, 15:15 Uhr

Diese Werbung sieht man jetzt nicht mehr bei Shop Apotheke. Nach einem Urteil des Landgerichts Köln war sie ohnehin unlauter. (x / Screenshot: shop-aptheke.com)

Diese Werbung sieht man jetzt nicht mehr bei Shop Apotheke. Nach einem Urteil des Landgerichts Köln war sie ohnehin unlauter. (x / Screenshot: shop-aptheke.com)


Im Frühjahr 2020 taten sich die niederländische Shop Apotheke und  die britische Online-Praxis Zava zusammen. Es folgte eine Werbeoffensive: Shop Apotheke leitete auf ihrer Webseite direkt zu Zava weiter, wo die Kunden des Versenders „Rezepte einfach online erhalten“ – nachdem sie einen kurzen medizinischen Fragebogen ausgefüllt haben. Dies und einige weitere Details des Angebots riefen die Apothekerkammern Nordrhein und Westfalen-Lippe auf den Plan: Gemeinsam zogen sie gegen Shop Apotheke vor Gericht und machten wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend. Das Landgericht Köln gab ihnen nun weitgehend recht.

Im Jahr 2020, dem ersten Jahr der Corona-Pandemie, sahen sich Online-Arztpraxen beflügelt. Sich ohne Infektionsrisiko zu Hause online behandeln lassen und Rezepte am besten direkt an eine Apotheke weiterleiten, die das Arzneimittel dann bringt oder versendet – für einige Menschen eine praktische Vorstellung. Während in Deutschland zumindest gewisse Standards bei der Fernbehandlung einzuhalten sind, ist man in anderen Ländern nicht allzu streng. So stellt etwa die im Vereinigten Königreich ansässige Online-Praxis Zava (früher als DrEd bekannt) auch nach bloßer Fragebogen-Anamnese Rezepte aus. Dieses niedrigschwellige Angebot gefiel nicht nur Noventi. Auch die niederländische Shop Apotheke fand es offenbar passend und tat sich im Frühjahr 2020 mit Zava zusammen.

Es folgte eine Werbeoffensive für die Kooperation: „Rezepte einfach online erhalten“, warb der Arzneimittelversender auf seiner Website für den Arzt-Service. Darunter fanden sich mit einem „+“ verbunden die Logos der beiden Unternehmen. Kunden mit Shop-Apotheke-Passwort konnten dieses auch nutzen, um sich direkt bei Zava anzumelden. Mit einem Klick wurde man zum Kooperationspartner weitergeleitet, bei dem man sich in rund 30 Indikationen „behandeln“ lassen konnte – dazu musste nur ein Fragebogen ausgefüllt werden. 

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Dies sorgte für einigen Aufruhr in der Apothekerschaft. Die Kammern Nordrhein und Westfalen-Lippe sahen in der Zusammenarbeit gleich mehrere wettbewerbsrechtlich relevante Rechtsverstöße und mahnten die Shop Apotheke Anfang Dezember 2020 ab. Auch im Ausland ansässige (Versand-)Apotheken dürften keine Kooperationen mit Ärzten eingehen, betonten die Kammern. Zudem handele es sich um eine unzulässige Werbung für Fernbehandlungen und verschiedene wichtige Informationen würden „unterschlagen“ – etwa, dass die Kosten für die verschriebenen Arzneimittel vom Patienten selbst zu tragen sind und Zava ihren Sitz in Großbritannien hat.

Da der Versender keine Unterlassungserklärung abgeben wollte, landete der Fall vor dem Landgericht Köln. Dieses gab nun in der vergangenen Woche der Klage der beiden Kammern in den wesentlichen Punkten statt.

Gericht vermisst gleichwertige Empfehlung für den stationären Arztbesuch

Interessant sind vor allem die Ausführungen des Gerichts zum Verstoß gegen das apothekenrechtliche Verbot der Zuführung von Patienten (§ 11 ApoG). Eine solche Zuführung liege vor, wenn Apotheker das Aufsuchen eines bestimmten Arztes unmittelbar bewerben. Untersagt seien aber auch Verhaltensweisen, „die mittelbar das Vertrauen der Verbraucher in die Unabhängigkeit der Tätigkeit der Apotheker durch das Gebaren des Apothekers stören“. Und das sei etwa der Fall, wenn eine Online-Apotheke eine Kooperation mit einer Behandlungsplattform eingeht und diese Behandlungsplattform auf ihrer Internetseite werbend herausstellt, ohne gleichwertig auf die Möglichkeit der Konsultation eines stationären Arztes hinzuweisen. Und das hat Zava nicht getan.

Fachliche Standards: Fehlanzeige

Auch ein Verstoß gegen das Fernbehandlungswerbeverbot (§ 9 Satz 1 HWG) bejaht das Gericht. Zwar gilt dieses Verbot nicht, wenn es um Fernbehandlungen geht, bei denen „nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist“ – doch diesen Ausnahmetatbestand (§ 9 Satz 2 HWG) sieht das Gericht hier gerade nicht gegeben. Die Shop Apotheke, so meinen die Richter, hätte nichts dazu vorgetragen, dass die Indikationen, die bei Zava behandelt werden können, grundsätzlich für eine Fernbehandlung geeignet seien. „Dies erscheint auch wenig nachvollziehbar“, heißt es im Urteil. „Denn im Grundsatz gehört zu jeder Behandlung nach allgemeinen fachlichen Standards eine Basisuntersuchung, zu der in der Regel Funktionsprüfungen und Besichtigungen des Körpers sowie ggf. der Erhebung weiterer Laborwerte gehören“ – all dies sei bei Zava nicht möglich. Dabei komme es auch nicht darauf an, ob dies in England oder Irland anders gesehen werde – es sei nicht ersichtlich, dass der deutsche Gesetzgeber die Rechtslage hier vom Domizilland des Arztes abhängig machen wollte.

Untersagt hat das Gericht der beklagten Shop Apotheke überdies, für den Online-Rezept-Service zu werben, ohne darauf hinzuweisen, dass gesetzlich Versicherte die Kosten für die verschriebenen Arzneimittel in jedem Fall selbst zu tragen haben. Ebenso sei es unzulässig, dass nicht darauf hingewiesen wurde, dass Zava seinen Sitz nicht in Deutschland hat. Beides seien wesentliche Informationen, deren Vorenthaltung irreführend sei (§ 5a UWG).

All diese Verstöße sind aus Sicht des Gerichts auch „spürbar“ im Sinne des Lauterkeitsrechts und begründen damit letztlich einen Unterlassungsanspruch der Apothekerkammern. So werde unter anderem die freie Arztwahl eingeschränkt.

Shop Apotheke wirbt mittlerweile dezenter

Shop Apotheke weist mittlerweile übrigens dezenter auf ihre Kooperation mit Zava hin. Wer auf der Webseite „Online-Arzt“ anklickt, wird zunächst gefragt, ob ein Rezept oder ein Arztgespräch benötigt wird. Dann wird entweder auf eine Online-Arzt-Behandlung (Rezept oder Videosprechstunde bei Zava) oder eine Vor-Ort-Behandlung (jameda) weiter verlinkt. Zum aktuellen Urteil und einer möglichen Berufung will der Versender zum jetzigen Zeitpunkt keinen Kommentar abgeben.

Landgericht Köln, Urteil vom 19. Oktober 2021, Az.: 31 O 20/21 (nicht rechtskräftig)



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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