Hilfsmittelbürokratie bei Apothekenübergaben

Ohne Präqualifizierung gibt es keine Pens und Spacer

Stuttgart - 08.11.2021, 07:00 Uhr

Grotesk ist, dass Fertigarzneimittel mit Pens oder Spacer auch ohne Präqualifizierung abrechenbar sind – die Hilfsmittel einzeln jedoch nicht. (x / Bild: Aldeca Productions / AdobeStock)

Grotesk ist, dass Fertigarzneimittel mit Pens oder Spacer auch ohne Präqualifizierung abrechenbar sind – die Hilfsmittel einzeln jedoch nicht. (x / Bild: Aldeca Productions / AdobeStock)


Unzählige formale Beanstandungen bei Neubeantragung

Die Anforderungen überforderten zwar nicht den Apotheker, dafür aber die zuständigen Stellen. Betriebserlaubnis, Mietvertrag sowie der Nachweis über die Betriebshaftpflichtversicherung waren vorhanden. Das Ausfüllen der Erklärungen und Formularfelder sowie die Fotodokumentation – wenn gefordert – hätten maximal einen Arbeitstag in Anspruch genommen. Doch die Auszüge aus Handels- und Gewerbezentralregister ließen auf sich warten. Eine Wartezeit – zum Teil Corona-bedingt – von mehreren Wochen stand im Raum. Das war offenbar zu lang für die AfP. Sie gewährte der Apotheke eine Frist lediglich bis zum 18. des Monats, und diese konnte nicht eingehalten werden.

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Die Folge: Plötzlich stand die Filialapotheke ohne gültige Präqualifizierung da, doch die Kunden erwarteten weiterhin die Versorgung mit Hilfsmitteln zulasten ihrer jeweiligen Krankenkasse. Für sie gab es von außen betrachtet ohnehin keine nachvollziehbare Veränderung des Betriebs: dasselbe Team in denselben Apothekenräumlichkeiten. Um die Versorgung mit Hilfsmitteln wie Spritzen, Kanülen und Pen-Nadeln dennoch ohne Unterbrechung und ohne Gefahr von Retaxierungen durch die Krankenkassen zu garantieren, entschied der Inhaber, die benötigten Hilfsmittel weiterhin abzugeben und die Abrechnung über eine seiner Filialen vorzunehmen. Nicht „lege artis“, aber seines Erachtens der pragmatische Weg.

Kein Einzelfall

Über eine ähnliche Situation berichtet eine Filialleiterin aus einem anderen Teil der Republik. Sie erlebte den Bürokratie-Wahnsinn im Hilfsmittelbereich auf fast identische Weise. Als ihr Filialverbund einem neuen Inhaber übergeben wurde, kam es bei der Neubeantragung der Präqualifizierung zu unzähligen formalen Beanstandungen durch die AfP. Die Frist verstrich, die alte Präqualifizierung verlor von einem auf den anderen Tag ihre Gültigkeit und die Filialapotheke durfte über Wochen hinweg keine Hilfsmittel mehr zulasten der GKV abgeben. Und wieder ging es um lebensnotwendige Pens und Nadeln zur Applikation von Arzneimitteln, denn die Apotheke befindet sich in unmittelbarer Nähe zu einer diabetologischen Schwerpunkt-Praxis. Auch in diesem Fall fand der Filialverbund Mittel und Wege, die Versorgung mit Hilfsmitteln aufrechterhalten zu können. Wie genau, darüber möchte die Filialleiterin nicht öffentlich sprechen.

Gerade am Beispiel von Insulin-Pens zeigt sich der Apothekerin zufolge der gesamte Bürokratie-Irrsinn: Befindet sich das Insulin in einem Fertigpen, gilt es als Fertigarzneimittel und kann auch ohne Präqualifizierung abgegeben bzw. abgerechnet werden. Kommen jedoch wiederverwendbare Pens für Insulinpatronen zum Einsatz, dann dürfen Apotheken den separaten Pen nicht ohne Präqualifizierung mit den Krankenkassen abrechnen. Eine ähnliche Situation herrscht bei den Inhalativa. Wenn der Spacer direkt am Asthmaspray fest angebracht ist, dürfen die Apotheken auch ohne Präqualifizierung beraten, abgeben und abrechnen. Wird der Spacer jedoch separat verordnet, muss die Apotheke für die Abgabe und Abrechnung zulasten der GKV präqualifiziert sein.

DAT-Antrag zur Präqualifizierung

Dass die Präqualifizierung für Apothekeninhaberinnen und -inhaber auch abseits von Betriebsübergaben seit jeher ein Ärgernis ist, daran besteht kein Zweifel. Beim Deutschen Apothekertag 2019 wurde ein Antrag angenommen, dessen Kernforderung ist, dass mit Erteilung einer Apothekenbetriebserlaubnis automatisch einige bestimmte Hilfsmittel durch die Apotheken abgegeben werden dürfen. Eine Präqualifizierung würde dann nur noch für speziellere Versorgungsbereiche notwendig werden. Doch eine Reaktion auf diese Forderung seitens ABDA oder Gesetzgeber ist bisher nicht erfolgt. 

Ende Oktober 2021 startete ein Apotheker aus Hagen dann eine bemerkenswerte Aktion, jedoch auch mit unklarem Ausgang: In einem Brief an das Bundesministerium für Inneres, das hierzulande auch für die Entbürokratisierung zuständig ist, fordert er, Apotheken mit gültiger Betriebserlaubnis automatisch als präqualifiziert anzuerkennen. Zudem regt er eine „Beweisumkehr“ für Krankenkassen zum nachträglichen Ausschluss von Leistungserbringern von der Belieferung an.

Solche Regelungen, die beim DAT oder im Brief des Hagener Apothekers formuliert wurden, könnten tatsächlich für mehr Versorgungssicherheit und Patientenwohl sorgen – und nicht zuletzt für weniger Frust und Ärger bei den Leistungserbringern.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Präqualifizierung

von Monika Prinz am 08.11.2021 um 18:40 Uhr

Es wird zeit, dass auch Apotheker/innen die "Klappe aufmachen" und sich nicht widerspruchslos alles an Bürokratie aufhalsen lassen. Präqualifizierung war immer schon bei Apothekern überflüssig.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Präqualifizierung

von Michael Reich am 14.11.2021 um 18:12 Uhr

Wir sind noch mehr ganz dicht im Kopf. Für die Reprequali zig Fotos eingereicht, Formulare ausgefüllt, Lagerorte im Grundriss eingezeichnet, der Auszug aus dem Gewerbezentralregister fehlt noch, wo bekomme ich den her? reine Seite von unreiner getrennt usw und jetzt für Astronautenkost wieder Fotos und Antrag und einzeichnen in den Grundriss wo die Ware liegt. Schon jetzt weiß ich , dass wieder was falsch sein wird. Foto zu nah dran oder unscharf, Plan nicht exakt genug, Packung steht falsch, oder, oder, oder. Das gibt es für 60 Euro. Prima, dass mal darüber nachgedacht wird, etwas zu vereinfachen. Das möchte ich aber noch erleben. Die Zeit tickt. Bin fast 66.

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