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Hybride oder Super-Immunität
Ist eine natürliche COVID-19-Immunität besser als die Impfung?
Was heterologes Impfen bedeutet, gehört in Deutschland mittlerweile zum Allgemeinwissen. Was man unter hybrider oder einer sogenannten Super-Immunität versteht, ist nicht ganz so verbreitet, aber wichtig. Denn früher oder später – ob geimpft oder nicht – wird sich wohl jeder mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizieren. Dann geht es aber nicht darum, ob eine natürliche Immunität besser schützt als eine durch Impfung erworbene. Vielmehr braucht man beides. Man sollte sich also auch nach überstandener COVID-19-Infektion impfen und boostern lassen.
In der Folge 105 des NDR-Podcasts Coronavirus-Update vom 7. Dezember ging es kurz auch um die Frage, ob eine überstandene natürliche COVID-19-Infektion nicht besser vor SARS-CoV-2 schützt als eine Impfung? „Wer sich infiziert, hat ja mit dem ganzen Virus Kontakt gehabt, während das Immunsystem Geimpfter sich ja, zumindest bei denen hier bei uns zugelassenen Impfstoffen, nur mit dem Spike-Protein auseinandersetzen muss“, erklärte die Wissenschaftsredakteurin Korinna Hennig von NDR Info die Theorie hinter ihrer Frage. Der Virologe Christian Drosten bestätigte, dass es nicht falsch sei zu sagen, „wer das echte Virus gehabt hat, der hatte Kontakt mit allen Proteinen dieses echten Virus“. Gerade sehr viele T-Zell-Epitope lägen nicht nur im Spike, sondern überall im Virus, „gerade in den Strukturproteinen“. Das seien einige, die im Impfstoff nicht enthalten seien. Allerdings erläuterte Drosten dann auch die Vorteile einer Impfung gegenüber einer natürlichen Immunität nach Genesung.
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Die Impfung sei viel konstanter und unterliegt in der Antigen-Menge keinen natürlichen Schwankungen. „Also stellen Sie sich vor, wir würden nicht jedem Geimpften die gleiche Menge Impfstoff verabreichen, sondern würden ab und zu nur so eine kleine Restspritze geben und ab und zu mal nur ein Zehntel der Impfstoffdosis. Je nachdem, wie der Arzt gerade Lust hat. Dann hätten wir auch eine Schwäche in der Immunität, die dazukäme“, erklärte Drosten den grundsätzlichen Vorteil einer durch Impfung erworbenen Immunität gegenüber einer natürlichen.
Doch inwieweit ist der Unterschied einer durch Impfung und einer durch Infektion erworbenen Immunität wissenschaftlich untersucht?
Genesene haben größere Vielfalt Spike-spezifischer Antikörper
Vergangenen Donnerstag widmete sich auch das PEI (Paul-Ehrlich-Institut) dieser Frage, genauer: den Unterschieden zwischen den Antikörpern bei gegen COVID-19 Geimpften und denen bei Genesenen. Im Fazit einer Mitteilung des PEI heißt es: „Im Ergebnis weist die Untersuchung auf eine größere Vielfalt Spike-spezifischer Antikörper in Rekonvaleszenten im Vergleich zu Comirnaty-Geimpften hin. Ob dies jedoch einen klinisch relevanten Einfluss auf die Breite der Spike-spezifischen Immunantwort hat, lässt sich auf Basis der derzeit verfügbaren Daten noch nicht beantworten“. Verglichen worden waren Antikörper im Blutserum von mit Comirnaty (BioNTech/Pfizer) Geimpften mit Antikörpern im Serum von COVID-19-Rekonvaleszenten. Die detaillierten Ergebnisse kann man im Journal „Vaccines“ online einsehen.
Niedrigere Affinität der Impf-Antikörper bei Mutationen?
Schon im November hatte das PEI Daten veröffentlicht, die auf Ähnliches hindeuten: Damals hatte ein Forschungsteam des PEI die gebildeten Antikörper nach Impfung mit Comirnaty mit denen nach CVnCoV von CureVac und nach COVID-19-Infektion verglichen. CVnCoV wurde bekanntermaßen aus dem Zulassungsprozess zurückgezogen. Deshalb dürfte es nicht überraschen, dass in der Untersuchung die meisten Blutseren nach Impfung mit Comirnaty sowie von Personen im Genesungsprozess im Vergleich zu denen von mit CVnCoV geimpften Personen einen höheren Titer an Spike-Rezeptorbindungsdomäne (RBD)-spezifischen Antikörpern und neutralisierenden Antikörpern aufwiesen. Angesichts neuer Varianten wie Omikron ist aber ein weiteres Ergebnis interessant: Es wurde auch die Bedeutung einiger wichtiger Virusmutationen (K417N, E484K, N501Y) untersucht. „Hier zeigte sich ein deutlicher Unterschied zwischen Rekonvaleszentenseren und Seren, die durch den Impfstoff ausgelöst wurden: Insbesondere bei der N501Y-Mutation, die sich in den Virusvarianten Alpha, Beta und Gamma findet, fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine deutliche Abnahme der Bindung der Antikörper in den Blutseren der beiden Impfstoffe“, erklärte das PEI in der Mitteilung. Zwar wurde auch deutlich gemacht, dass die Wirksamkeit eines RNA-Impfstoffs von mehr Parametern als den serologischen abhänge, dennoch „könnten der niedrigere Antikörpertiter nach Impfung mit CVnCoV, die geringere neutralisierende Aktivität sowie die niedrige Affinität zu einer geringeren Wirksamkeit des Impfstoffs CVnCoV beitragen“, hieß es.
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Auch Drosten erklärte im Podcast, dass zum Beispiel die SIREN-Studie in England zeige, dass man sagen könne, „eigentlich schützen überstandene Infektionen zu 80 Prozent gegen eine Reinfektion“. Andere Studien würden das auch bestätigen, dennoch müssten dabei zwei große Fragezeichen beachtet werden: Erstens habe auch eine Infektionsimmunität „eine begrenzte Lebensdauer“. Zweitens gebe es populationsbasierte Studien, zum Beispiel aus Dänemark, die zwar auch „so ungefähr 80 Prozent Schutz durch eine überstandene Erstinfektion“ zeigen. Solche Daten basierten aber mit einer Betonung auf symptomatischen Fällen. Dort sei deshalb von einem relativ hohen Antigenstimulus auszugehen, sodass die Schutzwirkung der Vorinfektion „ein bisschen überschätzt“ sein könnte.
Deutschland ist noch nicht bereit für eine „Nachpandemievirus“
Dazu, was all das mit Blick in die Zukunft auf die sich neu ausbreitende Omikron-Variante bedeutet, sagte Drosten, dass es an dieser Stelle noch nicht mal Anfangsgerüchte im Kollegenkreis gebe, um zwischen dem Schutz gegen Omikron durch eine überstandene Infektion und dem Schutz gegen Omikron durch eine Impfung zu unterscheiden. Er gab zu bedenken: „Wir haben es hier im Prinzip mit einem perfekten Nachpandemievirus zu tun, also ein perfektes erstes endemisches Virus. Da, wo das Virus auch selektiert wurde und entstanden ist, in den südlichen afrikanischen Ländern. Aber wir sind eigentlich noch nicht bereit für eine Nachdurchseuchung in diesem Sinne. Wir sind noch nicht so weit mit unserer Impfimmunität.“ Wie immer wieder betont wurde, sei die erste Priorität das Schließen der Impflücken und die zweite Priorität das Boostern, wenn man eine endemische Phase erreichen wolle.
„COVID-Superimmunität“: Auch Genesene brauchen Immunitätsbooster
Angesichts solcher Schilderungen liegt die Vermutung nahe, dass der beste Schutz gegen COVID-19 eine vollständige Grundimmunisierung plus Impf-Booster kombiniert mit einer mild verlaufenden COVID-19-Infektion wäre. Am vergangenen Montag hat sich ein Artikel auf dem News-Portal von „Nature“ genau dieser Kombination – die dort als „COVID-Superimmunität“ bezeichnet wird – gewidmet. Der aktuelle Anlass: Neue Daten aus Israel (erhoben vor Omrikron) würden zeigen, dass auch dieser „Super“-Schutz mit der Zeit abnimmt. Dennoch gibt es Anzeichen, dass eine solche Superimmunität vor Omikron derzeit am besten schützen könnte. Etwas weniger spektakulär wird auch von einer „hybriden Immunität“ gesprochen. Auch wenn diese hybride Immunität mit der Zeit schwächer zu werden scheint, so schnitten in der neuen vorab veröffentlichten Studie, die auch einige Mängel hat, diejenigen mit hybrider Immunität am besten ab: Personen, die sechs bis acht Monate vor dem Untersuchungszeitraum die zweite von zwei Impfungen erhielten, hatten eine etwa siebenmal höhere Infektionsrate, als diejenigen, die infiziert waren und anschließend nur eine Impfung erhielten. Das klingt im ersten Moment nicht unbedingt nach einem Argument für die Impfung. Allerdings erklärte die WHO (Weltgesundheitsorganisation) bereits am 3. Dezember zu Omikron: „Omikron wurde als besorgniserregend eingestuft, da es eine große Anzahl von Mutationen aufweist, von denen einige mit einer möglicherweise erhöhten Übertragbarkeit und einer möglichen Immunevasion in Verbindung gebracht werden – damit meinen wir, dass die Möglichkeit besteht, sich selbst dann mit der Variante zu infizieren, wenn man eine gewisse natürliche Immunität infolge einer vorherigen COVID-19-Infektion oder aufgrund einer COVID-19-Impfung entwickelt hat.“ Die natürliche Immunität allein kommt also wohl nicht gegen die Corona-Pandemie an.
In diesem Sinne wird auch Amit Huppert, einer der Autoren der Studie aus Israel zitiert: „Vor zwei Wochen hätte ich vielleicht gesagt: 'Kümmert euch nicht um die genesene Bevölkerung in ihrem ersten Jahr der Genesung und konzentriert eure Bemühungen auf die Impfung anderer Bevölkerungsgruppen'“, doch die jüngsten Daten, die zeigen, dass Reinfektionen und Durchbrüche bei der Omikron-Variante wahrscheinlicher sind, legten nahe, dass eine hybride oder Booster-Immunität der Schlüssel zur Verhinderung schwerer Infektionen sein werde. Die wichtigste Botschaft laute deshalb: „Lasst euch impfen.“
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Vor diesem Hintergrund lassen sich auch die Empfehlungen der Entscheidungsträger in Deutschland besser nachvollziehen: Am 12. Dezember schrieb Bundesgesundheitsminister Lauterbach (SPD) auf Twitter: „Die Strategie muss sein, durch Booster Impfung Delta Welle zu beenden und die Omicron Welle abzuwenden.“ Und auch die STIKO empfiehlt, dass Personen, die eine SARS-CoV-2-Infektion durchgemacht und danach eine Impfstoffdosis erhalten haben, sechs Monate nach der vorangegangenen Impfung eine Auffrischimpfung erhalten sollen. Personen, die nach COVID-19-Impfung (unabhängig von der Anzahl der Impfstoffdosen) eine SARS-CoV-2-Infektion durchgemacht haben, sollen im Abstand von sechs Monaten nach Infektion ebenfalls eine Auffrischimpfung erhalten.
Tabellarische Übersicht der STIKO zur Impfung nach durchgemachter SARS-CoV-2- Infektion bei Immungesunden
SARS-CoV-2-Infektions- bzw. COVID-19-Impfanamnese | Weiteres Vorgehen | ||
---|---|---|---|
1. Ereignis | 2. Ereignis | Grundimmunisierung | Auffrischimpfung (≥18-Jahre) |
SARS-CoV-2-Infektion | - | Bei PCR-Nachweis 1 Impfstoffdosis in der Regel 6 Monate nach Infektion; Bei serologischem Nachweis 1 Impfstoffdosis im Abstand von 4 Wochen zur Labordiagnose | Comirnaty (≥18-Jährige) oder Spikevax (50µg) (≥30-Jährige) im Abstand von in der Regel 6 Monaten zur vorangegangenen Impfstoffdosis oder zur vorangegangenen Infektion (je nachdem, welches Ereignis zuletzt aufgetreten ist) |
SARS-CoV-2-Infektion | 1 Impfstoffdosis ≥4 Wochen (serologische Diagnose) bzw. >6 Monate (PCR-basierte Diagnose) nach Infektion | Keine weitere Impfstoffdosis zur Grundimmunisierung notwendig | |
SARS-CoV-2-Infektion | 2 Impfstoffdosen nach einem von der STIKO empfohlenem Impfschema | ||
1 Impfstoffdosis | SARS-CoV-2-Infektion < 4 Wochen nach Impfung | Bei PCR-Nachweis 1 Impfstoffdosis in der Regel 6 Monate nach Infektion; Bei serologischem Nachweis 1 Impfstoffdosis im Abstand von 4 Wochen zur Labordiagnose | |
1 Impfstoffdosis | SARS-CoV-2-Infektion ≥4 Wochen nach Impfung | Keine weitere Impfstoffdosis zur Grundimmunisierung notwendig | |
2 Impfstoffdosen | SARS-CoV-2-Infektion | ||
Quelle: Epidemiologisches Bulletin 48 / 2021 |
1 Kommentar
Wieviele infizierte sind schwer erkrankt?
von Günther am 30.12.2021 um 9:41 Uhr
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