Interview Teil 2

Hih-Chef Debatin: Ein Testlauf mit 42 E-Rezepten ist zu wenig

Berlin - 20.12.2021, 07:00 Uhr

Jörg Debatin ist überzeugt: Apotheken können die Bindung ihrer Patienten zu ihnen durch digitale Instrumente stärken. (s / Foto: Jan Pauls Fotografie / hih)

Jörg Debatin ist überzeugt: Apotheken können die Bindung ihrer Patienten zu ihnen durch digitale Instrumente stärken. (s / Foto: Jan Pauls Fotografie / hih)


Im zweiten Teil des DAZ-Interviews spricht der Vorsitzende des sich zum Jahreswechsel auflösenden Health Innovation Hubs (hih), Jörg Debatin, über die bevorstehende Einführung des E-Rezepts. Er rät, jetzt nichts zu erzwingen, ein sicherer Start könnte im Sommer möglich sein. Dass die digitale Transformation letztlich zum Erfolg führen wird, ist aus seiner Sicht klar – der entscheidende Druck wird von den Patienten ausgehen.

DAZ: In Kürze steht die Einführung des E-Rezepts an. Es droht holprig zu werden, die Gesellschafter der Gematik protestieren bereits und fordern eine Verlängerung der Testphase. Wie beurteilen Sie die Lage: Ist das Gesundheitswesen E-Rezept-ready?

Debatin: Ich habe Medizin studiert und da ist die oberste Prämisse, den Patienten nicht zu gefährden. Für ein Land, in dem Ärzte jährlich 800 Millionen Rezepte ausstellen, sind die 42 Testverordnungen, die bisher den gesamten Prozess durchlaufen haben sollen, vollkommen indiskutabel. Da reicht es auch nicht, wenn man eine oder zwei Nullen dranhängt, da muss man viel breiter antreten. Insofern sollte jetzt nichts erzwungen werden. Dass die KBV ein einjähriges Moratorium fordert, halte ich allerdings auch nicht für richtig. Vielmehr sollten jetzt die nächsten zwei Quartale sinnvoll genutzt werden, damit das E-Rezept dann spätestens im Sommer kommt. Momentan liegt viel an der Industrie, da sollten übrigens auch die Leistungserbringer einen gewissen Druck erzeugen.

Ist das auch das Resultat mangelhafter Kommunikation? Es ist der Gematik ja ganz offenbar nicht gelungen, die Leistungserbringer auf breiter Front mitzunehmen.

Es ist natürlich wichtig, den Nutzen in den Vordergrund zu stellen, wenn man so tiefgreifende Veränderungen plant. Dabei liegt es doch auf der Hand, dass es sinnvoll wäre, mit einem Mausklick eine Übersicht über alle dispensierten Medikamente eines Patienten zu haben, sowohl für den Arzt als auch für den Apotheker. Eigentlich müsste man doch fragen, weshalb es sowas heute noch nicht gibt. Die Gematik durfte aber bis vor drei Jahren gar nicht kommunizieren, das war vonseiten der Gesellschafter nicht erwünscht. So eine Kultur kann man nicht auf Knopfdruck drehen. Wir tendieren ja dazu, aus dem Hier und Heute unsere Urteile zu fällen. Ganz fair ist das aber oft nicht, so auch in diesem Fall. Nein, es reicht nicht, was die Gematik derzeit an Kommunikation betreibt. Aber man muss bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Gematik auch die Vorgeschichte berücksichtigen. Und da liegt die Verantwortung auch bei den Alt-Gesellschaftern.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


1 Kommentar

KBV widersetzt sich BMG

von Thomas B am 20.12.2021 um 14:35 Uhr

Wenn ich mir zu dem Thema den entsprechenden Artikel in der DAZ Beilage durchlese, fällt mir sofort die Frage ein, warum sich nur die KBV dem BMG widersetzt. Wo bleiben die entsprechenden Stellungnahmen des DAV oder der ABDA? Dies ist schliesslich eine APOTHEKER-Zeitung.
Bevor auch nur eine einzige Apotheke ein einziges eRezept zu Lasten der GKV abrechnen kann, muss aus meiner Sicht rechtssicher geklärt sein, dass dieses auch abrechenfähig ist. Stand heute könnten die Krankenkassen die Bezahlung aus Formalitätsgründen einfach ablehnen. Nach unser aller Erfahrungen werden sie das auch konsequent tun, wenn sich ihnen diese Möglichkeit bietet.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.