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Vaginale Atrophie – häufig unterschätzt

Stuttgart - 06.01.2022, 07:00 Uhr

Viele Frauen in oder nach den Wechseljahren leiden an vulvovaginaler Atrophie mit Scheidentrockenheit und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr. Doch nur wenige erhalten eine Behandlung. (s / Foto: kei907 / AdobeStock)

Viele Frauen in oder nach den Wechseljahren leiden an vulvovaginaler Atrophie mit Scheidentrockenheit und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr. Doch nur wenige erhalten eine Behandlung. (s / Foto: kei907 / AdobeStock)


Früher oder später kommt jede Frau in die Wechseljahre und kann damit potenziell unter vulvovaginaler Atrophie leiden – Scheidentrockenheit, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr und einer nicht zu unterschätzenden Einschränkung ihrer Lebensqualität. Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es und wie kann die Apotheke helfen?

Mit Beginn der Wechseljahre fallen die Estrogenspiegel – diese natürliche Tatsache müssen Frauen akzeptieren. Nicht abfinden müssen sie sich jedoch mit den Beschwerden, die mit der nachlassenden und zum Erliegen kommenden Funktion ihrer Eierstöcke (Ovarien) einhergehen. Dennoch tun dies offenbar viele – weil sie kein Wissen um die Ursache und Behandlungsmöglichkeiten ihrer Beschwerden haben oder sich schlicht scheuen, diese beim Frauenarzt oder in der Apotheke anzusprechen.

Vaginale Atrophie: Folge des Estrogenmangels

Durch den Estrogenmangel kommt es mit Beginn der Wechseljahre (Menopause) zu Veränderungen des Urogenitaltrakts: Die Schleimhaut der Zervix (Gebärmutterhals) und das Epithel von Scheide (Vagina) und Vulva werden dünner und dadurch leichter verletzlich, die Falten in der Vagina verstreichen, die Scheidenwand wird glatter, die Durchblutung nimmt ab. Denn: Fehlt Estrogen, fehlt auch ein wichtiger Stimulus für die Bildung von Kollagenfasern, die für die Elastizität des Bindegewebes in der Scheidenwand verantwortlich sind. 

Der Gewebeschwund von Vagina und Vulva wird auch als vulvovaginale Atrophie (VAA) bezeichnet. Zu ihren häufigsten Symptomen gehören Scheidentrockenheit, vaginaler Juckreiz, Ausfluss und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr. Letzteres lässt sich dadurch erklären, dass sich durch die niedrigen Estrogenspiegel die sexuelle Erregbarkeit der Frau reduziert und damit auch die Lubrikation (das Feuchtwerden) der Scheide. Die Folge: Die Gleitfähigkeit der Vagina nimmt ab oder bleibt aus, was – in Kombination mit der dünneren Scheidenwand – die Penetration noch schmerzhafter macht als bei jungen Frauen, die „nur“ eine trockene Scheide haben.

Das urogenitale Menopausensyndrom

Die gesamten durch den Estrogenmangel und die Abnahme anderer Sexualhormone bedingten Anzeichen und Symptome des weiblichen Urogenitaltrakts nennt man „Genitourinary Syndrome of Menopause“ (GSM) oder „urogenitales Menopausensyndrom“. Die Veränderungen betreffen die großen und kleinen Schamlippen, den Scheideneingang, die Klitoris, das Vestibulum, die Vagina, Harnröhre und Blase. Die vulvovaginale Atrophie ist folglich nur ein Teil der estrogenmangelbedingten Symptome. 

Neben genitalen Beschwerden – Trockenheit, Brennen und Reizungen, sexuelle Funktionsstörungen wie mangelnde Lubrikation – können Harndrang, häufiges und nächtliches Wasserlassen, Inkontinenz und wiederkehrende Harnwegsinfektionen auftreten. „Frauen können einige oder alle dieser Anzeichen und Symptome aufweisen, die als störend empfunden werden müssen und nicht durch eine andere Diagnose besser erklärt werden können“, so die Definition weiter. 

GSM wurde als Symptomkomplex erst im Jahr 2014 geprägt, und zwar von der nordamerikanischen Menopause-Gesellschaft („North American Menopause Society“, NAMS) und der „International Society for the Study of Women's Sexual Health“ (ISSWSH). Zuvor waren die Beschwerden unter dem Begriff „vulvovaginale Atrophie“ zusammengefasst. Doch sei „urogenitales Menopausensyndrom“ als Begriff „medizinisch genauer, umfassender und öffentlich akzeptierter“ als „vulvovaginale Atrophie“, begründeten die Fachgesellschaften damals ihren Beschluss. 

In den ersten Jahren nach Ausbleiben der Menstruation sind die Veränderungen an der Vaginalschleimhaut noch nicht sehr ausgeprägt, und nur bei 4 Prozent der Frauen zeigt sich die vaginale Atrophie bereits klinisch. Allerdings nehmen die atrophischen Veränderungen an der Vaginalschleimhaut (und des Urogenitaltrakts) mit den Jahren und dem zunehmenden Estrogenmangel zu, sodass sieben bis zehn Jahre nach der Menopause fast 50 Prozent der Frauen eine atrophische Vagina aufweisen. Später seien es 73 bis 75 Prozent der Frauen, erklärten Wissenschaftler:innen 2018 in ihrem Beitrag im Fachjournal „International Journal of Women‘s Health“. Und fast drei Viertel – nämlich 70 Prozent der Betroffenen – wenden sich den Wissenschaftler:innen zufolge mit ihren Beschwerden nicht an einen Arzt oder eine Ärztin.

Unterschätzt und untertherapiert

Dass vulvovaginale Atrophie unterschätzt und unterbehandelt wird, zeigt auch die „Europäische Vulvovaginale Epidemiologie-Studie“ (EVES): Bei 90 Prozent der mehr als 2.160 postmenopausalen Frauen wurden vulvovaginale Atrophie-Symptome diagnostiziert und die betroffenen Frauen bewerteten ihre Lebensqualität schlechter als Frauen ohne VVA. Laut der „North American Menopause Society“ (NAMS) leiden 27 bis 84 Prozent der postmenopausalen Frauen an einem urogenitalen Menopausensyndrom. Und eine US-Umfrage unter 1.859 menopausalen Frauen ergab, dass nur 50 Prozent der Betroffenen ihre Beschwerden je behandelt haben. Auch wenn sich die Prävalenzzahlen je nach Quelle somit etwas unterscheiden, zeigen alle jedoch deutlich, dass die Beschwerden häufig sind und die meisten Frauen keine Therapie erhalten.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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