- DAZ.online
- News
- Debatte & Meinung
- Mein liebes Tagebuch
13. Januar 2022
Wir haben es vernommen: Ab 1. Januar gibt’s eine „ordentliche Schippe“ mehr Geld für die Apothekenangestellten. Es gilt ein neuer Gehaltstarifvertrag mit einem Gehaltsplus von 200 Euro für alle, PKA dürfen sich über 225 Euro freuen. Die Apothekengewerkschaft Adexa ist zufrieden: Es sei wichtig, „dass jede und jeder eine ordentliche Schippe obendrauf bekommt“. Aber sind 200 Euro eine ordentliche Schippe? Sind die Apothekengehälter nicht ingesamt noch zu niedrig oder macht „die Schippe“ nun den Arbeitsplatz Apotheke attraktiver? Die Meinungen gehen auseinander und jeder hat da seine eigene Ansicht. Thomas Preis, Chef des Apothekerverbands Nordrhein und selbst Arbeitgeber, zeigt sich über die Anpassung erwartungsgemäß weniger euphorisch. Er sieht bereits „hohe Belastungen“ der Betriebe und erhebliche Auswirkungen auf die Apothekenlandschaft. Und er befürchtet sogar eine Beschleunigung der Apothekenschließungen. Mein liebes Tagebuch, als Arbeitgeber muss er das sagen – ob seine Prophezeiung tatsächlich eintritt, wird man am Jahresende sehen. Andererseits, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Arbeitsplatz Apotheke nicht mehr attraktiv finden und wegen höherer Gehälter in die Industrie und in andere Arbeitsfelder abwandern, gibt’s auch wegen Mitarbeitermangel mehr Apothekenschließungen. Aber da wiegelt Preis ab: „Der neue Gehaltstarifvertrag wird die Personalnot nicht lösen“, meint er. Lösen sicher nicht, mein liebes Tagebuch, da hätte es vielleicht einer größeren Schippe bedurft, aber vielleicht kann die Gehaltserhöhung so manches mildern. Nun ja, wie wär’s, wenn die Apothekerverbände, der Deutsche Apothekerverband und letztlich die ABDA sich mal richtig ins Zeug legen und auf der politischen Bühne darum kämpfen, dass die Fixhonorare der Apotheken angehoben werden und dass die Vertragspreise in Verhandlungen mit den Krankenlassen spürbar nachgebessert werden? Schon klar, wird nicht einfach und man braucht gute Begründungen – aber die Pandemie und die Unersetzbarkeit der Apotheken könnten da doch Schützenhilfe leisten.
Man hätte fast denken können, die ABDA hat es vergessen, das „Perspektivpapier 2030“, das Programm, das uns Apothekers und unseren Apotheken den Weg in die Zukunft weisen soll. Aber dem ist nicht so, nein, es gibt sogar eine Neufassung, die nun wie der Phönix aus der Asche auftaucht. Dieses Gefühl drängt sich zumindest auf, wenn man sich ans Jahr 2014 erinnert, als das Perspektivpapier in einer kollektiven Anstrengung, sogar mit Online-Diskussionsforen, an denen sich alle, wirklich alle Apothekerinnen und Apotheker beteiligen konnten, aus der Taufe gehoben wurde. Mannomann, wie war man damals stolz wie Bolle, so was Großartiges in einem – Achtung! – transparenten Prozess geschaffen zu haben: ein von einer überwältigenden Mehrheit getragener und verabschiedeter Kompass für unsere Apothekenzukunft. Geschafft! Ja, dann wurde es allerdings ziemlich ruhig ums Papier. So ab und an wurde es zwar mal erwähnt, aber mit Volldampf verfolgt eher weniger. In die Quere kamen wohl so Ereignisse wie z. B. das EuGH-Urteil von 2016, das die Versender stärkte, außerdem die galoppierende Digitalisierung, der Klimaschutz, das Nachhaltigkeitsthema und unsere Jahrhundert-Pandemie. Das alles muss unsere ABDA hinter verschlossenen Türen wohl zu einem schnellen Update des Perspektivpapiers angeregt haben. Diesmal durften wir Otto-Normal-Apothekers allerdings nicht mitdiskutieren. Die neue Fassung des Perspektivpapiers ist bereits verabschiedet, einstimmig, auf einer außerordentlichen ABDA-Mitgliederversammlung. Und die ABDA-Präsidentin freut sich, „dass wir das Update in einem kompakten Verfahren mit Kammern und Verbänden so schnell hingekriegt haben“ – also mein liebes Tagebuch, ratzfatz und ganz zackig. Na gut, mein liebes Tagebuch, sei’s drum, die Neufassung ist verabschiedet, was zählt ist das Ergebnis – wir dürfen sie nun lesen und goutieren. In der Präambel heißt es, dass der Kern der Arbeit in den Apotheken „mehr denn je die individuelle und persönliche Betreuung der Patientinnen und Patienten unter sinnvoller Nutzung der wachsenden Möglichkeit einer sich digitalisierenden Welt“ sei. Das rote Apotheken-A „steht für einen universellen Qualitätsanspruch, der für analoge wie digitale Prozesse gleichermaßen gilt“, heißt es dort. Und die Apotheke stehe vor Ort und mit telepharmazeutischen Angeboten allen dort zur Verfügung, wo sie sie brauchen. In der neuen Version des Perspektivpapiers soll sich auch die Bereitschaft der Apotheken zeigen, mehr Verantwortung zu übernehmen: „Als Drehkreuz werden sie auf lokaler Ebene verstärkt Managementaufgaben zwischen Arztpraxen, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen wahrnehmen und die verlässliche Arzneimittelversorgung der Menschen sicherstellen.“ Mein liebes Tagebuch, so sind wir mit unseren Apotheken also nicht nur die Lotsen, sondern nun auch die Drehkreuze. Unsere ABDA-Präsidentin bringt unsere zukünftige Arbeit schließlich einfühlsam auf den Punkt: „Mit der Digitalisierung des Gesundheitswesens, dem Kampf gegen die Trivialisierung von Arzneimitteln und der Schaffung von gesellschaftlichem Nutzen durch neue Dienstleistungen sind nun drei Themenfelder stärker herausgearbeitet und ergänzt, die unsere Arbeit künftig bestimmen werden.“ Also, dann hoffen wir, dass wir dabei unsere eigentliche Aufgabe, die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, bei aller Digitalisierung, Anti-Trivialisierungskämpfen und Dienstleistungszauber nicht vergessen.
3 Kommentare
Impfen
von Stefan Siebert am 16.01.2022 um 11:15 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Hausaufgaben machen !
von Ulrich Ströh am 16.01.2022 um 9:47 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Hausaufgaben machen
von Dominik Klahn am 16.01.2022 um 11:05 Uhr
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.