Beratungsleitfaden für die Apotheke

Wie findet man bei Obstipation das richtige Arzneimittel?

24.01.2022, 09:15 Uhr

Verstopfung: Was kann die Apotheke empfehlen? (x / Foto: mraoraor / AdobeStock)

Verstopfung: Was kann die Apotheke empfehlen? (x / Foto: mraoraor / AdobeStock)


Macrogole, Bisacodyl, Klistiere, Lactulose – das Sortiment an rezeptfreien Arzneimitteln gegen Obstipation ist groß. Oft ist für die betroffenen Patienten die Apotheke bei Verstopfung die erste Anlaufstelle. Doch welche Kriterien spielen eigentlich bei der Auswahl des Mittels eine Rolle?

Es ist keine Seltenheit, dass Menschen im Zusammenhang mit veränderten Lebensumständen oder Essgewohnheiten, zum Beispiel auf Reisen, mit Problemen beim Stuhlgang konfrontiert werden. Der Darm wird träge, der Stuhl wird hart und oft bleibt der Stuhlgang über mehrere Tage aus. Neben Menschen mit diesen gelegentlich auftretenden und in der Regel nicht krankhaften Verdauungsbeschwerden gibt es zahlreiche Patienten, die aus unterschiedlichen Gründen dauerhaft oder immer wieder an einer chronischen Obstipation leiden. Die Apotheke ist oft die erste Anlaufstelle.

Mehr zum Thema in DAZ Nr. 2

Chronische Obstipation erfordert meist dauerhaft eine medikamentöse Therapie

Erschwerte Bedingungen

Um in der Apotheke das richtige Präparat zu finden, sollte zunächst geklärt werden, für wen das Arzneimittel gedacht ist. Dabei kommt es insbesondere auf das Lebensalter (z. B. Säuglinge, Kleinkinder, Senioren) sowie die Begleitumstände (z. B. Schwangerschaft und Stillzeit) an. Die Eigendiagnose beziehungsweise Gründe für den Arzneimittelwunsch sollten hinterfragt werden, zum Beispiel welcher Art sind die Beschwerden (z. B. Stuhlbeschaffenheit und -frequenz), seit wann und unter welchen Bedingungen (z. B. Reise, Stress, Menstruation) treten die Beschwerden auf und welche Begleitsymptome gibt es.

Wichtig ist auch, ob es bereits eine ärztliche Abklärung gab, andere Erkrankungen vorliegen und Arzneimittel eingenommen werden. Sollte das Beratungsgespräch darauf hindeuten, dass die Grenzen der Selbstmedikation überschritten werden (z. B. Blut im Stuhl, Verdacht auf schwerwiegende Erkrankung, Verdacht auf Arzneimittel-bedingte Obstipation, Kinder unter sechs Jahren), ist der Patient an einen Arzt zu verweisen. Ist dies nicht der Fall, kann unter der Berücksichtigung der Präferenzen des Patienten ein geeignetes Laxans ausgewählt werden.

Allgemeinmaßnahmen und Ballaststoffe

Bevor zu Arzneimitteln gegriffen wird, sollen laut Leitlinie sogenannte Allgemeinmaßnahmen versucht werden, also ausreichend Flüssigkeitszufuhr, Bewegung und ballastoffreiche Ernährung. Sind all diese Maßnahmen, die die Stufe Ia der Obstipationsstufentherapie darstellen, nicht ausreichend, können in Stufe Ib zusätzlich Ballaststoffe wie Flohsamenschalen (z. B. Mucofalk®) oder Weizenkleie zugeführt werden.

Was ist Mittel der ersten Wahl? 

Liegen keine Entleerungsstörungen vor, sind osmotisch wirkendes Macrogol (Polyethylenglycol, PEG; Movicol®) sowie antiresorptiv/hydragog wirkendes und motilitätsförderndes Bisacodyl (Dulcolax®) oder Natriumpicosulfat (z. B. Laxoberal®) Arzneimittel der ersten Wahl. Sie können sowohl bei akuter funktioneller als auch bei chronischer Obstipation unbegrenzt eingesetzt werden. Da sie kaum resorbiert werden, sind sie auch in der Schwangerschaft geeignet

Zu den Arzneimitteln der zweiten Wahl gehören die osmotisch wirksamen Zucker und Zuckeralkohole, wie beispielsweise Lactulose, Lactose und Sorbitol, sowie die prokinetisch und antiresorptiv/hydragog wirkenden Anthrachinon-Derivate (Midro Tee® und andere Senna-Präparate). Anthrachinone sind ebenfalls für die Behandlung der chronischen und akuten funktionellen Obstipation geeignet. In kontrollierten Studien wurde nachgewiesen, dass sowohl Macrogol als auch Anthrachinone hinsichtlich ihrer Wirksamkeit der Lactulose überlegen sind. Je schwerer die Verstopfung, desto schlechter wirken auch die Zuckerstoffe.

Früher häufig eingesetzte salinische Laxanzien, wie die schlecht resorbierbaren osmotisch wirkenden Natrium- bzw. Magnesiumsalze (Glaubersalz, Bittersalz, Magnesiumhydroxid) sollten aufgrund potenzieller unerwünschter Arzneimittelwirkungen nicht mehr eingesetzt werden, insbesondere nicht im Rahmen einer Daueranwendung. Auch das früher als Gleitmittel verwendete Paraffinum subliquidum ist aufgrund seiner Nebenwirkungen und der vorhandenen Alternativen heutzutage obsolet und sollte allenfalls in Ausnahmefällen kurzfristig (z. B. bei Vergiftungen) angewendet werden.

Alternativ können Suppositorien und Klysmen angewendet werden, die in der Regel auch bei gestörter rektaler Entleerung empfohlen werden können. Wird mit rezeptfreien Mitteln keine Wirkung erzielt, kommen dann in der nächsten Therapiestufe verschreibungspflichtige Substanzen zum Einsatz.

Stellenwert von Probiotika und komplementärmedizinischen Methoden

Probiotika (Lactobacillus- und Bifidobacterium-Stämme) können bei funktioneller chronischer Obstipation und beim obstipations-prädominanten Reizdarm empfohlen werden und sind aufgrund ihrer guten Verträglichkeit und Sicherheit auch für Schwangere und Kleinkinder eine gute Wahl. Auch komplementärmedizinische Methoden können im Rahmen eines individualisierten Gesamtkonzepts angewendet werden. So kann insbesondere eine durch den Patienten selbst oder durch eine Hilfsperson durchgeführte Colon-Massage hilfreich sein. Diese kann mit oder ohne aromatische Öle erfolgen und darf auch bei sekundärer/neurogen bedingter chronischer Obstipation (Multiple Sklerose, Querschnittslähmung oder Guillain-Barré-Syndrom) versucht werden.



Dr. Daniela Leopoldt, Apothekerin
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.