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Beratung

Erschwerte Bedingungen

Chronische Obstipation erfordert meist dauerhaft eine medikamentöse Therapie

Obstipation bzw. Verstopfung ist eine häufig auftretende Verdauungsstörung, die überwiegend bei Frauen und älteren Menschen vorkommt. Betroffene leiden an einer unbefriedigenden Stuhlentleerung, die mit unangenehmen Begleiterscheinungen wie Völle­gefühl, Blähungen und Bauchschmerzen einhergeht. Erster Ansprechpartner ist oftmals der Apotheker. | Von Daniela Leopoldt

Es ist keine Seltenheit, dass Menschen im Zusammenhang mit veränderten Lebensumständen oder Essgewohnheiten, z. B. auf Reisen, mit Problemen beim Stuhlgang konfrontiert werden. Der Darm wird träge, der Stuhl wird hart, und oft bleibt der Stuhlgang über mehrere Tage aus. Neben Menschen mit diesen gelegentlich auftretenden und in der Regel nicht krankhaften Verdauungsbeschwerden gibt es zahlreiche Patienten, die aus unterschiedlichsten Gründen dauerhaft oder immer wieder unter einer chronischen Obstipation leiden.

Bei der Obstipation handelt es sich um einen Symptomenkomplex mit Völlegefühl, Blähungen und Bauchschmerzen sowie schmerzhaften Toilettengängen mit ausbleibender bzw. unvollständiger Entleerung, der eher durch eine subjektive Beeinträchtigung als durch objektiv messbare Parameter (z. B. Stuhlfrequenz) bestimmt wird. Um dem gesamten Beschwerdebild der Patienten mit Obstipation gerecht zu werden, haben sich international Definitionen etabliert, die sowohl subjektive als auch objektive Parameter beinhalten. Laut S2k-Leitlinie „Chronische Obstipation“ liegt eine solche vor, wenn über mindestens drei Monate die Stuhlentleerung unbefriedigend ist, und entweder weniger als drei Stühle pro Woche zu verzeichnen sind oder mindestens zwei der folgenden Leitsymptome bei mehr als 25% der Stuhlentleerungen auftreten:

  • starkes Pressen,
  • klumpiger oder harter Stuhl,
  • subjektiv unvollständige Entleerung,
  • subjektive Obstruktion, oder
  • manuelle Manöver zur Erleichterung der Defäkation.

Die Prävalenz der chronischen Obstipation ist sehr variabel und wird für Europa im Mittel mit 15% angegeben. Frauen und ältere Menschen sind besonders häufig betroffen. Erklärungen für das erhöhte Auftreten im Alter können unter anderem die erhöhte Einnahme von Arzneimitteln, neuro­logische Erkrankungen und Funktionsänderungen, ein sogenannter „sedativer Lebensstil“ oder Bettlägerigkeit sein. Andere Risikofaktoren sind ein niedriges Einkommen, ein geringer Ausbildungsgrad und schlechte Ernährungsgewohnheiten, die nicht selten mit den ersten beiden Faktoren im Zusammenhang stehen [1].

Ursachen für Obstipation sind vielfältig

Die Studienlage bezüglich möglicher Ursachen ist uneinheitlich und laut Leitlinie als „spärlich und unbefriedigend“ einzustufen. Ein oftmals berichteter Zusammenhang zwischen Obstipation und faserarmer Kost, verringerter Flüssigkeitsaufnahme, Bewegungsmangel, unterdrücktem Defäkationsreiz und abrupter Änderung der Lebensumstände konnte in Studien nicht eindeutig belegt werden. Denkbar ist jedoch, dass diese Faktoren bei einer bereits bestehenden Obstipationsneigung verstärkend bzw. auslösend wirken und eine Obstipation durch sie erst klinisch evident wird. Nicht immer lässt sich eine Ursache finden (idiopathische Obstipation). In zahlreichen Fällen handelt es sich um eine sekundäre Obstipation als Folge anderer Erkrankungen (s. Kasten „Ursachen einer Obstipation“) oder unerwünschter Arzneimittelwirkungen (s. Tab.). Krankheitsbedingte Veränderungen der sensomotorischen Darmfunktionen können eine gestörte intestinale Motilität bewirken. So sind bei Patienten mit Slow-Transit-Obstipation, einer typischen sekundären Obstipation, eine verlangsamte Darmperistaltik und verlängerte Darmpassagezeit nachgewiesen worden. Durch den verstärkten Wasserentzug aufgrund der längeren Verweilzeit im Kolon, dickt der Stuhl immer stärker ein und verhärtet sich. Intestinale Motilitätsstörungen können aber auch in Verbindung mit einem Reizdarmsyndrom (Obstipationstyp oder Mischtyp, bei dem sich Durchfall und Verstopfung abwechseln) auftreten. Ebenso können Arzneimittel die gastrointestinale Transitzeit verlängern oder auch die anorektale Entleerung stören. Weitere Ursachen sind intestinale Obstruktionen, z. B. im Zusammenhang mit einer Beckenbodensenkung oder Erkrankungen im Analbereich (z. B. Rektozele, Rektumprolaps), die die Darmpassage behindern und Entleerungsstörungen hervorrufen. Damit verbundene Schmerzen beim Stuhlgang lassen Betroffene oftmals den Stuhl zurückhalten. Die so begünstigte Verhärtung des Stuhls zieht oft eine Verschlimmerung des Problems nach sich. Zielgerichtete Fragen in Bezug auf Stuhlfrequenz und -konsistenz sowie ob und inwieweit die Stuhlentleerung mühsam bzw. unvollständig verläuft, können wertvolle Hinweise darauf geben, ob eine Kolontransitstörung (Slow-Transit-­Obstipation, seltener und harter Stuhlgang ohne vordergründiges Entleerungsproblem) oder eher eine Stuhlentleerungsstörung hinter der Verstopfung steht, auch wenn eine genaue Trennung meist nicht möglich ist [1, 2].

Ursachen einer Obstipation

Beispiele für neurologische, endokrine und systemische Erkrankungen/Ursachen, die zu einer Obstipation führen können [1]:

neurologische Erkrankungen

  • ZNS: Morbus Parkinson, multiple Sklerose, Demenz
  • peripheres Nervensystem: autonome Neuropathie (Dia­betes), Polyneuritis (Guillain Barré)
  • traumatische Läsionen: Querschnittslähmung, Läsion vegetativer Nerven (Beckenoperationen)

endokrine Erkrankungen oder Ursachen

  • endokrin: Hypothyreose, Hyperparathyreoidismus (Hypercalcämie)
  • physiologisch: Schwangerschaft (dritter Trimenon), Zyklus (zweite Zyklushälfte)

systemische Erkrankungen

  • Kollagenosen: systemische Sklerodermie
  • Amyloidose: primäre und sekundäre Formen
Tabelle: Beispiele für Arzneimittel, die zu einer Obstipation führen können [1, 8]
Wirkstoffgruppe (Auswahl)
Wirkstoffe (Auswahl)
Präparate (Beispiele)
Anticholinergika
  • Muscarinrezeptor-Antagonisten
Butylscopolamin
Buscopan®
  • muskulotrope und neurotropmuskulotrope Spasmolytika
Propiverin
Mictonorm®
Antidepressiva
  • tricyclische Antidepressiva
Amitriptylin
Amineurin®
  • Inhibitoren der Monoaminoxidase (MAO-Hemmer)
Moclobemid
Aurorix®
  • selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)
Citalopram
Cipramil®
  • selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI)
Duloxetin
Cymbalta®
Antiepileptika
Pregabalin
Lyrica®
Antihypertensiva
  • Beta-Blocker
Bisoprolol
Concor®
  • Calciumkanal-Blocker
Nifedipin
Adalat®
H1-Antihistaminika
Promethazin
Atosil®
Antipsychotika
  • klassische Antipsychotika (Phenothiazine)
Levomepromazin
Neurocil®
  • atypische Antipsychotika
Risperidon
Risperdal®
Calcium-haltige Antazida
Calciumcarbonat
Rennie®
Diuretika
  • Thiazide
Hydrochlorothiazid (HCT)
HCT Hexal®
  • Schleifendiuretika
Furosemid
Lasix®
Eisen-Salze
Eisen(II)-Glycin-Sulfat-Komplex
Ferro sanol®
Gestagene
Progesteron
Cyclogest®
Ionenaustauscher
Colestyramin
Quantalan®
Opioide
Codein
Bronchicodein®
Protonenpumpenhemmer
Omeprazol
Antra Mups®

Vorbeugende und allgemeine Maßnahmen zur Basisbehandlung

Menschen die zu Obstipation neigen, sollten einem geregelten Tagesablauf folgen, der mit einem in Ruhe eingenommenen Frühstück beginnt. Dadurch wird die Darmtätigkeit angeregt. Idealerweise ist anschließend Zeit für den Toilettengang eingeplant. Wichtig ist es, den Stuhldrang nicht regelmäßig zu unterdrücken. Bereits eine zweiwöchige will­kürliche Unterdrückung des Stuhldrangs führte in einer Studie an Gesunden zu einer verlängerten Kolontransitzeit. Unklar ist jedoch, ob bei regelmäßiger Unterdrückung eine chronische Obstipation begünstigt wird. Auch körperliche Aktivität hat einen positiven Einfluss auf die Darmmotilität, und Inaktivität kann zu einer Verlängerung der Kolontransitzeit führen. Insbesondere bei einer im Alter auftretenden Obstipation spielt vielfach Bewegungsmangel eine entscheidende Rolle. Dennoch gibt es keine ausreichende Evidenz für einen therapeutischen Effekt gesteigerter körperlicher Aktivität. Insgesamt ist auf eine tägliche Trinkmenge von 1,5 bis 2 Litern zu achten. Ein darüber hinaus gehendes Volumen hat keinen positiven Effekt auf eine bestehende Obstipation und ist deshalb nicht empfehlenswert. Ausgewogene Ernährung mit einem hohen Anteil an Quell- und Ballaststoffen wirkt sich in der Regel ebenfalls günstig auf den Stuhlgang aus. So führt die erhöhte Wasseraufnahme der Ballaststoffe zu einer Vergrößerung des Stuhlvolumens, was gewöhnlich mit einem erhöhten Dehnungsreiz und Stimulation der Darmperistaltik sowie verbesserter Defäkation einhergeht [1, 3, 4].

Therapie chronischer Obstipation nach Stufenschema

Sind all diese Maßnahmen, die die Stufe Ia der Obstipationsstufentherapie (siehe Abb.) darstellen, nicht ausreichend, können in Stufe Ib zusätzlich Ballaststoffe wie Flohsamenschalen (z. B. Mucofalk®) oder Weizenkleie zugeführt werden. Es ist gezeigt worden, dass eine erhöhte Ballaststoff­zufuhr den Bedarf an Laxanzien reduzieren kann. Allerdings sollte nicht unerwähnt bleiben, dass Ballaststoffe auch Auslöser von Blähungen und Bauchschmerzen sein können. Für Reizdarmpatienten ist gezeigt worden, dass lösliche Ballaststoffe (Quellstoffe) wie Flohsamenschalen besser verträglich sind als natürliche Ballaststoffe wie z. B. Kleie. Bei Unverträglichkeiten oder fehlender Wirksamkeit sollten die Ballaststoffe reduziert werden, und es kann eine Therapie mit Laxanzien erwogen werden. Dazu stehen diverse Arzneimittel zur Verfügung, die in den Apotheken meist ohne Rezept bezogen werden können und, bis auf wenige Ausnahmen, vom Patienten selbst bezahlt werden müssen. Laut Leitlinie sollte in den Therapiestufen zwei bis fünf zwischen Obstipation mit und Obstipation ohne Entleerungsstörungen unterschieden werden. Entscheidend für die Auswahl eines geeigneten Präparates sind individuelle Präferenz und Verträglichkeit. Bei unzureichender Wirkung der einzelnen Mittel kann auch eine Kombination von Präparaten mit unterschiedlichen Wirkprinzipien probiert werden [1, 4].

Abb.: Stufentherapie der chronischen Obstipation Aufbauend auf einer Basisdiagnostik sollte mit Allgemeinmaßnahmen (Flüssigkeitsaufnahme, Bewegung, ballaststoffreiche Ernährung) begonnen werden. Erst wenn das nicht wirkt oder nicht vertragen wird, dann sollten die medikamentösen Optionen der jeweils nächst höheren Stufen versucht werden (nach S2k-Leitlinie „Chronische Obstipation“ [1])

Macrogol wirkt besser als Lactulose

Liegen keine Entleerungsstörungen vor, sind osmotisch wirkendes Macrogol (Polyethylenglycol, PEG; Movicol®) sowie antiresorptiv/hydragog wirkendes und motilitätsförderndes Bisacodyl (Dulcolax®) oder Natriumpicosulfat (z. B. Laxoberal®) Arzneimittel der ersten Wahl. Sie können sowohl bei akuter funktioneller als auch bei chronischer Obstipation unbegrenzt eingesetzt werden. Da sie kaum resorbiert werden, sind sie auch in der Schwangerschaft geeignet. Dosierung und Einnahmefrequenz sind individuell unterschiedlich und orientieren sich am Bedarf. Zu den Arzneimitteln der zweiten Wahl gehören die osmotisch wirksamen Zucker und Zuckeralkohole, wie z. B. Lactulose, Lactose und Sorbitol, sowie die prokinetisch und antiresorptiv/hydragog wirkenden Anthrachinon-Derivate (Midro Tee® und andere Senna-­Präparate). In kontrollierten Studien wurde nachgewiesen, dass sowohl Macrogol als auch Anthrachinone hinsichtlich ihrer Wirksamkeit der Lactulose überlegen sind. Je schwerer die Verstopfung, desto schlechter wirken auch die Zuckerstoffe. Da Macrogole, anders als Lactulose (Bifiteral®), nahezu unverändert ausgeschieden und nicht von Darmbakterien abgebaut werden, treten die für Lactulose typischen Nebenwirkungen wie Flatulenz und Meteorismus in der Regel nicht auf, und sie sind verträglicher. Insbesondere für die häufig betroffenen älteren Patienten mit einer Multi­medikation sind osmotisch wirksame Laxanzien eine gute Wahl, denn es treten in der Regel keine Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln auf. Ihre Wirkung tritt innerhalb von zwei bis 48 Stunden ein, und sie sind auch zur Langzeittherapie geeignet, was vor allem bei chronisch Kranken von Vorteil ist. Auch bei Opioid-induzierter Obstipation sind sie zunächst das Mittel der Wahl. Darmstimulanzien (Natriumpicosulfat, Bisacodyl und Anthrachinone) sind ebenfalls für die Behandlung der chronischen und akuten funktionellen Obstipation geeignet. Als Ausdruck ihrer motorischen Wirkung ist jedoch das Auftreten krampfartiger Bauchschmerzen möglich. Da die abführende Wirkung dieser Arzneistoffe nach oraler Gabe (z. B. Dragee- oder Tropfenform, Tee) in ca. sechs bis zwölf Stunden eintritt, werden sie üblicher­weise am Abend eingenommen, um so den morgendlichen Toilettengang zu ermöglichen.

Früher häufig eingesetzte salinische Laxanzien, wie die schlecht resorbierbaren osmotisch wirkenden Natrium- bzw. Magnesiumsalze (Glaubersalz, Bittersalz, Magnesiumhydroxid) sollten aufgrund potenzieller unerwünschter Arzneimittelwirkungen nicht mehr eingesetzt werden, insbesondere nicht im Rahmen einer Daueranwendung. Auch das früher als Gleitmittel verwendete Paraffinum subliquidum ist aufgrund seiner Nebenwirkungen und der vorhandenen Alternativen heutzutage obsolet und sollte allenfalls in Ausnahmefällen kurzfristig (z. B. bei Vergiftungen) angewendet werden [1, 3 – 5].

Achtung bei phosphathaltigen Klysmen

Alternativ können Suppositorien und Klysmen angewendet werden, die in der Regel auch bei gestörter rektaler Entleerung empfohlen werden können. So kann mit Bisacodyl-Zäpfchen (z. B. Dulcolax®), CO2-Bildnern (Lecicarbon®) und Glycerol­zäpfchen (z. B. Glycilax®) sowie Miniklistieren, die Glycerol (z. B. Babylax®) oder Sorbitol (z. B. Microlax®) enthalten, eine kurzfristige schnelle Darmentleerung erreicht werden. Während CO2-Bildner und Glycerol den Defäkationsreflex direkt stimulieren, erweicht Sorbitol durch seine wasseranziehende Wirkung den Stuhl und löst so die Defäkation aus. Die Wirkung dieser Präparate setzt innerhalb von 15 Minuten bis zu einer Stunde ein. Klysmen sind jedoch nicht für den Dauergebrauch vorgesehen, und es ist zu beachten, dass phosphathaltige Klysmen (z. B. Klistier®, Klysma®) bei Kindern unter sechs Jahren nicht angewendet werden dürfen. Bei nicht fristgerechter Ausscheidung (z. B. aufgrund anatomischer Besonderheiten wie bei Morbus Hirschsprung) und damit verbundener verlängerter Resorption sind lebensbedrohliche Intoxikationen im Zusammenhang mit einer Hyperphosphatämie beobachtet worden. Kinder unter sechs Jahren sollten generell nur nach ärztlicher Abklärung der Ursachen medikamentös behandelt werden. Meist handelt es sich bei ihnen um funktionelle Störungen oder psychische Faktoren, die zu einer Zurückhaltung des Stuhls führen und dann eine Verstopfung hervorrufen. Für die schnelle und kurzfristige Darm­entleerung sind z. B. Glycerol-Zäpfchen und nichtphosphathaltige Miniklistiere gut geeignet [1, 5 – 7].

Neuartige verschreibungspflichtige Arzneimittel

Wird mit oben genannten Arzneistoffen keine ausreichende Wirkung erzielt, kann in der dritten Therapiestufe der verschreibungspflichtige hochselektive Serotonin(5-HT4)-Rezeptoragonist Prucaloprid zum Einsatz kommen. Dieser regt die Darmperistaltik an und verkürzt die Kolontransitzeit. Prucaloprid ist auch beim obstipations-prädominanten Reizdarmsyndrom wirksam. Bei entzündlichen Darmerkrankungen sowie bei Obstipationen aufgrund struktureller oder funktioneller Störungen der Darmwand ist Prucaloprid nicht geeignet. Für Patienten, die nicht auf Prucaloprid ansprechen, ist Linaclotid (Constella®) einen Versuch wert. Der Guanylatcyclase-Aktivator ist in Deutschland zwar seit einigen Jahren für die symptomatische Behandlung sowohl des Reizdarmsyndroms mit Obstipation als auch der chronisch-idiopathischen Obstipation zugelassen, von den Kassen erstattet wird er aber nicht. Linaclotid wirkt lokal im Darm und führt dort zu einer erhöhten Sekretion von Bicarbonat, Chlorid und Wasser, was letztlich in einer Stuhlauflockerung und verkürzten Darmpassage resultiert. Zusätzlich blockiert Linaclotid auch das Schmerzempfinden. In schweren therapierefraktären Fällen kann auch der Chloridkanal-Aktivator Lubiproston (USA, Amitizia®) eingesetzt werden, der jedoch aufgrund der nicht vorhandenen Zulassung in Deutschland nur eingeschränkt verfügbar ist. Zudem verursacht Lubiproston bei vielen Patienten starke Übelkeit. Nutzen und Risiken sind besonders vorsichtig abzuwägen, da Obstipation zwar häufig mit einem klaren Verlust an Lebensqualität verbunden ist, in der Regel aber nicht mit einer erhöhten Mortalität.

Periphere µ-Opiat-Antagonisten wie z. B. Naloxon und Methyl­naltrexon können bei einer schweren Opiat-induzierten Verstopfung zum Einsatz kommen, wenn andere Laxanzien nicht wirken. Sie sind in der Lage, die periphere Wirkung der Opiate am Darm zu blockieren, ohne deren schmerzlindernde zentrale Wirkung aufzuheben [1, 5, 8].

Spezialfall obstipations-prädominantes Reizdarmsyndrom

Insbesondere beim Reizdarmsyndrom vom Obstipationstyp (Sonderfall innerhalb der primären Obstipationsformen) ist meist eine Kombination allgemeiner, symptomunabhängiger und spezifischer symptomorientierter Therapien sinnvoll. Zu den symptomunabhängigen Ansätzen zählen neben der Ernährungsumstellung auch psychotherapeutische Verfahren und die Modulation des Darmmikrobioms mit Probiotika. Dabei ist der Effekt der Probiotika individuell sehr unterschiedlich und abhängig vom Bakterienstamm. Sehr gute Studienergebnisse gab es kürzlich zu dem in Kijimea® Reizdarm enthaltenen Bifidobacterium bifidum MIMBb75. Zusätzlich können phytotherapeutische Ansätze in das Behandlungskonzept integriert werden. Abdominale Schmerzen werden häufig mit Spasmolytika wie Pfefferminz- oder Kümmelöl oder Butylscopolamin behandelt. Hier ist zu beachten, dass Butylscopolamin als Anticholinergikum selbst die Magen- und Darmmotilität hemmt und eine bestehende Obstipation verstärken könnte. Im Rahmen eines komplementärmedizinischen Behandlungskonzepts kann auch Yoga empfohlen werden. Eine randomisierte klinische Studie hat gezeigt, dass damit unter anderem eine mit Reizdarm in Verbindung stehende Obstipation signifikant verbessert werden kann. Ansonsten gilt auch hier das Stufentherapieschema der „Chronischen Obstipation“ [2, 5, 10 – 12].

Beratungsleitfaden für die Apotheke

Um in der Apotheke das richtige Präparat zu finden, sollte zunächst geklärt werden, für wen das Arzneimittel gedacht ist. Dabei kommt es insbesondere auf das Lebensalter (z. B. Säuglinge, Kleinkinder, Senioren) sowie die Begleitumstände (z. B. Schwangerschaft und Stillzeit) an. Die Eigendiagnose bzw. Gründe für den Arzneimittelwunsch sollten hinterfragt werden, z. B. welcher Art sind die Beschwerden (z. B. Stuhlbeschaffenheit und -frequenz), seit wann und unter welchen Bedingungen (z. B. Reise, Stress, Menstruation) treten die Beschwerden auf und welche Begleitsymptome gibt es. Wichtig ist auch, ob es bereits eine ärztliche Abklärung gab, andere Erkrankungen vorliegen und Arzneimittel eingenommen werden. Sollte das Beratungsgespräch darauf hindeuten, dass die Grenzen der Selbstmedikation überschritten werden (z. B. Blut im Stuhl, Verdacht auf schwerwiegende Erkrankung, Verdacht auf Arzneimittel-bedingte Obstipation) ist der Patient an einen Arzt zu verweisen. Ist dies nicht der Fall, kann unter der Berücksichtigung der Präferenzen des Patienten ein geeignetes Laxans ausgewählt werden.

Probiotika (Lactobacillus- und Bifidobacterium-Stämme) können bei funktioneller chronischer Obstipation und beim obstipations-prädominanten Reizdarm empfohlen werden und sind aufgrund ihrer guten Verträglichkeit und Sicherheit auch für Schwangere und Kleinkinder eine gute Wahl. Auch komplementärmedizinische Methoden können im Rahmen eines individualisierten Gesamtkonzepts angewendet werden. So kann insbesondere eine durch den Patienten selbst oder durch eine Hilfsperson durchgeführte Colon-Massage hilfreich sein. Diese kann mit oder ohne aromatische Öle erfolgen und darf auch bei sekundärer/neurogen bedingter chronischer Obstipation (multiple Sklerose, Querschnittslähmung oder Guillain-Barré-Syndrom) versucht werden [1, 13]. |

Literatur

 [1] Chronische Obstipation: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie. S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM) und der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), Stand: 2013, derzeit ungültig, AWMF-Registriernummer: 021/019

 [2] Reizdarmsyndrom: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie des Reizdarmsyndroms. Update S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM), 2021, AWMF-Registriernummer: 021/016

 [3] Neubeck M. Evidenzbasierte Selbstmedikation. 5. Auflage, Deutscher Apotheker Verlag 2021

 [4] Müller-Lissner S. Chronische Obstipation (Verstopfung), Patientenratgeber der Gastro-Liga e.V., www.gastro-liga.de, Stand Februar 2017

 [5] Geisslinger G, Menzel S, Gudermann T, Hinz B, Ruth P. Mutschler Arzneimittelwirkungen. Pharmakologie – Klinische Pharmakologie – Toxikologie. 11., völlig neu bearbeitete Auflage 2020, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart

 [6] Gramlich et al. Akuttherapie der funktionellen Obstipation – Was ist sicher wirksam? Monatsschrift Kinderheilkunde 2021, www.springermedizin.de/paediatrische-gastroenterologie/obstipation/akuttherapie-der-funktionellen-obstipation-was-ist-sicher-wirksa/19565452

 [7] Schwere Hyperphosphatämie nach Anwendung von phosphathaltigen Klistieren bei Säuglingen - Aus der UAW-Datenbank. Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) Dtsch Arztebl 2014:111(40):A-1713

 [8] Fachinformationen der genannten Arzneimittel

 [9] Reizdarmsyndrom – Aufruhr im Darm. Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), Juni 2021

[10] Evans S et al. Iyengar yoga for adolescents and young adults with irritable bowel syndrome. J Pediatr Gastroenterol Nutr 2014;59:244-253

[11] Uehleke B et al. Die Tibetische Rezeptur Padma Lax in der ärztlichen Praxis: Eine retrospektive Fallstudie bei Obstipation mit 174 Patienten. Forsch Komplementmed 2013;20(suppl 2):8-13

[12] Synformulas. Stiftung Warentest: Kijimea® Reizdarm Pro überzeugt Experten im Reizdarm-Test. Pressemitteilung 16. Dezember 2021

[13] Arbeitshilfe Qualitätssicherung 2019, Informationen der Bundesapothekerkammer (BAK)

Autorin

Dr. Daniela Leopoldt ist Apothekerin und Pharmakologin. Nach ihrer Promotion an der FU Berlin war sie mehrere Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin in den USA und anschließend in der öffentlichen Apotheke sowie der pharmazeutischen Industrie tätig. Seit 2017 schreibt sie als freie Medizinjournalistin unter anderem Beiträge für die DAZ.

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