SARS-CoV-2 Nachweis

Österreich setzt auf PCR-Gurgel-Tests – auch eine Lösung für Deutschland?

Hamburg - 31.01.2022, 15:00 Uhr

Lead Horizon würde seine Gurgel-Tests gerne auch in Deutschland anbieten. (Foto: IMAGO / SEPA.Media)

Lead Horizon würde seine Gurgel-Tests gerne auch in Deutschland anbieten. (Foto: IMAGO / SEPA.Media)


Deutschland kann PCR-Tests künftig nicht mehr für jeden anbieten – denn die Labore sind überlastet. Österreich hingegen setzt schon länger auf PCR-Gurgel-Tests. Diese sind in der Hauptstadt Wien kostenlos erhältlich und können einfach und schnell zu Hause durchgeführt werden. Der Testanbieter Lead Horizon würde gerne auch nach Deutschland expandieren.

Vor einem Jahr startete in Wien das Projekt „Alles gurgelt”. Jeder Wiener kann sich zu Hause selbst auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 testen, ausgewertet wird mit der PCR-Methode. Der Test basiert dabei nicht auf einem Nasen-Rachenabstrich, sondern auf einer Mundspülung zum Gurgeln.

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Wer einen Gurgel-PCR-Test machen möchte, muss sich zunächst im Internet auf der Seite allesgurgelt.at registrieren. Er kann dann in einer Filiale der Drogeriekette Bipa bis zu acht Selbsttests abholen. Um den Test durchzuführen, loggt man sich auf der Seite des Anbieters ein. Zur Identifizierung muss man seinen Personalausweis oder seine Krankenversicherungskarte in die Kamera des Handys halten und dann mit einer im Testkit enthaltenen Lösung den Mund ausspülen und am besten auch gurgeln. Die Flüssigkeit wird anschließend in ein Probenröhrchen gespuckt, das ebenfalls vor laufender Kamera verschlossen und versiegelt wird.

Abgabe in Supermärkten und Tankstellen möglich

Der Test kann in Supermärkten der Rewe-Kette und an Tankstellen abgegeben werden. Innerhalb von 24 Stunden erhalten Getestete ihr Ergebnis – mit QR-Code und gültig als EU-Zertifikat. Wer sich nicht vor laufender Kamera identifizieren möchte, kann sich trotzdem testen lassen, erhält dann aber nur den medizinischen Befund und kein Zertifikat.

Für die Auswertung ist Lead Horizons Partner Lifebrain zuständig, der dafür extra ein großes neues Labor gebaut hat. Durchschnittlich 300.000 Gurgel-Test-Proben werden nach Angaben der Stadt Wien dort täglich mit dem PCR-Verfahren untersucht und es gibt noch Kapazitäten. Bis zu 800.000 Proben pro Tag sollen ausgewertet werden können. Für die Kosten von sechs Euro pro Test kommt die Stadt auf. In Deutschland zahlt der Staat pro Bürgertest deutlich mehr, nämlich 11,50 Euro. Und dabei handelt es sich noch dazu um Antigen-Schnelltests, die ungenauer als PCR-Tests sind.

Niedrige Kosten durch Pool-Tests

Möglich werden die niedrigen Kosten der Gurgel-Tests durch das sogenannte Pooling-Verfahren. Es werden zunächst immer zehn Proben in einem gemeinsamen Pool untersucht. Nur wenn die PCR-Untersuchung positiv anschlägt, werden Rückstellproben jeweils einzeln ausgewertet. Ist der Pool negativ, bedeutet das zehn negative Testergebnisse. Die Kosten und der zeitliche Aufwand für die Untersuchung der einzelnen Proben entfallen dann.

In Deutschland kommen die Labore bei den PCR-Tests, die hier fast ausschließlich per Nasen-Rachenabstrich durchgeführt werden, nicht hinterher. Weil die Kapazitäten ausgeschöpft sind, wurde auf der letzten Ministerpräsidentenkonferenz eine Priorisierung bei den PCR-Tests beschlossen. Sie sollen konzentriert werden auf Menschen aus Corona-Risikogruppen und Beschäftigte, die diese betreuen und behandeln – etwa in Kliniken und Pflegeheimen. PCR-Gurgeltests nach dem Wiener Vorbild könnten die Kapazitäten erhöhen. Bisher zeigt die Politik aber wenig Interesse daran, das Modell zu übernehmen. Dabei scheint es auch Missverständnisse rund um den Gurgel-Test zu geben.

Nicht zu verwechseln mit Lolli-Tests

So hatte ein Sprecher des deutschen Gesundheitsministeriums in der vergangenen Woche auf der Bundespressekonferenz gesagt, die „PCR-Lolli-Tests“ aus Österreich hätten nicht genügend Aussagekraft, erst nach kritischen Nachfragen von Journalisten hatte er später die Aussage zurückgenommen. Tatsächlich sind die in Österreich angebotenen PCR-Gurgeltests nicht mit Lolli-Tests zu verwechseln, wie sie häufig in deutschen  Kindergärten eingesetzt werden. Bei dieser Art von Tests wird nicht mit einer Lösung gegurgelt, sondern es wird am Teststäbchen gelutscht und es handelt sich meist um Antigen-Schnelltests. Eine Ausnahme gibt zum Beispiel in NRW, wo Schülerinnen und Schüler mit Lolli-PCR-Test getestet werden. Auch in Bayern wird zunehmend auf PCR-Pooltests um gestellt. 

„Ergebnisse irgendwo zwischen Schnelltests und echten PCR-Tests“?

Auch Andreas Bobrowski, Vorsitzender des Berufsverbandes Deutscher Laborärzte, hatte sich kritisch über das österreichische Verfahren geäußert. Gegenüber der Zeitung „Tagesspiegel“ sagte Bobrowski, die Ergebnisse seien deutlich unzuverlässiger als bei anderen PCR-Tests, ihre Genauigkeit liege „irgendwo zwischen Schnelltests und echten PCR-Tests.“

Tatsächlich gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Gurgel-PCR-Tests schlechtere Ergebnisse liefern. In einer von Lead Horizon in Auftrag gegebenen Vergleichsstudie wurden mit dem Gurgeltest nicht weniger, sondern sogar mehr positive Fälle erkannt als mit Nasen-Rachenabstrichen. So wurden von 240 untersuchten Proben 61 als positiv erkannt, genauso viele, wie bei der Probenentnahme durch einen Nasen-Rachenabstrich. Bei den restlichen 179 Proben fiel die RT-PCR der Nasen-Rachenabstriche negativ aus, ein zu Hause durchgeführter Gurgeltest war aber in zwei Fällen davon positiv. Nicht getestet wurde hierbei, inwieweit sich das ansonsten übliche Pooling-Verfahren auf die Genauigkeit der Ergebnisse auswirken könnte, in der Studie waren alle Proben einzeln untersucht worden.

Lead Horizon würde seine Gurgel-Tests gerne auch in Deutschland anbieten. Das sagte eine Managerin des Unternehmens vor wenigen Tagen im Gespräch mit dem Magazin „Spiegel“. Man könne „weitere substanzielle Kapazitäten innerhalb weniger Wochen aufbauen“, da es in Deutschland „augenscheinlich großen Bedarf nach PCR-Tests“ gebe. Voraussetzung wäre laut „Spiegel“ allerdings, eine größere Stadt und ein Labor als Partner zu finden.

In Deutschland andere Anforderungen an Identitätsnachweise

Zudem würden die Identitätsnachweise nach dem österreichischen Modell wohl nicht akzeptiert. Ob die Person, die sich testet, mit dem Bild auf dem Personalausweis übereinstimmt, wird in Österreich nur stichprobenartig überprüft. In Deutschland müsste laut Lead Horizon eine Software zur biometrischen Gesichtserkennung eingesetzt werden. Auch wäre der Zeitpunkt für einen Einstieg in den deutschen Markt wohl nicht ideal: Bis die Strukturen in Deutschland aufgebaut werden, könnte die Omikron-Welle schon wieder abgeflacht sein.



Irene Habich, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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