Azelastin – (k)ein Wundermittel

Ein Allergie-Nasenspray gegen Corona?

14.02.2022, 17:50 Uhr

Im Vergleich zur Placebo-Gruppe führte die Behandlung mit Azelastin in einer Studie zu einem stärkeren, aber nicht signi­fikanten Rückgang der mittleren Viruslast. (Foto: 9gifts / AdobeStock)

Im Vergleich zur Placebo-Gruppe führte die Behandlung mit Azelastin in einer Studie zu einem stärkeren, aber nicht signi­fikanten Rückgang der mittleren Viruslast. (Foto: 9gifts / AdobeStock)


Einige Medien berichteten in den letzten Tagen von den vielversprechenden Studienergebnissen eines Azelastin-haltigen Nasensprays bei COVID-19-Patienten. Beim genaueren Betrachten der Publikation fällt jedoch auf, dass die Abnahme der Viruslast nicht signifikant war. Auch erfolgte die Preprint-Publikation bereits im September 2021, ein Peer-Review steht nach wie vor aus.

Infektionen mit SARS-CoV-2 erfolgen vornehmlich über den Respirationstrakt. In der frühen Phase der Infektion ist die Viruslast im Nasen-Rachen-Raum am höchsten. Daher scheint es naheliegend, die Virus­vermehrung dort zu hemmen. Doch wie? Die erste Frage, nämlich die nach einer geeigneten Arzneiform, ist leicht zu beantworten: Ein lokal wirksames Nasenspray ist hierfür ideal.

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Bei der zweiten Frage, der nach einem geeigneten Wirkstoff, entschied sich eine Arbeitsgruppe am Universitätsklinikum Köln für Azelastin, das bereits in einem Screening auf mögliche Anti-COVID-19-­Wirkstoffe aufgefallen war. Das Antiallergikum Azelastin ist ein Histamin-1-Rezeptor-Ant­agonist mit anti-inflammatorischen Eigenschaften durch Hemmung von Leukotrienen und pro-inflammatorischen Zytokinen.

Aufbau der CARVIN-Studie 

Die antiviralen Eigenschaften von Azelastin wurden im Rahmen einer Phase-II-Studie (CARVIN-Studie) näher untersucht. Das primäre Ziel der Studie war es, erste Daten zur Wirksamkeit eines Azelastin-Nasensprays bei SARS-CoV-2-infizierten Patienten in Bezug auf die Viruslast in Nasen-Rachen-Abstrichen zu gewinnen. An der dreiarmigen, randomisierten, doppelblinden und Placebo-kontrollierten Interventionsstudie nahmen 90 Probanden mit positivem SARS-CoV-2-­Nachweis teil. Sie wurden randomisiert drei Gruppen zugeteilt und erhielten während elf Tagen dreimal täglich pro Nasenloch einen Sprühstoß Azelastin 0,02%, Azelastin 0,1% oder ein Placebo-Nasenspray. Während dieser Zeit wurden sieben Nasopharyngeal-Abstriche für eine quantitative PCR-Messung entnommen. Ferner wurden der Gesundheitszustand der Probanden kontinuierlich überprüft und die Symptome erfasst. An den Tagen 16 und 60 wurden zusätzliche Sicherheitskontrollen durchgeführt.

Abnahme der Viruslast nicht signifikant

In den Nasopharyngeal-Abstrichen der Studienpopulation wurde eine große Bandbreite an anfänglicher Viruslast beobachtet. Der Gesamtmedian der ermittelten Ct-Werte lag bei rund 24, was einer log10 von 6,6 Kopien pro ml oder rund vier Millionen Virus-Partikeln entspricht. Von den 90 Probanden hatten sich mindestens 54 mit der Alpha-Variante (B.1.1.7) infiziert. Die vorläufige Auswertung der Daten führte zu folgenden Aussagen:

  • Im Vergleich zur Placebo-Gruppe führte die Behandlung mit Azelastin zu allen sechs Messzeitpunkten zu einem stärkeren, aber nicht signi­fikanten Rückgang der mittleren Viruslast. Diese Tendenz war stabil und am Tag acht am stärksten ausgeprägt. Die Wirksamkeit – gemessen an der Reduktion der mittleren Viruslast im Vergleich zum Ausgangswert – war ab dem zweiten Tag nach Behandlungsbeginn in beiden Verum-Gruppen nachweisbar.
  • Eine Therapie mit Azelastin 0,1% reduzierte die Viruslast bei Probanden mit einer hohen anfänglichen Viruslast stärker als bei den Patienten mit einer anfänglich niedrigen Viruslast.
  • An Tag acht fielen in den beiden Verum-­Gruppen mehr PCR-Tests negativ aus als in der Placebo-Gruppe.
  • Was die Symptome anbelangt, so nahmen diese innerhalb der elftägigen Behandlung in allen Gruppen ab. Der Symptom-Score sank am stärksten in der 0,1%-Azelastin-Gruppe, gefolgt von der Placebo- und der 0,02%-Azelastin-Gruppe.
  • Die Probanden der Studie waren mehrheitlich mit der Alpha-Variante infiziert (diese dominierte zum Zeitpunkt der Rekrutierung). In der Zellkultur konnte zusätzlich gezeigt werden, dass Azelastin auch gegen den Wildtyp sowie gegen weitere Virus-Varianten wirksam ist, auch gegen die derzeit dominierende Omikron-Variante.
Dieser Artikel erschien in der DAZ 
Ausgabe 6 / 2022, S. 38

Die Autoren verweisen darauf, dass eine umfassendere deskriptive Ana­lyse in der Peer-Review-Publikation erscheinen soll. Wann das der Fall sein wird, ist nicht bekannt.

 

Literatur

Klussmann JP. et al. COVID-19: Azelastine nasal spray Reduces Virus-load In Nasal swabs (CARVIN). Early intervention with azelastine nasal sprays reduces viral load in SARS-CoV-2 infected patients. First report on a double-blind placebo-controlled phase II clinical trial. Research Square 2021. doi: 10.21203/rs.3.rs-864566/v1



Dr. Petra Jungmayr, Apothekerin
redaktion@daz.online


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