Innovationsfonds

Antibiotika-Projekt Arena soll in die Regelversorgung übergehen

Berlin - 17.02.2022, 16:45 Uhr

Mithilfe der Interventionen im Arena-Projekt ließ sich der Anteil der Antibiotikaverschreibungen für Patienten mit bestimmten Erkrankungen signifikant senken. (s / Foto: IMAGO / Westend61)

Mithilfe der Interventionen im Arena-Projekt ließ sich der Anteil der Antibiotikaverschreibungen für Patienten mit bestimmten Erkrankungen signifikant senken. (s / Foto: IMAGO / Westend61)


Der Innovationsausschuss beim G-BA spricht sich dafür aus, das Projekt Arena in die Regelversorgung zu überführen. Ziel war es zu erproben, wie Ärztinnen und Ärzte dabei unterstützt werden können, Antibiotika leitliniengerecht zu verordnen. An einem der drei Interventionsarme waren auch Apotheker:innen beteiligt.

Antibiotika-Resistenzen bereiten Fachleuten nach wie vor Sorge. Um das Entstehen von Resistenzen zu minimieren, sollten antibakteriell wirksame Mittel nur sehr gezielt zum Einsatz kommen. In dem vom Innovationsfonds mit rund 6 Millionen Euro geförderten Projekt Arena (Antibiotika-Resistenzentwicklung nachhaltig abwenden) hatten sich die Initiatoren daher das Ziel gesetzt, eine leitliniengerechte Verordnung von Antibiotika zu unterstützen.

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Das ist offenbar gelungen: Am gestrigen Mittwoch empfahl der Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), das Projekt in die Regelversorgung zu überführen. Er bittet die Verbände der Kranken- und Pflegekassen auf Bundesebene sowie die Kassenärztlichen Vereinigungen zu prüfen, ob die im Projekt erlangten Erkenntnisse zur Weiterentwicklung der Regelversorgung oder selektivvertraglicher Leistungen genutzt werden können. Beteiligt waren die AOK Bayern, die AOK Rheinland/Hamburg, der AOK-Bundesverband, die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns, die Agentur deutscher Arztnetze, das Aqua-Institut sowie mehr als 400 Arztpraxen aus 14 Arztnetzen in Bayern und Nordrhein-Westfalen.

Dreiarmiges Modell

Bei der dreiarmigen randomisierten Studie mit nicht randomisierter Kontrollgruppe wurden verschiedene Interventionen kombiniert und auf ihre Effekte hin untersucht. Im Interventionsarm 1 trainieren die Ärztinnen und Ärzte online eine adäquate Kommunikation mit Patientinnen und Patienten und tauschen sich in strukturierten ärztlichen Qualitätszirkeln aus. Zudem erhielten sie ein praxisindividuelles Feedback auf Basis von Verordnungsdaten und Hintergrundinformationen. Für die Patienten wurden in verschiedenen Sprachen Informationen und Empfehlungen zu häufigen Erkrankungen vorgehalten.

Im Interventionsarm 2 wurden zusätzlich zu den Aktivitäten des Interventionsarms I auch medizinische Fachangestellte (MFA) einbezogen. Sie erhielten ebenfalls eine Online-Schulung zur Patientenkommunikation und Praxisorganisation, datenbasiertes Feedback und nahmen an einem MFA-Qualitätszirkel teil. Zudem kamen Tablet-PCs zur Information der Patientinnen und Patienten in den Praxen zum Einsatz. Im Interventionsarm 3 wurde zusätzlich zu den Aktivitäten des Interventionsarms 1 in die Praxissoftware eine Entscheidungshilfe integriert, die der rationalen Verordnung von Antibiotika dient. Darüber hinaus erfolgte in diesem Arm eine interdisziplinäre, sektorenübergreifende Qualitätszirkelarbeit mit Ärztinnen und Ärzten, Pflegekräften, Apothekerinnen und Apothekern sowie anderen Berufsgruppen.

Ergebnisabhängige Vergütung für die Praxen

Die Praxen erhielten in allen Interventionsarmen eine ergebnisabhängige Vergütung: Für jeden Behandelten mit einer der Indexerkrankungen (akute Atemwegsinfektion, Bronchitis, Tonsillitis ohne Erregernachweis, Sinusitis und Mittelohrentzündung) wurden 5 Euro an die Praxis ausgeschüttet, wenn diese weniger als 20 Prozent der betreffenden Patientinnen und Patienten mit Antibiotika behandelt hatte. Um den Mehraufwand der Praxen und Netze für die Umsetzung der neuen Versorgungsform auszugleichen, wurde zudem eine temporäre Aufwand- und Vergütungstabelle mit Gebührenordnungspositionen (GOPen) und anderen Pauschalen, etwa für das Ausfüllen von Fragebögen und das Durchführen von Öffentlichkeitskampagnen, erarbeitet und eingeführt.

Antibiotika-Verbrauch in allen Interventionsarmen signifikant erniedrigt

„In allen drei Interventionsarmen zeigte sich eine signifikante Senkung der Antibiotika-Verschreibungsrate“, hält der Innovationsausschuss in seinem Beschluss vom 16. Februar fest. Konkret sank die Verordnungsrate im Prä- und Post-Interventions-Vergleich laut Ergebnisbericht im ersten Arm von 31,8 Prozent auf 20,1 Prozent, im zweiten Arm von 28,8 Prozent auf 18,9 Prozent und im dritten Arm von 36,3 Prozent auf 23,6 Prozent. Zudem war den Angaben zufolge in allen Arena-Interventionsarmen die Wahrscheinlichkeit einer Antibiotika-Verordnung bei Indexerkrankung geringer als in der Regelversorgung. „Es konnte jedoch kein signifikanter Unterschied in der Senkung der Verordnungsrate zwischen der Senkung der Verordnungsrate zwischen den Interventionsarmen festgestellt werden“, schreibt der Ausschuss. Entgegen der Erwartungen habe sich auch der Einsatz von Breitspektrum-Antibiotika nicht verringert.

Dennoch zieht der Innovationsausschuss ein positives Fazit: „Insgesamt zeigen die Projektergebnisse, dass insbesondere die Kombination der Interventionskomponenten Qualitätszirkel, datenbasierte Feedback-Berichte, E-Learning sowie eine ergebnisabhängige Vergütung für Ärztinnen und Ärzte, Öffentlichkeitskampagnen sowie zielgerichtete Patientinnen- und Patienteninformationen (Interventionsarm 1) das Potenzial aufweist, einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung des leitliniengerechten Einsatzes von Antibiotika in Deutschland zu leisten“, schreibt das Gremium.

Den Beschluss sowie die Ergebnis- und Evaluationsberichte finden Sie hier.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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