In den Nachbarländern der Ukraine

Nachfrage nach Iodtabletten und Lugolsche Lösung steigt

Stuttgart - 25.02.2022, 15:15 Uhr

Ruhe vor dem Sturm: Die verlassen Ruine des ehemaligen Kernkraftwerks in Tschernobyl vor wenigen Wochen. Am gestrigen Donnerstag wurde sie von russischen Truppen eingenommen. (x / Foto: IMAGO / ZUMA Wire)

Ruhe vor dem Sturm: Die verlassen Ruine des ehemaligen Kernkraftwerks in Tschernobyl vor wenigen Wochen. Am gestrigen Donnerstag wurde sie von russischen Truppen eingenommen. (x / Foto: IMAGO / ZUMA Wire)


Wie funktioniert eine Iodblockade?

Die Speicherung von radioaktivem Iod in der Schilddrüse kann effektiv verhindert werden, wenn kurz vor oder nach dessen Aufnahme eine größere Menge von stabilem (nicht radioaktivem) Iod in hohen Einzeldosen eingenommen wird (etwa das 100- bis 1.000-Fache der normalen täglichen Zufuhr mit der Nahrung, altersabhängig zwischen 12,5 mg und 100 mg Iod). Die hierdurch erzielbare „Iodblockade“ der Schilddrüse wird nach heutigen Erkenntnissen durch eine massive Erhöhung der Iod-Plasmaspiegel erreicht, die über einen noch nicht geklärten Mechanismus zu einem stark verminderten Transport des radioaktiven Iods über den NIS in die Schilddrüsenzelle führt. Das noch im Blutplasma zirkulierende, nicht in der Schilddrüse gespeicherte Iod wird über die Nieren rasch mit einer biologischen Halbwertszeit von einigen Stunden ausgeschieden. Damit nimmt die Wirksamkeit der Iodblockade rasch ab, was bei wiederholter oder länger anhaltender Freisetzung von radioaktivem Jod berücksichtigt werden muss.

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Iod-Tabletten für den Notfall

Wenn es – zum Beispiel in Folge eines Reaktorunfalls – zur Aufnahme sehr großer Mengen von radioaktivem Iod in die Schilddrüse kommt, kann die davon ausgehende Strahlung zum Absterben nennenswerter Gewebeanteile führen mit der Folge einer nach Wochen bis Monaten entstehenden Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose). Außerdem kann die Strahlung in den weiterlebenden Zellen Mutationen verursachen, die zu Schilddrüsenkarzinomen führen können. Ungeborene ab etwa dem dritten Schwangerschaftsmonat sowie Kinder und Jugendliche bis etwa zum 18. Lebensjahr sind besonders gefährdet. 

Ziel der Iodblockade ist somit in erster Linie die Verhinderung von strahleninduzierten Schilddrüsenkarzinomen bei Ungeborenen, Kindern und Jugendlichen der betroffenen Bevölkerung. Der Fokus liegt dabei auch auf Schwangeren und Stillenden, um über die Mutter das Ungeborene bzw. die Säuglinge zu schützen. Bei Personen, die während eines Notfalls oder unmittelbar danach in einer kerntechnischen Anlage tätig sind, kann eine Iodblockade auch zur Vermeidung einer Schilddrüsenunterfunktion dienen.

Die Strahlenschutzkommission (SSK) und die Welt­gesund­heits­organi­sation (WHO) empfehlen, nach kerntechnischen Unfällen Kaliumiodid zur Blockade der Schilddrüse einzunehmen. So könne das Risiko eines Schilddrüsenkarzinoms deutlich verringert werden. In Deutschland werden überwiegend Tabletten eingesetzt, in anderen Ländern, beispielsweise in Polen, kommt häufig die sogenannte Lugolsche Lösung zum Einsatz.

Auch in deutschen Apotheken könnte die Nachfrage nach der Lösung und Iodtabletten in den nächsten Tagen steigen. Wir haben unsere Rezepturexpertin, Dr. Annina Bergner, gefragt, wie die Lösung herzustellen ist.



Cornelia Neth, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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10 Kommentare

iod 131

von Fabienne am 04.03.2022 um 10:46 Uhr

Die Gefahr beiTschernobyl ist schon wieder überholt worden durch die aktuellen Geschehnisse beim AKW SAPORISCHSCHJA...

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Inhalt pro ml Lösung

von Chris am 27.02.2022 um 16:46 Uhr

Irgendwie stimmt doch die Inhaltsangabe der Lösung nicht.
Wenn doch 100ml Lösung 5g Iod und 10g Kaliumiodid enthält, kann doch 1ml Lösung nicht 50mg Kaliumiodid enthalten???
Dann sollte doch 1ml Lösung 50mg Iod und 100ml Kaliumiodid enthalten? Oder nicht?

Gruß

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AW: Inhalt pro ml Lösung

von Chris am 28.02.2022 um 11:59 Uhr

Hab mich verschrieben in meinem Kommentar.
Ich meine natürlich 100mg Kaliumiodid und nicht 100ml.

AW: Inhalt pro ml Lösung

von Annabelle am 03.03.2022 um 20:40 Uhr

Ja das sehe ich ähnlich. Verstehe auch nicht wie man es im Fall der Fälle dosieren sollte

Lugolsche Loesung

von Sylwia spaniel am 27.02.2022 um 10:51 Uhr

Die ganze Apothekerschaft Polens rät dringend davon ab, die Lugolsche Lösung einzunehmen (und auch zu verkaufen)! Erstens gibt es kaum Risiko seitens Czarnobyl, dass I131 erzeug wird. Zweitens ist die Lugolsche Lösung nicht zu inneren Anwendung gedacht! Drittens, es ist umstritten welche Nebenwirkungen die Einnahme von so großer Menge Jod verursachen kann…

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HWZ

von Helge Killinger am 26.02.2022 um 17:24 Uhr

Beim Einsatz von Kernwaffen entsteht, wenn überhaupt, nur marginal I131, da die meisten Kernwaffen nach dem Fusionsprinzip funktionieren.
Weiteres Nachlesen ergab, dass die erhöhten Strahlungswerte in Tschernobyl durch aufgewirbelten Staub verursacht wurden. Eine Kernspaltung im Block 4 mit I131 Entstehung kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.

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AW: Es gibt wieviele AKWs in Europa?

von HWZ am 27.02.2022 um 13:18 Uhr

Auch diese können potentielle Ziele eines Wahnsinnigen sein.

HWZ I131

von Helge Killinger am 25.02.2022 um 15:54 Uhr

Da Iod 131 eine HWZ von 8d hat und es nach dem Reaktorunfall 1986 zu keiner weiteren Kernspaltung von Uran in Tschrnobyl kommt, ist dann die Diskussion über eine Iodblockade der Schilddrüse überhaupt sinnvoll?

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AW: HWZ I131

von DAZ.online-Redaktion am 25.02.2022 um 16:54 Uhr

Sehr geehrter Herr Killinger,
vielen Dank für Ihren Kommentar - der Redaktion liegt lediglich die Information vor, dass in Polen die Nachfrage nach iodhaltigen Präparaten steigt. Diese Angst, die die Bevölkerung teilweise wohl dazu bewegt, lässt sich nicht immer rational erklären.
Freundliche Grüße
Ihr DAZ.online-Team

AW: HWZ I131

von HWZ am 26.02.2022 um 10:18 Uhr

Wer sagt denn, dass da Schluß ist? Wenn man sich das atomare Potential anschaut, kommt man schon gewaltig ins Grübeln.

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