Sorgen um Mitarbeiter, Exporte und klinische Studien

Der Krieg in der Ukraine und die Folgen für die Pharmaunternehmen

Düsseldorf - 01.03.2022, 07:00 Uhr

Neben dem britischen Unternehmen GlaxoSmithKline, engagieren sich die Schweizer Unternehmen Roche und Novartis sowie der französische Sanofi-Konzern und das japanische Pharma-Unternehmen Takeda in der Ukraine. (Foto: IMAGO / NurPhoto)

Neben dem britischen Unternehmen GlaxoSmithKline, engagieren sich die Schweizer Unternehmen Roche und Novartis sowie der französische Sanofi-Konzern und das japanische Pharma-Unternehmen Takeda in der Ukraine. (Foto: IMAGO / NurPhoto)


Vom Überfall Russlands auf die Ukraine sind auch einige deutsche Pharmaunternehmen zum Teil unmittelbar betroffen. Stada etwa engagiert sich seit 2019 in der Ukraine und bangt nun um seine Mitarbeiter. Auch einige kleinere Unternehmen setzen sich dort ein. Export, Energie- und Rohstoffpreise sind weitere Aspekte, die Sorgen bereiten – außerdem sind klinische Studien betroffen.

Erst Ende 2019 verkündete das deutsche Pharmaunternehmen Stada mit Sitz im hessischen Bad Vilbel recht stolz, dass sie sich mit einer der „größten Unternehmensinvestitionen der Firmengeschichte“ und „einer der größten Finanzinvestitionen in den ukrainischen Pharmasektor“ in der Ukraine engagieren. Die Pharmasparte des großen ukrainischen Unternehmens Biopharma mit über 300 Mitarbeitern und einer Produktionsstätte in der ukrainischen 200.000 Einwohner-Stadt Bila Tserkwa im Großraum der Hauptstadt Kiew gehört seitdem zu dem deutschen Unternehmen.

Nun bereitet der Überfall des russischen Machthabers Putin auf die Ukraine den Hessen entsprechend Sorgen. Man sei besorgt um seine insgesamt rund 440 Mitarbeiter in der Ukraine, teilte das Unternehmen am Freitag (25. Februar 2022) mit. Man tue alles, was möglich sei, um seine Teams in der Region zu unterstützen und zu schützen, hieß es aus der Unternehmenszentrale.

Mehrere große Pharmaunternehmen engagieren sich in der Ukraine. So besitzt der US-Konzern AbbVie seit 2013 eine Niederlassung in der Ukraine, ebenso wie Merck, Sharpe & Dohme, die Briten GlaxoSmithKline, die Schweizer Unternehmen Roche und Novartis sowie der französische Sanofi-Konzern und das japanische Pharma-Unternehmen Takeda.

Notfallpläne im Vorfeld geschmiedet

Viele Unternehmen hatten bereits seit einiger Zeit Notfallpläne geschmiedet. So erklärte etwa das Unternehmen Novartis gegenüber dem Schweizer Newsportal nau.ch, man habe Maßnahmen zum Schutz der Mitarbeiter ergriffen und außerdem „Business-Continuity-Pläne“ aufgestellt. „Robuste Pläne“ habe man auch bei Roche, erklärten dessen Sprecher gegenüber Telebasel.

Von den anderen Unternehmen gab es zum Teil bereits vor der russischen Invasion ähnliche Statements.

Auch kleinere deutsche Pharma-Unternehmen sind in der Ukraine engagiert. So äußerte sich etwa der Geschäftsführer des mittelständischen Pharma-Unternehmens Krewel Meuselbach mit Hauptsitz im nordrhein-westfälischen Eitorf gegenüber der Rhein-Sieg Rundschau. An Arbeiten sei in der Niederlassung in Lwiw aktuell nicht zu denken, sagte Geschäftsführer Thomas Quadt dort, man wisse aber immerhin, dass die Mitarbeiter wohlauf seien.

Sorgen um Export und Energiekosten

Auf der anderen Seite sorgen sich viele der mittelständischen deutschen Pharmaunternehmen um den Export in die Ukraine – und nach Russland, auch wenn Arzneimittel in der Regel nach dem internationalen Handelsrecht von Sanktionen ausgeschlossen seien. Entsprechend äußerte sich etwa Wörwag Pharma mit Sitz im baden-württembergischen Böblingen gegenüber der Welt. Stada etwa beziffert sein Russlandgeschäft mit 15 Prozent des Gesamtumsatzes, das Ukraine-Geschäft mit 2 Prozent.

Deutschland ist für die Ukraine vor Indien das Land, aus dem die meisten Arzneimittel importiert werden. Im Jahr 2019 belief sich der Wert der aus Deutschland in die Ukraine importierten Arzneimittel laut Germany Trade & Invest (Die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland für Außenwirtschaft und Standortmarketing) auf rund 389,8 Millionen US-Dollar. Vor der Invasion lag der ukrainische Apothekenmarkt laut dem Portal auf einem deutlichen Wachstumskurs.

Im Export spielten die ukrainischen Pharmaunternehmen dagegen bislang für Deutschland oder die EU noch keine große Rolle. Man wartet noch auf die Anerkennung von GMP-Zertifikaten durch die EU.

Indirekte Folgen der Invasion und der Sanktionen gegen Russland allerdings befürchten Vertreter der deutschen Unternehmens-Verbände besonders durch die steigenden Kosten für Energie und Rohstoffe.

Klinische Studien in Gefahr

Eine ganz andere Folge fasste jetzt das Branchenportale Fierce Biotech zusammen. Denn viele der großen Pharma-Unternehmen betreiben Standorte in der Ukraine, an denen klinische Studien durchgeführt werden. So seien durch den russischen Überfall auf die Ukraine über 200 klinische Studien, darunter viele Phase-3-Studien, betroffen, schreibt das Portal. In der Ukraine beteiligten sich rund 2.500 medizinische Einrichtungen jährlich an rund 500 Studien. Aktuell würden laut der Datenbank der FDA rund 251 Wirkstoffe und medizinische Geräte in Studien erprobt. Darunter sind etwa Wirkstoffe gegen Schizophrenie oder Endometriumkarzinom.



Volker Budinger, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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