Teil 2 des Erfahrungsberichts von Apotheker Ralf König

Das E-Rezept im Praxistest – wo liegen die Tücken?

Berlin - 15.03.2022, 17:50 Uhr

Wie läuft es mit dem E-Rezept in den testenden Apotheken und Praxen? (Foto: pressmaster / AdobeStock)

Wie läuft es mit dem E-Rezept in den testenden Apotheken und Praxen? (Foto: pressmaster / AdobeStock)


Ralf König hat bereits einige E-Rezept-Erfahrungen gesammelt. Im Gespräch mit der DAZ zieht der Apotheker, der seinerzeit den ehemaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens beraten hat, eine erste Bilanz. Nachdem es im ersten Teil vor allem um das gegangen ist, was gut läuft, nimmt der zweite Teil des Berichts den Verbesserungsbedarf in den Fokus.

Ralf König, Apotheker aus Nürnberg, hat im Hausarzt Dr. Nicolas Kahl  einen engagierten Arzt gefunden, mit dem er gemeinsam das E-Rezept testet. Was gut läuft – und das ist aus Königs Sicht schon einiges –, konnten Sie bereits in Teil 1 des Erfahrungsberichts lesen. Nun erklärt der Pharmazeut, der in der vergangenen Legislaturperiode noch Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn beraten hat, im Gespräch mit der DAZ, wo es noch hakt. 

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Teil 1: Schon mehr als 60 elektronische Verordnungen beliefert

Das E-Rezept im Praxistest – Apotheker Ralf König berichtet

In der Apotheke wie auch in den Arztpraxen steht und fällt der Nutzen, den die elektronischen Verordnungen mit sich bringen können, mit der Qualität der Umsetzung im jeweiligen Softwaresystem. Damit die Abläufe reibungslos vonstattengehen können, ist es aus Königs Sicht unausweichlich, dass so viele Arzt- und Apothekensoftware-Paare wie möglich im Zusammenspiel erprobt werden. 

Die kleinen Tücken im Alltag …

Mit medatixx und Pharmatechnik laufe die Zusammenarbeit beim E-Rezept sehr gut, berichtet König. Natürlich habe es anfangs kleinere Probleme gegeben. „Wir haben zum Beispiel beim Eingang eines E-Rezepts über die Gematik-App zunächst nicht gesehen, wenn der Kunde den Botendienst ausgewählt hat.“ Diesbezüglich habe Pharmatechnik aber umgehend reagiert und binnen weniger Tage nachgebessert. Kahl wiederum habe in den zur Signatur vorbereiteten Rezepten die Packungsgrößen nicht sehen können. Doch auch dieser Fehler sei rasch behoben worden.

… und die größeren Baustellen

In der Testphase fallen König zufolge aber auch grundsätzliche Schwierigkeiten auf. Nach seinem Kenntnisstand haben zum Beispiel viele Apotheken Probleme mit Freitext-Verordnungen, wie sie etwa bei Rezepturen vorkommen können. „Es ist gut, dass so etwas jetzt auffällt, bevor das E-Rezept in die Fläche geht“, meint der Apotheker.

Ein Knackpunkt könnte demnach auch werden, dass in der Vereinbarung zwischen dem Deutschen Apothekerverband (DAV) und dem GKV-Spitzenverband die Angabe der Chargenbezeichnung des abgegebenen Arzneimittels gefordert wird. Diese werde zwar im Normallfall über das Securpharm-System automatisch eingespeist. Technisch sei es aber durchaus möglich, ein E-Rezept in die Abrechnung zu geben, bei dem diese Angabe fehlt, denn in der Gematik-Spezifikation ist sie optional. „An dieser Stelle wird tatsächlich ein neuer Retax-Grund geschaffen“, moniert König. Insbesondere Zytostatika-herstellenden und verblisternden Apotheken könnte das noch auf die Füße fallen.

Was das BMG nicht bedacht hat

Darüber hinaus bemängelt der Apotheker, dass das Bundesministerium für Gesundheit das Potenzial des Kommunikationsdienstes KIM für die Apotheken offenbar nicht erkannt habe. Im Gegensatz zu den Ärzten gebe es für die Apotheken keine Förderung – daher hätten es die Apothekensoftwareanbieter bisher auch nicht umgesetzt. Wenn nun ein Arzt ein Rezept direkt an eine Apotheke schicke, was etwa bei der Heimversorgung eine Rolle spielt, könne die Apotheke dieses nicht einfach in die Warenwirtschaft übernehmen. Es sei nötig, zuerst den Token aus der KIM-E-Mail entweder vom Bildschirm abzuscannen oder auszudrucken. „Wenn ich mir überlege, wie viele Rezepte aktuell zwischen Praxen und Apotheken hin- und hergefaxt werden, lässt man da eine große Chance aus“, sagt König. Dennoch: Selbst wenn man das Abscannen vom Bildschirm mit einrechnet, sei die Zeitersparnis im Vergleich zur Belieferung eines Muster-16-Rezepts noch deutlich spürbar.

 

Apotheker Ralf König  

Skeptisch sieht König die jüngsten Äußerungen des Bundesgesundheitsministers. Karl Lauterbach (SPD) hatte kürzlich im Videointerview mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung deutlich gemacht, dass die Einführung des E-Rezepts für ihn eher zweitrangig ist. Zunächst wolle er Anwendungen in die Fläche bringen, die einen spürbaren Nutzen für Patienten und Ärzte brächten, etwa die elektronische Patientenakte (ePA). „Hier verkennt der Minister, dass wir mit dem E-Rezept erstmals die Möglichkeit bekommen, direkt auf die Dispensierdatensätze zugreifen können, die in der ePA hinterlegt werden sollen.“ Wie wertvoll eine strukturierte und vollständige Übersicht über die Medikation eines Patienten ist, erschließt sich wohl jedem Apotheker von selbst.

Das E-Rezept zum Testen

Ärzten ermöglicht die Gematik bereits den E-Rezept-Test in der Praxis. Sie können eine elektronische Verordnung anlegen und Signaturen erstellen, ohne einen sozialversicherungsrechtlich relevanten Fall anzulegen. Es wird dabei kein richtiges Arzneimittel verordnet, es gibt nur eine Freitextverordnung – hier trägt der ausstellende Arzt das Wort „Test“ ein. Die Verordnung wird mit dem elektronischen Heilberufsausweis und zugehöriger PIN autorisiert. Anschließend kann das Test-E-Rezept ausgedruckt werden.

Sofern der Test gemeinsam mit einer Apotheke durchgeführt wird, kann das Rezept auch noch zur Apotheke gebracht werden. Dort kann das E-Rezept ins Warenwirtschaftssystem eingelesen werden. Dabei kann die Apotheke die digitale Signatur erkennen und den fiktiven Patientennamen. Die Gematik verweist darauf, dass das Test-E-Rezept allerdings nicht durch die Apotheke beliefert oder abgerechnet werden darf. Stattdessen gibt die Apotheke das Rezept wieder frei oder löscht es. Die Gematik setzt auf ein Erfolgsgefühl am Ende des Testprozesses: „Wenn die Apotheke das Test-E-Rezept einlesen konnte, zeigt dies: Die Apotheke ist auf das E-Rezept vorbereitet!“ (ks)

Eine Kurzinformation der Gematik zum Test-E-Rezept finden Sie hier.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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