Gendermedizin kommt bei Corona zu kurz

Warum COVID-19 bei Männern und Frauen unterschiedlich verläuft

Stuttgart - 16.03.2022, 09:15 Uhr

Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Medizin zeigen sich auch deutlich bei COVID-19-Erkrankungen und den Corona-Impfungen. (Foto: Production Perig / AdobeStock)

Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Medizin zeigen sich auch deutlich bei COVID-19-Erkrankungen und den Corona-Impfungen. (Foto: Production Perig / AdobeStock)


Geschlechtsspezifische Unterschiede spielen auch bei COVID-19 und den Impfungen eine Rolle: Männer erkranken häufiger schwer und sterben, Frauen infizieren sich tendenziell öfter. Woran liegt das? Und wie berücksichtigt die Forschung dies – auch bei Corona-Impfstoffen?

„Gendermedizin (international Gender Medicine oder Gender-Specific Medicine; von englisch gender „[soziales] Geschlecht“), geschlechtsspezifische Medizin oder geschlechtersensible Medizin bezeichnet eine Form der Humanmedizin unter besonderer Beachtung der biologischen Unterschiede von Männern und Frauen“, erklärt Wikipedia den Begriff „Gendermedizin“. Als Teil der personalisierten Medizin konzentriert sich die Forschung im Bereich der Gendermedizin damit auf geschlechtsspezifische Unterschiede bei Krankheiten und deren Behandlung.

Geschlechtsspezifische Unterschiede bei Depressionen und Herzinfarkt

Dass es Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt, weiß die Medizin bereits seit geraumer Zeit: Frauen erkranken häufiger an Autoimmunerkrankungen, Depressionen äußern sich vor allem durch Traurigkeit und Niedergeschlagenheit, Herzinfarkte nicht selten durch Übelkeit. Bei Männern hingegen kündigt sich ein Herzinfarkt eher durch Brustschmerzen an, Depressionen können sich als Aggressionen bemerkbar machen oder in Suchterkrankungen, wie Alkoholabhängigkeit, enden.

Männer sterben doppelt so häufig wie Frauen an COVID-19

Selbst Corona macht vor geschlechtsspezifischen Unterschieden in der Medizin keinen Halt: Frauen erkranken tendenziell häufiger an COVID-19 als Männer – laut Statista (Stand: 2. Februar 2022) sind es 51 Prozent Frauen und 49 Prozent Männer. Das Robert Koch-Institut (RKI) spricht hingegen nicht von Unterschieden, sondern erklärt: „Frauen und Männer sind von einer SARS-CoV-2-Infektion etwa gleich häufig betroffen“. Wo es allerdings Unterschiede gibt, sind Erkrankungsschwere und Todesfälle: Männer erkranken häufiger schwer und sterben Daten einer Metaanalyse, veröffentlicht bereits 2020 im „International Journal for Infectious Diseases“ („Does gender influence clinical expression and disease outcomes in COVID-19? A systematic review and meta-analysis“), zufolge doppelt so häufig wie Frauen an COVID-19.

Gen für ACE2 liegt auf dem X-Chromosom

Woran liegt das? Erkranken Frauen häufiger, da sie dem Virus vielleicht stärker ausgesetzt sind? Sie arbeiten seltener in Berufen, die Home-Office ermöglichen und fahren häufiger mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Zudem können einer Mitteilung des Klinikums Darmstadt auch „molekularbiologische Gründe“ eine Rolle spielen, denn: Das Gen, das für ACE2 – die Eintrittspforte von SARS-CoV-2 in die menschliche Zelle – codiert, liegt auf dem X-Chromosom. Frauen verfügen über zwei X-Chromosomen (XX), während bei Männern neben dem X-Chromosom auch ein Y-Chromosom (XY) vorliegt. Frauen hätten damit „mehr Eintrittspforten“, die es dem Virus leichter machten, in die Zellen einzutreten, liest man beim Klinikum Darmstadt.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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