Krieg in der Ukraine

Hilfsbereitschaft der Apotheker ungebrochen – ABDA fordert klare Versorgungsregeln

Berlin - 25.03.2022, 13:45 Uhr

Etwa jede zweite Apotheke in der Ukraine hat Schätzungen zufolge geschlossen. (s / Foto: IMAGO / ZUMA Wire)

Etwa jede zweite Apotheke in der Ukraine hat Schätzungen zufolge geschlossen. (s / Foto: IMAGO / ZUMA Wire)


Der Krieg in der Ukraine erschüttert die Menschen weltweit. Wie groß die Hilfsbereitschaft der Apotheker:innen hierzulande ist, belegen jetzt Zahlen des Hilfswerks der Baden-Württembergischen Apothekerinnen und Apotheker: Demnach haben die Kolleginnen und Kollegen bereits eine Viertelmillion Euro gespendet. Die ABDA fordert derweil klare Regeln für die Versorgung jener Menschen, die in Deutschland Zuflucht suchen.

Das Gesundheitswesen in der Ukraine ist laut der Weltgesundheitsorganisation WHO seit dem russischen Einmarsch 64 bestätigten Angriffen ausgesetzt gewesen. Das bedeute zwei bis drei Angriffe pro Tag, teilte die WHO Europa am gestrigen Donnerstag mit. Insgesamt seien bei diesen Attacken 15 Menschen getötet und 37 verletzt worden.

Nach knapp einem Monat Ukraine-Krieg wies das in Kopenhagen ansässige Europa-Büro der WHO auf die verheerenden Folgen des Konflikts für das ukrainische Gesundheitssystem hin. Der Zugang zu Gesundheitsdiensten sei durch den Krieg stark eingeschränkt worden, der Bedarf an Behandlungen von Traumata und chronischen Erkrankungen groß. Zerstörte Gesundheitsinfrastruktur und unterbrochene medizinische Versorgungsketten stellten eine ernsthafte Bedrohung für Millionen Menschen dar. Es werde angenommen, dass etwa jede zweite Apotheke in der Ukraine geschlossen sei.

„Angriffe auf das Gesundheitswesen sind eine Verletzung des humanitären Völkerrechts, aber eine verstörend geläufige Kriegstaktik – sie zerstören entscheidende Infrastruktur, aber schlimmer noch, sie zerstören Hoffnung“, erklärte Jarno Habicht, der WHO-Vertreter in der Ukraine. Ohnehin schon gefährdeten Menschen werde so die Versorgung entzogen, die oft den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmache.

Das Schicksal sowohl der Vertriebenen als auch der Menschen, die noch immer in der Ukraine ausharren, lässt auch die Apothekerschaft in Deutschland nicht kalt: Das Hilfswerk der Baden-Württembergischen Apothekerinnen und Apotheker konnte nach eigenen Angaben erneut eine Spende in Höhe von 125.000 Euro an das Medikamentenhilfswerk action medeor überweisen – damit wurde laut einer Pressemitteilung des standeseigenen Hilfswerks die einmalige Spendensumme von einer Viertelmillion Euro erreicht. In den zurückliegenden Wochen seien bereits 140.000 Euro gespendet worden.

„Die ungebrochene Hilfsbereitschaft der Apotheker:innen überwältigt mich und zeigt, wie groß hier die Bereitschaft ist, für Menschen in Not einzustehen“, erklärt Tatjana Zambo, Präsidentin des Landesapothekerverbands und Vorsitzende des Hilfswerks. „Wir können uns alle nicht vorstellen, was die Menschen in der Ukraine und diejenigen auf der Flucht gerade durchmachen müssen. Aber wir wissen, wie wichtig medizinische Versorgung in den Kriegsgebieten ist und wie lebensnotwendig Medikamente für viele Menschen dort sind. Durch unsere Kooperation mit action medeor können wir sicherstellen, dass medizinische Hilfe die Ukrainer:innen erreicht.“

Hier können Sie spenden

Hilfswerk der Baden-Württembergischen

Apothekerinnen und Apotheker e. V.

IBAN  DE51 3006 0601 0006 4141 41

BIC: DAAEDEDD

Verwendungszweck: UKRAINE

Insgesamt sechs Hilfstransporte hat action medeor demnach inzwischen in die Ukraine geschickt, wöchentlich sollen zwei weitere folgen. Inzwischen wurde in Ternopil ein Umschlagplatz für medizinische Hilfsgüter errichtet, von dem aus weitere Krankenhäuser in Kiew, in Mariupol und in der Ostukraine versorgt werden. „Diese wichtige Nothilfe kann nur geleistet werden, weil wir so viele großzügige Unterstützer:innen haben“, betont Zambo. „Ihnen allen bin ich aus vollem Herzen dankbar. Gleichzeitig möchte ich sagen, dass wir genauso weitermachen müssen, denn die Kriegsopfer und Flüchtlinge werden noch auf längere Zeit hinaus auf unsere Hilfe angewiesen bleiben.“ Aus diesem Grund bleibe das Spendenkonto bei der Apobank weiterhin geöffnet.

ABDA: Apotheken brauchen klare rechtliche Rahmenbedingungen

Fast sieben Millionen Menschen sind nach WHO-Angaben innerhalb der Ukraine vertrieben worden. Die Zahl derjenigen, die in Nachbarländer geflüchtet seien, nähere sich schnell der Vier-Millionen-Marke. Für die Hilfesuchenden, die nach Deutschland kommen, fordert jetzt die ABDA klare Regeln, was die gesundheitliche Versorgung betrifft. „Deutschlands Apotheken brauchen in allen Bundesländern klare rechtliche Rahmenbedingungen, um die geflüchteten Kinder, Frauen und Männer aus der Ukraine schnell und effizient mit lebensnotwendigen Arzneimitteln versorgen zu können“, mahnt die Standesvertretung in einer Pressemitteilung vom heutigen Freitag. „Da keine bundeseinheitliche Regelung für alle Menschen vor und nach ihrer Registrierung für Leistungen gemäß Asylbewerberleistungsgesetz vorliegt, müssen die Landesregierungen und deren beauftragte Behörden dringend eigene Verfahren zur Kostenträgerschaft und Rezeptabrechnung bei verordneten Medikamenten etablieren. In denjenigen Ländern und Kommunen, wo viele Geflüchtete ankommen, die zunächst noch nicht registriert sind, ist eine sichere Versorgungsstruktur besonders wichtig.“

Der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands, Thomas Dittrich, kommentiert: „Die vor dem schrecklichen Krieg in der Ukraine geflüchteten Menschen brauchen nicht nur unser Mitgefühl, sie brauchen Hilfe und müssen vor allem vernünftig betreut werden. Die Apotheken stehen auch hier mit großem Engagement für eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung bereit“, sagt der DAV-Chef. „Bund, Länder und Kommunen müssen allerdings dringend zwei Probleme lösen. Für Menschen, die noch nicht registriert sind, sollte überall ein Kostenträger benannt werden, bei dem die Apotheke später das Rezept einreichen kann, wenn sie zunächst in Vorleistung gegangen ist. Für schon registrierte Geflüchtete sollten überall Verträge mit klaren Regelungen geschlossen werden, damit die Rezeptabrechnung möglichst unbürokratisch und effizient erfolgen kann.“

Wie werden Geflüchtete hierzulande versorgt?

Die Rechtslage in Deutschland sieht laut ABDA für die Arzneimittelversorgung von Geflüchteten aus der Ukraine drei Phasen vor: erstens die medizinische Versorgung vor ihrer Registrierung, zweitens nach ihrer Registrierung, drittens nach 18 Monaten Aufenthalt in Deutschland. Bevor ein Geflüchteter registriert ist, übernimmt grundsätzlich kein Kostenträger die medizinische Versorgung, wobei es landesspezifische Ausnahmeregelungen geben kann. Nach der Registrierung bekommen Geflüchtete in den meisten Bundesländern normale Rezepte vom Arzt. Kostenträger kann je nach Bundesland eine Behörde wie das Sozialamt, eine Aufnahmeeinrichtung oder eine Krankenkasse sein. Nach 18 Monaten Aufenthalt in Deutschland sind Geflüchtete ganz normal gesetzlich krankenversichert, sodass die Verordnung von Medikamenten ebenfalls per Rezept erfolgt.



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