Kammerversammlung Niedersachsen

„Schneewittchens Apfel“ – Burs warnt vor Lieferdiensten

Berlin - 31.03.2022, 13:45 Uhr

Niedersachsens Kammerpräsidentin Cathrin Burs warnt die Apotheken, sich auf Lieferdienste wie Mayd einzulassen. (Screenshot: www.broitzemer-apotheke.de)

Niedersachsens Kammerpräsidentin Cathrin Burs warnt die Apotheken, sich auf Lieferdienste wie Mayd einzulassen. (Screenshot: www.broitzemer-apotheke.de)


Finger weg von Lieferdiensten wie Mayd und Co.: Die Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen, Cathrin Burs, rief am gestrigen Mittwoch die Kolleginnen und Kollegen auf, sich nicht auf solche vermeintlichen Lösungen für die sogenannte letzte Meile einzulassen. „Das ist eine ganz gefährliche Geschichte, die wirklich aus dem Ruder laufen kann.“

Im Gesundheitswesen wird kein Stein auf dem anderen bleiben. Davon ist Cathrin Burs, Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen, überzeugt. Auch der Apothekensektor stehe vor grundlegenden Umwälzungen, betonte sie gestern bei der Versammlung der Apothekerkammer Niedersachsen. Wie sie im Gespräch mit der DAZ berichtet, habe sie den Delegierten eine wichtige Botschaft mitgeben wollen: „Wir müssen diese Steine nehmen und gemeinsam etwas aufbauen.“

Insbesondere vor der Digitalisierung dürfe sich die Apothekerschaft nicht fürchten. Künstliche Intelligenz werde zum Beispiel von vielen freien Heilberuflern als Bedrohung wahrgenommen – völlig zu Unrecht, meint Burs. „Das sind Instrumente, die uns in unserer Arbeit am und mit dem Patienten nicht ersetzen können“, sagt sie. „Das erfahren wir doch täglich im Handverkauf.“

Auch wenn die Menschen oftmals vorinformiert seien, komme es dennoch auf die persönliche Beratung in der Offizin an. Denn Studien zeigten, dass es etwa der Hälfte der Bevölkerung an Gesundheitskompetenz mangele, also an der Fähigkeit, relevante Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und im Alltag anzuwenden. Hier könne die Apotheke eine wichtige Rolle einnehmen und die Patienten unterstützen.

Politische Unterstützung bei pharmazeutischen Dienstleistungen

Insbesondere mit Blick auf die pharmazeutischen Dienstleistungen sieht die Präsidentin diesbezüglich Potenzial. Doch deren Einführung stockt: Aktuell berät die Schiedsstelle, wie es damit weitergehen soll, denn der GKV-Spitzenverband und der Deutsche Apothekerverband (DAV) finden keinen gemeinsamen Nenner. „Hier muss die Politik uns den Rücken stärken“, fordert Burs.

Dass solche Dienstleistungen politisch gewollt sind, leitet sie unter anderem daraus ab, dass im Koalitionsvertrag der Ampel-Partner ein Aufstocken des jährlichen Budgets von derzeit 150 Millionen Euro angelegt sei. An den Apotheken werde es jedenfalls nicht scheitern. „Wir können liefern“, ist die Kammerchefin überzeugt. „Wir machen das. Aber wir müssen auch die Chance dazu bekommen.“ Es gelte nun, das Schiedsverfahren endlich zum Abschluss zu bringen und die pharmazeutischen Dienstleistungen für die Patienten erlebbar zu machen. Auf die Loyalität, Kreativität und Zuverlässigkeit der Apotheken habe der Staat nicht zuletzt in Corona-Zeiten stets bauen können – jetzt sei die Ampel am Zug, die Apotheken in diesem Anliegen zu unterstützen.

Lauterbachs Spargesetz verhindern

Aus Berlin kommen allerdings aktuell keine günstigen Signale an die Apotheken: Das nicht abgestimmte und offenbar bereits kassierte Papier aus dem Bundesministerium für Gesundheit, in dem ein temporär erhöhter Kassenabschlag von 2 Euro sowie eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel angelegt ist, liegt dem Berufsstand schwer im Magen. „Da müssen wir sehr wachsam sein“, warnt Burs. Denn die Ideen geisterten offenbar durchs Ministerium. „Wir müssen jetzt auf allen Ebenen aktiv werden, um das zu verhindern.“

Sie selbst habe bereits mit der Niedersächsischen Landesgesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) über den Vorstoß ihres Parteigenossen Lauterbach gesprochen und sie für die wirtschaftliche Situation der Apotheken sensibilisiert. Wichtig sei es auch, die Umsatzsteigerung der Apotheken aus dem vergangenen Jahr richtig einzuordnen: Denn diese resultiere vor allem aus Leistungen, die die Apotheken fernab ihres Kerngeschäfts übernommen haben, wie etwa das Verteilen von Schutzmasken und das Ausstellen von Impfzertifikaten. „Dafür sollten wir uns nicht verlegen wegducken“, unterstreicht Burs. „Wir haben logistische Meisterleistungen erbracht, unsere Teams haben alles gegeben bis hin zur völligen Erschöpfung. Das Geld haben wir verdient.“

Lieferdienste auf dem Vormarsch

Von diesem Kuchen würden auch andere gern naschen: Start-ups, die mit Lieferdiensten à la Lieferando die sogenannte letzte Meile bis zum Kunden nach Hause überbrücken wollen, drängen derzeit zuhauf auf den Markt. Ihr Versprechen: Innerhalb von 30 Minuten nach der Bestellung soll der Patient sein Medikament an der Haustür in Empfang nehmen können – allerdings bevorzugt in Metropolregionen, in denen die Apothekendichte ohnehin vergleichsweise hoch ist.

Burs warnte die Kolleginnen und Kollegen eindringlich davor, sich auf solche Dienstleister als Partner einzulassen. „Es waren nicht deren Rider, die in der Krise die Menschen an der Nordseeküste und im Harz versorgt haben“, betont sie. „Das waren wir.“ Für Mayd und Co. stehe nicht die Gesundheitsversorgung der Menschen hierzulande im Vordergrund, sondern lediglich der Profit – zulasten der Apotheken. „Das ist eine ganz gefährliche Geschichte, die wirklich aus dem Ruder laufen kann.“ Die Präsidentin verglich das Angebot dieser Unternehmen an die Apotheken mit „Schneewittchens Apfel: Wirkt zunächst verlockend, bringt aber am Ende nur Unheil.“

Die ABDA prüfe die Geschäftsmodelle der Anbieter bereits sehr genau – doch damit allein sei es nicht getan. „Wenn Ihnen so ein Vertrag vorgelegt wird, denken Sie bitte gut darüber nach, was Sie da unterschreiben“, warnt Burs. „Wenn der Patient von einem Lieferdienst sein Arzneimittel bekommt und vorher im Callcenter beraten wurde, geben wir damit unsere Identität auf.“ Sie erinnert daran, dass das Konzept der Lieferdienste nur funktionieren könne, wenn sich Apotheken finden, die mitmachen. „Wir haben es selbst in der Hand.“



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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