Durchbruchinfektionen nach Impfung

Immunsystem profitiert breit von Omikron

Stuttgart - 11.04.2022, 10:45 Uhr

Eine Durchbruchinfektion bei doppelt geimpften Personen sorgt für eine stärkere neutralisierende Antikörperreaktion als eine dritte Impfstoffdosis. (s / Foto: Naeblys / AdobeStock)

Eine Durchbruchinfektion bei doppelt geimpften Personen sorgt für eine stärkere neutralisierende Antikörperreaktion als eine dritte Impfstoffdosis. (s / Foto: Naeblys / AdobeStock)


Omikron-Durchbruchinfektion induziert Antikörper gegen SARS-CoV-1

Interessant ist auch die Beobachtung, dass Geimpfte (ohne Omikron-Infektion) keine oder nur geringe neutralisierende Antikörper gegen SARS-CoV-1 – ein Coronavirus, das für die SARS-Pandemie 2002/2003 verantwortlich zeichnete und sich von SARS-CoV-2 genetisch stärker unterscheidet als die einzelnen Varianten von SARS-CoV-2 – aufweisen. Hingegen zeigten Geimpfte (zweifach, mehr noch dreifach) mit zusätzlicher Omikron-Infektion „robuste“ neutralisierende Antikörper auch gegen SARS-CoV-1.

Omikron-Infektion verstärkt langlebige B-Gedächtniszellen

Im nächsten Schritt wollten die Wissenschaftler mehr darüber erfahren, wie sich eine Durchbruchinfektion auf die B-Gedächtniszellen auswirkt, die bei erneutem Viruskontakt für eine rasche Antikörperproduktion sorgen. Erwartungsgemäß sind B-Gedächtniszellen kurz nach Impfung erstmal wenig vorhanden (anders als Antikörper) und erhöhen sich dann über die Zeit: Fünf Monate nach der zweiten Impfdosis erreichten die B-Gedächtniszellen Konzentrationen, die ähnlich hoch waren wie direkt nach einer dritten Impfdosis. Auch in diesem Teil der Immunabwehr wirkte sich eine zusätzliche Omikron-Infektion jedoch günstig aus: Sowohl zwei- wie auch dreifach Geimpfte, die sich zusätzlich mit der Omikron-Variante angesteckt hatten, verfügten über mehr langlebige B-Gedächtniszellen als Personen, die nur dreimal geimpft worden waren.

Omikron stimuliert B-Gedächtniszellen gegen die Schlüsseldomäne von SARS-CoV-2

Dabei fanden die Wissenschaftler zudem heraus, dass die langlebigen B-Gedächtniszellen bei Omikron-naiven Geimpften eher das Spikeprotein von Omikron BA.1 erkennen und bei bereits mit Omikron infiziert gewesenen Personen stärker die Rezeptorbindedomäne. Das deute darauf hin, dass eine Omikron-Durchbruchinfektion die Erkennung der Rezeptorbindedomäne verbessert, schlussfolgern die Wissenschaftler. Zur Erklärung: Nicht alle Strukturen am Spikeprotein von SARS-CoV-2 sind wichtig, damit das Virus in die menschliche Zelle gelangen kann, dafür sind nur bestimmte Strukturen – die an den Rezeptor auf der menschlichen Zelle (ACE2) binden können (Rezeptorbindedomäne) – erforderlich.

Erhöhte breite Immunität gegen viele Corona-Varianten

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine Omikron-Durchbruchsinfektion bei geimpften Personen nicht nur die neutralisierende Aktivität und die langlebigen B-Gedächtniszellen gegen Omikron steigert, sondern auch die Immunität gegen verschiedene besorgniserregende Varianten allgemein verstärkt“, erklären die Wissenschaftler. Sie haben auch Erklärungen dafür, wie diese „breite Immunität“ erreicht wird, beziehungsweise, warum Omikron das Immunsystem anders boostert als die Impfung.

Plastizität des Immunsystems bleibt erhalten

So könne eine Impfung gegen das Spikeprotein des Wuhan-Stammes nur bestimmte B-Gedächtniszellen geprägt haben und dadurch die Bildung neuer B-Zell-Antworten gegen Omikron verhindern, überlegen sie. Eine Durchbruchinfektion mit Omikron erweitere sodann bei doppelt geimpften Personen den bereits bestehenden Pool an B-Gedächtniszellen, und zwar ähnlich, wie eine dritte Impfdosis – wobei sich die Immunantworten nach Durchbruchinfektion und dritter Impfung unterschieden. Dennoch bleibt die Fähigkeit des Immunsystems erhalten, trotz Prägung durch eine Impfung, auf neue Varianten angemessen zu reagieren.

Schlechte Neutralisierung von Omikron – verlängerter Antigenkontakt?

Eine zusätzliche Omikron-Infektion erhöhe zudem „ausgeprägt“ die neutralisierenden Antikörpertiter sowohl gegen Omikron als auch gegen alte und neue SARS-CoV-2-Varianten, vor allem bei doppelt geimpften Personen. Dass eine Durchbruchinfektion bei doppelt geimpften Personen eine stärkere neutralisierende Antikörperreaktion auslöst als die dritte Impfstoffdosis lässt sich den Wissenschaftlern zufolge „möglicherweise durch eine schlechte Neutralisierung der Omikron-Variante in der Anfangsphase der Infektion“ erklären: Dies sorge vielleicht dann für eine längere Antigenexposition gegenüber dem Immunsystem mit dem veränderten Spikeprotein und dadurch im Folgenden zu einer besseren Antikörperantwort.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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