Keine Hinweise auf Fehlbildungen

Ocrelizumab scheint sicher in der Schwangerschaft

Stuttgart - 14.04.2022, 09:15 Uhr

Eine Ocrelizumab-Infusion vor Empfängnis und im ersten Schwangerschaftsdrittel wirkt sich einer kleinen Studie zufolge nicht auf das Geburtsgewicht oder den Geburtszeitunkt aus. (x / Foto: freepeoplea / AdobeStock)

Eine Ocrelizumab-Infusion vor Empfängnis und im ersten Schwangerschaftsdrittel wirkt sich einer kleinen Studie zufolge nicht auf das Geburtsgewicht oder den Geburtszeitunkt aus. (x / Foto: freepeoplea / AdobeStock)


Keine Fehl- oder Totgeburten, normales Geburtsgewicht

Für ihre Einschätzung werteten sie die Ausgänge der Schwangerschaften aus: Wie schwer kam der Säugling zur Welt (niedriges Geburtsgewicht mit weniger als 2.500 g)? Wie häufig kam es zu Totgeburten (Tod/Verlust des Babys nach der 20. Schwangerschaftswoche)? Wie viele Babys kamen zu früh zur Welt (Frühgeburt vor Abschluss von 37 Schwangerschaftswochen)? Kam es zu Fehlbildungen oder Komplikationen bei der Mutter? Zudem interessierte die Wissenschaftler:innen, wie die MS-Erkrankung während der Schwangerschaft und bis drei Monate nach Entbindung verlief – kam es zu neuen neurologischen Symptomen oder MRT-Läsionen?

13 von 14 Babys kamen – im Median nach 38,7 Schwangerschaftswochen (zwischen Woche 38 bis 40) – lebend zur Welt (eine Schwangerschaft wurde aufgrund einer Triploidie, 69XXY, abgebrochen – diese tritt den Wissenschaftlern zufolge bei 1 bis 3 Prozent der Schwangerschaften spontan auf und kann nicht mit Ocrelizumab in Verbindung gebracht werden), es gab demnach keine Frühgeburten. Auch wogen die Neugeborenen bei der Geburt im Median 3.364,5 g (zwischen 2.620 g und 4.018 g), sodass die Wissenschaftler:innen auch keine Hinweise auf ein niedriges Geburtsgewicht der Babys fanden. Es gab weder Fehl- noch Totgeburten.

Komplikationen: kein ursächlicher Zusammenhang mit Ocrelizumab

Als Komplikationen können die Wissenschaftler über ein Baby mit angeborener Fehlbildung berichten, und dass ein Säugling mit vorübergehender Atemnot zur Welt kam, die sich jedoch behandlungsfrei spontan besserte. Bei einem weiteren Neugeborenen kam es bereits im Mutterleib zu einer Plazentainsuffizienz und in der Folge zu einem Oligohydramnion (weniger als 500 ml in der Fruchtblase) – das Baby wurde mit einer hyalinen Membran geboren (amorphes Material aus Fibrin, Mukopolysacchariden, Glykoproteinen und Blutzelltrümmern, das die Alveolen auskleidet und den Gasaustausch erschwert), die eine Intubation erforderte. Zudem kam es zu einer Sepsis und Hypoglykämie. Im Labor zeigte sich eine Leukozytose, jedoch keine Lymphopenie. 

Warum es zu der Plazentainsuffizienz kam, ist unklar. Den Studienautoren zufolge ist bislang ein Zusammenhang mit Ocrelizumab nicht beschrieben. Auch sehen sie Ocrelizumab nicht ursächlich für die neonatale Sepsis, da die Mutter die letzte Ocrelizumab-Infusion bereits acht Wochen vor Empfängnis erhalten hatte, sodass der Wirkstoff aus dem Körper bereits eliminiert war, bevor es nach der 16. Schwangerschaftswoche die Plazenta passieren konnte – die terminale Halbwertszeit von Ocrelizumab liegt bei 26 Tagen, nach 4,5 Monaten ist es vollständig aus dem Körper eliminiert. Wichtig ist zudem zu wissen, dass IgG-Antikörper wie Ocrelizumab die Plazenta im ersten Schwangerschaftsdrittel nicht passieren.

Keine Schübe trotz Ocrelizumab-Pause

Wie erging es den Müttern? Die Wissenschaftler konnten keine schweren Infektionen feststellen, auch keine Chorioamnionitis (bakterielle Infektion von Plazenta, Fruchtwasser und den Eihäuten (innere Eihaut: Amnion, mittlere Eihaut: Chorion, äußere Eihaut: Dezidua)). Wichtig ist zudem die Botschaft, dass ein Pausieren der Ocrelizumab-Infusion (durchschnittlich 65,1 Wochen, zwischen 40 und 105 Wochen) während der Schwangerschaft sich nicht negativ auf den Verlauf der Erkrankung auswirkte: Die Patient:innen waren stabil und keine erlitt den Wissenschaftlern zufolge einen Schub.

Die Wissenschaftler:innen räumen als Schwäche der Untersuchung ein, dass es nur eine retrospektive Datenerhebung war und dass es nur wenige Patientinnen waren.

Auch wenn diese Daten nicht genügen, um Empfehlungen zu ändern, beruhigen sie – falls es versehentlich unter Ocrelizumab zu einer Schwangerschaft kommt. Das Fazit der Wissenschaftler:innen: „Bei unseren Patientinnen, die vor der Empfängnis oder im ersten Trimester der Schwangerschaft mit Ocrelizumab behandelt wurden, konnten wir keine vermehrten unerwünschten Ereignisse beobachten.“ Und weiter: „Unsere Daten deuten darauf hin, dass MS-Patientinnen, die vor der Schwangerschaft mit Ocrelizumab behandelt wurden, trotz einer längeren Behandlungsunterbrechung einen stabilen Krankheitsverlauf während der Schwangerschaft und in der Zeit nach der Entbindung aufwiesen.“



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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