Präqualifizierung extrem (Teil 2)

Bitte warten – Knackpunkt Apothekenübernahme

22.04.2022, 07:00 Uhr

Die Präqualifizierung ist bei Apothekenübernahme eine besondere Herausforderung. (Foto: LeslieAnn / Stock Adobe)

Die Präqualifizierung ist bei Apothekenübernahme eine besondere Herausforderung. (Foto: LeslieAnn / Stock Adobe)


Bei einer Apothekenübernahme fällt so einiges an Papierkram an. Ganz vorn mit dabei: die Präqualifizierung. Zwar gibt es für solche Fälle ein sogenanntes vereinfachtes Verfahren, bei dem die bestehende Präqualifizierung übernommen werden kann – von „einfach“ ist dieses jedoch weit entfernt. Zwei Inhaber:innen berichten von ihren Erfahrungen.

Es ist ein Thema, das den kollektiven Blutdruck der Apothekerschaft binnen Sekunden zu verdoppeln vermag – die Präqualifizierung. So erreichten uns zu diesem Thema viele Erfahrungsberichte, die Kopfschütteln und Fassungslosigkeit hervorrufen. Im zweiten Teil unserer Serie beschäftigen wir uns heute mit dem Antragsverfahren bei der Apothekenübernahmen und wieso es hier deutlichen Nachbesserungsbedarf gibt.

Viele Kolleginnen und Kollegen haben die Präqualifizierungsstellen schon tatkräftig beim Aufklären diverser Mysterien unterstützen dürfen. Während die Existenz von Botendienstfahrzeugen teils nur aufgrund fotografischen Beweismaterials belegt werden konnte, berichten andere, dass auch das Vorhandensein eines Eingangs aus Sicht der Präqualifizierungsstelle so lange bloße Erzählung bleibt, wie ihr kein Foto desselben vorgelegt wird.

Kein Wunder also, dass der Prüfungsaufwand immens ist und einiger Zeit bedarf. Doch insbesondere bei einer Apothekenübernahme besteht meist nur ein eingeschränkter Handlungszeitraum für die Beantragung der Präqualifizierung. Dauert dann die Bearbeitung des Vorgangs übermäßig lange, drohen zumindest vorübergehende Versorgungslücken. Damit nicht bei jedem Inhaber:innenwechsel eine aufwendige, vollumfängliche Präqualifizierung erforderlich ist, werben einige Präqualifizierungsstellen mit einer vermeintlich einfacheren und schnelleren Alternative: die Übernahme der schon bestehenden Präqualifizierung des Betriebs.

Klingt zunächst einleuchtend, dass eine Änderung schneller bearbeitet werden kann als ein vollständiger Neuantrag mit entsprechend umfangreichen Dokumenten. Dieses Verfahren könnte also eine attraktive Möglichkeit sein, um die anstehende Apothekenübernahme möglichst reibungslos zu gestalten. Schließlich sind die Patientinnen und Patienten auch in dieser Zeit auf eine lückenlose Versorgung angewiesen.

Kompliziertes Verfahren

Dass dies in der Praxis jedoch nicht unbedingt auch so gelingt, berichtet Apotheker Simon Schuff. Gemeinsam mit seiner Vorgängerin beantragte er vor Übernahme der Mainzer Hecht Apotheke im Juli 2020 die Änderung der Bestands-Präqualifizierung, die sich leider alles andere als unkompliziert gestaltete. Obwohl es sich nicht um einen Neuantrag handelte, forderte die Präqualifizierungsstelle die Einreichung umfassender Nachweise. So sollte er, außer den für seine Eintragung als Inhaber notwendigen personenbezogenen Dokumenten, unter anderem auch den Raumplan sowie sämtliche Fotos für die bereits präqualifizierten Versorgungsbereiche einsenden.

Vier Monate später ...

Trotz des vermeintlich schnelleren Verfahrens mussten Schuff, sein Team und die Kundschaft nach der Apothekenübernahme insgesamt vier Monate lang auf die ersehnte Präqualifizierung warten. Er habe außerdem weitgehend denselben Aufwand wie bei einer Neubeantragung gehabt, berichtet er im Gespräch mit der DAZ. Als zusätzliches Ärgernis ging die Präqualifizierung zunächst noch mit dem Institutionskennzeichen (IK-Nummer) der Vorgängerin bei ihm ein, sodass nach der langen Wartezeit auch noch eine Reklamation nötig war.

Selbst von der Präqualifizierungsstelle sei ihm daraufhin geraten worden, doch gleich eine vollständige Neubeantragung zu erwägen. Die korrigierte Präqualifizierung erhielt er dann aber schließlich, nachdem sich der Landesapothekerverband Rheinland-Pfalz unterstützend eingeschaltet hatte, Anfang November 2020. Seitdem kann Schuff seine Kundschaft wieder mit Hilfsmitteln versorgen. Die Restlaufzeit der mühsam übernommenen Präqualifizierung betrug dann allerdings nur noch etwas mehr als ein Jahr. Glücklicherweise sei jedoch die vollständige Re-Präqualifizierung Anfang 2022 deutlich schneller bearbeitet und umgesetzt worden.

 

Die Regelungsgrundlage

In den verbindlichen Empfehlungen des GKV-Spitzenverbands wird unter anderem festgelegt, dass es sich bei einem Wechsel von Inhaberin oder Inhaber um eine sogenannte maßgebliche Änderung handelt. Diese sind der Präqualifizierungsstelle unverzüglich durch den zertifizierten Leistungserbringer anzuzeigen. Sofern die Ausgangspräqualifizierung noch gültig ist, sind in diesem Rahmen auch dazugehörige Nachweise einzureichen, dass auch die neue Person die Voraussetzungen für die „ausreichende, zweckmäßige und funktionsgerechte Herstellung, Abgabe und Anpassung“ von Hilfsmitteln erfüllt.

Der Antrag auf Übernahme der Bestands-Präqualifizierung muss also noch vor dem Betriebsübergang gestellt werden, damit es sich um eine solche maßgebliche Änderung handelt. Die notwendigen personenbezogenen Dokumente werden im Kriterienkatalog des GKV-Spitzenverbands für die jeweiligen Versorgungsbereiche aufgeführt. Neben der Qualifikation der für die fachliche Leitung vorgesehenen Person, die beispielsweise durch die Approbationsurkunde nachgewiesen werden kann, fordert der Katalog auch Nachweise über die Haftpflichtversicherung, die Insolvenzfreiheit sowie die IK-Nummer des Betriebs. Vor der Antragsstellung müssen diese Informationen also zunächst einmal vorliegen. Die übernommene Präqualifizierung läuft bis zur ursprünglichen Restlaufzeit weiter, eine Verlängerung wird nicht gewährt.

Zusätzlicher Prüfungsbedarf kann sich auch bei diesem Verfahren ergeben, wenn die Apotheke durch den Leitungswechsel erstmalig als Neubetrieb eingestuft wird. Die Empfehlungen des GKV-Spitzenverbands formulieren hier nämlich keine Ausnahme. Neubetriebe sind gemäß Empfehlungen des GKV-Spitzenverbands Betriebe, die nach dem 31. Dezember 2010 gegründet und ab Juli 2015 erstmalig präqualifiziert wurden. Betriebe, die zwar vorher gegründet, jedoch dann verkauft wurden, werden durch den Wechsel der Inhaberschaft zu Neubetrieben umgewandelt. In diesem Fall ergeben sich dann zusätzliche Anforderungen an die Räumlichkeiten, wie beispielsweise der barrierefreie Eingang und eine behindertengerechte Toilette.

Nach der Präqualifizierung ist vor der Präqualifizierung

Schuffs Erfahrungen scheinen leider kein Einzelfall zu sein. Auch eine Kollegin aus einer gänzlich anderen Ecke Deutschlands berichtet von ähnlichen Problemen. Ihre Apothekenübernahme im Januar 2021 sollte ebenfalls durch die Mitnahme der bestehenden Präqualifizierung erleichtert werden. Diese war zum Beantragungszeitpunkt noch etwas länger als ein Jahr gültig. Da sich in ihrem Fall außer der Inhaberin und der IK-Nummer nichts geändert hatte, sei sie von einem einfacheren Verfahren ausgegangen als bei einer vollständigen Neubeantragung.

Allerdings habe sie bereits von den teils immensen Wartezeiten gehört, sodass sie frühestmöglich, nämlich unmittelbar nach Beantragung der Betriebserlaubnis im Dezember 2020, auch die Änderung der bestehenden Präqualifizierung beantragte. Sicher ist sicher. Es ergaben sich aufgrund der Einstufung ihrer Apotheke als Neubetrieb noch einige Nachforderungen, welche sie schnell nachgereicht habe.

Die Bearbeitungszeiten aufseiten der Präqualifizierungsstelle dauerten jedoch, wie befürchtet, sehr lange. Auf ihre Nachfragen zum Bearbeitungsstand wurde sie wiederholt auf die längeren Bearbeitungszeiten aufgrund der COVID-19-Pandemie verwiesen – eine Auskunft, mit der auch der Kollege Schuff bei seinem Übernahmeverfahren vertröstet wurde. Fast ein halbes Jahr nach Beantragung erhielt die Apothekerin dann schließlich im Mai 2021 auch ihre Präqualifizierung. Ökonomisch und ökologisch geschickt taktiert, lag dem Schreiben auch schon gleich das erste Überwachungsaudit mit der Aufforderung zur Einsendung weiterer Unterlagen bei. Und das bei einer Restlaufzeit von weniger als einem Jahr. Im wahrsten Sinne des Wortes ist nach der Präqualifizierung also auch zugleich vor der Präqualifizierung.

Potenzielle Versorgungslücke bei Übernahme

Die Erfahrungsberichte von Schuff und seiner Kollegin stehen stellvertretend für eine Vielzahl an Apothekenleitungen, die sich für die Versorgung ihrer Kundschaft immer wieder durch Berge an Unterlagen kämpfen. Einige von ihnen fühlen sich von Politik und Standesvertretung zunehmend im Stich gelassen. Sie fragen sich, wieso seitens des Gesetzgebers sowie des GKV-Spitzenverbands stillschweigend in Kauf genommen wird, dass jede Apothekenübernahme eine potenzielle Versorgungslücke verursacht.

Hohe bürokratische Hürden mit entsprechendem Zeitaufwand machen die Hilfsmittelversorgung außerdem immer weniger rentabel für Apotheken. Erst recht, da die Vergütung in einem deutlichen Missverhältnis zum hohen Aufwand gesehen wird und sich kein Nutzen des Verfahrens bemerkbar macht, zumindest nicht aufseiten der Apotheken. Die flächendeckende Versorgung mit Hilfsmitteln wird in unserer zunehmend älter werdenden Gesellschaft jedoch immer wichtiger, was sich auch an den steigenden jährlichen Ausgaben für Heil- und Hilfsmittel erkennen lässt.

Daher wären anstelle von zeitraubender Bürokratie eher praktikable und praxisnahe Lösungen gefragt. Vielen der Betroffenen, die sich mit ihren Geschichten an uns gewandt haben, wäre beispielsweise schon durch eine Übergangsfrist geholfen gewesen, durch welche die Hilfsmittelversorgung im Zuge der Apothekenübernahme sichergestellt wäre.



Jessica Geller, Autorin, DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Beweis des Irrsinns!

von ratatosk am 26.04.2022 um 10:34 Uhr

Der ganze Quatsch ist der schlagende Beweis für den völligen Verfall einer guten Verwaltung in D.
Man drückt es den Apotheken auf, weil man es kann und man in seinem eigenen Unvermögen gefangen ist, der Rest ist eine seltsame Wut an Regelungen und Zertifizierungen, die zwar in dieser Ausgestaltung nichts bringen, aber man kann so tun, als würde man sich um Qualität bemühen. Die GKV wills für lau und die Behörden haben schon lange die nötige Kompetenz für diesen Bereich verloren.
Verwunderlich ist, daß solchem Unsinn von Apothekenseite zugestimmt wird, aber hier muß man leider feststellen, daß bei Gegendruck immer einige Superschlaue als nützliche Idioten als Streikbrecher dienen, leider hier keine Geschlossenheit wie bei Ärzten , Zahnärzten etc.

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