Mein liebes Tagebuch

24.04.2022, 07:30 Uhr

Grippeimpfungen in Apotheken – bald so normal wie Blutdruckmessen? (Foto: Alex Schelbert)

Grippeimpfungen in Apotheken – bald so normal wie Blutdruckmessen? (Foto: Alex Schelbert)


Mitmachen oder lassen? Grippe-Impfungen in Apotheken sind ein Mega-Erfolg. Reinkommen, drankommen, fertig. Gesteigerte Durchimpfungsrate, zufriedene Kundinnen und Kunden – unsere Ampelkoalition möchte das zur Regelversorgung machen. So ist’s recht, wurde auch Zeit. Und am besten packen wir die Covid-10-Impfung und weitere Impfungen mit Totimpfstoffen dazu – die französischen Apothekers dürfen das auch. Also mitmachen! Was man wohl eher noch lassen sollte: mit Lieferdiensten kooperieren. Sie kosten Geld, die Vergütungsart ist juristisch umstritten und außerdem ist Ihre Apotheke dann eine No-Name-Apo. Vielleicht konzentrieren wir uns erstmal aufs E-Rezept und hoffen, dass uns das GKV-Spargesetz nicht zusetzt. 

19. April 2022

Mehr als verständlich, Berichte von den schrecklichen Ereignissen in der Welt bestimmen die Nachrichten. Aber es gibt auch eine innerdeutsche Gesundheitspolitik, die wir nicht aus den Augen verlieren sollten. Nach wie vor steht ein Papier aus dem Haus des Gesundheitsministers Lauterbach im Raum, mit dem der GKV finanziell unter die Arme gegriffen werden soll, u. a. durch Einsparungen bei den Apotheken: Der Kassenabschlag für Arzneimittel soll für eine Dauer von zwei Jahren von 1,77 auf 2 Euro erhöht und die Umsatzsteuer auf Arzneimittel von 19 auf 7 Prozent gesenkt werden. Mein liebes Tagebuch, beide Maßnahmen zusammen bringen den Apotheken spürbare finanzielle Einbußen in Höhe von 38 Cent pro Rx-Fertigarzneimittel, die sie zulasten der GKV abgeben. Müssen wir uns auf deutliche Mindereinnahmen einstellen, wo wir doch eigentlich dringend eine Erhöhung des Apothekenhonorars nötig hätten? Weniger Honorar für Apotheken – das kann nicht gut gehen! Energie und Klimakrise, Inflation, steigende Gehälter und nicht zuletzt die Digitalisierung rufen nach einer deutlichen Anpassung des Apothekenhonorars nach oben. Das Bundeskanzleramt hat die Sparpaket-Vorlage zwar vorerst gestoppt, vom Tisch ist sie allerdings nicht, sie soll nur „angepasst“ werden. Gerungen wird vor allem um die Senkung der Umsatzsteuer. So macht sich der GKV-Spitzenverband derzeit für diese Idee stark. Stefanie Stoff-Ahnis vom Vorstand des GKV-Spitzenverbands lässt wissen, dass allein diese Maßnahme die Kassen um rund sechs Milliarden im Jahr entlasten würde. Mein liebes Tagebuch, eine Absenkung der Umsatzsteuer heißt für Apotheken immer Mehrbelastungen. Wie DAZ-Wirtschaftsexperte Dr. Thomas Müller-Bohn vorrechnete, würde allein die Umsatzsteuersenkung bei Rx-Arzneimitteln von 19 auf 7 Prozent 16 Cent pro Packung weniger bringen. Da kann man nur hoffen, dass der Bundeswirtschaftsminister sein Veto bei einer geplanten Umsatzsteuer einbringt.

Übrigens, auch von anderer Seite wird der Ruf nach einer Mehrwertsteuersenkung auf Arzneimittel laut, so z. B. vom Sozialverband VdK Hessen-Thüringen. Er hat dabei vor allem die OTC-Arzneimittel im Blick und verspricht sich eine Entlastung vor allem für ältere und chronisch kranke Menschen. Mein liebes Tagebuch, es gibt mittlerweile sogar die Forderung, die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel abzuschaffen…

 

Lieferdienste für Arzneimittel, mitmachen oder lieber lassen? Ein Frage, die sich immer mehr Apotheken vor allem in Großstädten und den Metropol-Regionen stellen, wo solche Dienste wie Pilze aus dem Boden schießen. Was bei Pizza-Burger-China-Fast-Food und ähnlichen zweifelhaften Genussmomenten schon an der Tagesordnung ist, soll auf die Arzneimittelauslieferung überschwappen. Ist doch ähnlich, oder? Der Kunde will’s so, jetzt und sofort. Von wegen, mein liebes Tagebuch, Da gibt es einen kleinen feinen Unterschied, auf den DAZ-Chefredakteurin Julia Borsch in ihrem Meinungsbeitrag aufmerksam macht: Die Lieblingspizza kann ich bei meiner Lieblings-Pizzeria Venezia bestellen und mir mit Lieferando und Co. nach Hause bringen lassen. Mein OTC-Heuschnupfenmittel kann ich dagegen nicht bei meiner Lieblings-Apotheke bestellen, sondern nur auf der Lieferplattform, die dann eine kooperierende nahegelegene Apotheke auswählt, damit die Riders, die Fahrradkuriere, in maximal 30 Minuten beim Kunden sind. Die Apotheke, die bei solchen Lieferplattformen mitmacht, ist also austauschbar, eine für den Kunden anonyme Apotheke. Im Mittelpunkt steht der Lieferdienst Mayd, First A oder wer auch immer. Will man als Apotheke eine No-Name-Apotheke sein? Möchte man nicht lieber eine individuelle Apotheke sein, an die sich Kunden und Patienten erinnern, persönlich und vertrauensvoll? Und was steht in ein paar Jahren am Ende dieser Entwicklung? Vielleicht ein paar Arzneimittellager, aus denen sich die Lieferdienste bedienen können – falls es der Gesetzgeber erlaubt? Mein liebes Tagebuch, da schüttelt’s mich. Ich höre das Gegenargument der Apotheken, die heute schon bei Lieferdiensten mitmachen: Aber der Kunde will’s und wir haben den Kundenwunsch nicht zu bevormunden. Und wenn man selbst nicht mitmacht, macht’s die Konkurrenz, also lieber man selbst als andere Apotheken. Mein liebes Tagebuch, was hält man da entgegen? Ich freue mich auf Ihre Antworten.



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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4 Kommentare

Geld wofür?

von Ulrich Ströh am 24.04.2022 um 9:07 Uhr

Sie haben Recht Herr Ditzel,
ob Apothekenplattformen wie gesund.de , oder Lieferplattformen wie First A :
unabhängig von der rechtlichen Seite, alle kosten der Offizinapotheke GELD …

Der Markt wird es richten, ob der Bedarf für solche Plattformen vorhanden ist.

Honorarerhöhungen von der Politik sind dafür nicht vorgesehen…

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Absenkung Mehrwertsteuer auf Arzneimittel

von Daniela Hänel am 24.04.2022 um 9:01 Uhr

Eine Absenkung der Mehrwertsteuer wird sicherlich als die Lösung vorangetrieben, denn Einsparungen im
Milliardenbereich hören sich doch wunderbar für Politik, GKV und Bevölkerung an. Aber wird sich das Bundesfinanzministerium auf einen Verzicht von Milliarden an Steuern einlassen, wo unser Staat dringend Geld braucht?
Von unseren Standesvertretungen DAV und BAK hört man leider nichts, was sie gegen diesen Vorschlag aus dem BMG unternehmen, damit es für uns Apotheken vor Ort kein finanzieller Todesstoß wird.

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AW: Absenkung Mehrwertsteuer auf

von Anita Peter am 24.04.2022 um 10:40 Uhr

Der deutsche Staat hat kein Einnahmen- sondern ein Ausgabenproblem:

https://de.statista.com/infografik/26715/steuereinnahmen-pro-quartal-in-deutschland/

Der Staat verteilt die hart erarbeitenden Steuereinnahmen auf der ganzen Welt. Statt die Leistungsträger dieses Landes anständig zu bezahlen und das Rentensystem auf eine steuerfinanzierte Sozialleistung umzustellen werden die Leistungsträger dieser Gesellschaft weiter ausgequtscht und arbeiten sollen wir bald bis 70.

Ich bin gespannt wie lange das noch gut geht.

Schon die falsche Ansage, Augenrollen

von Karl Friedrich Müller am 24.04.2022 um 8:16 Uhr

…. und hoffen, dass uns das GKV-Spargesetz nicht zusetzt.
Ja, die Hoffnung stirbt zuletzt.
Dass man was dafür tun MUSS, fällt der DAZ und den Apothekern nicht ein.
Matt und regungslos in die Katastrophe.
Das eRezept ist nicht die Lösung, sondern ein weiterer Sargnagel.

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