Cellulose-Siliciumdioxid-Füllmittel (NRF S. 54.)

Neues Füllmittel für Kapseln und Pulver

03.05.2022, 09:15 Uhr

Ein neuer Kapselfüllstoff steht seit kurzem im NRF zur Verfügung. (x / Foto: enriscapes / AdobeStock)

Ein neuer Kapselfüllstoff steht seit kurzem im NRF zur Verfügung. (x / Foto: enriscapes / AdobeStock)


Mit einer Mischung aus mikrokristalliner Cellulose und hochdispersem Siliciumdioxid ist im NRF ab sofort eine weitere standardisierte Vorschrift für einen Kapselfüllstoff zu finden. Welche Vorteile bietet das neue Füllmittel?

Als Standardfüllmittel für Hartgelatinekapseln wird normalerweise eine Mischung aus 99,5 Teilen Mannitol und 0,5 Teilen Siliciumdioxid (Aerosil®) verwendet. Diese Pulvermischung wird in der Apotheke meist auf Vorrat hergestellt, die Herstellung dazu ist im NRF unter der Vorschrift S.38. beschrieben.

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Seit kurzem ist nun eine weitere Vorschrift für ein Füllmittel hinzugekommen: das Cellulose-Siliciumdioxid-Füllmittel (NRF S.54.). Der neue Füllstoff kann zur rezepturmäßigen Herstellung von Kapseln und abgeteilten Pulvern verwendet werden. 

Anwendung bei größeren Wirkstoffteilchen und Fertigarzneimitteln interessant

Im Gegensatz zur Mischung aus Mannitol und Siliciumdioxid ist das Füllmittel auch zur Verarbeitung von nicht mikrofein gepulverten Arzneistoffen geeignet, die Teilchengröße der Substanzen muss dann annähernd im Bereich der mikrokristallinen Cellulose (100 µm) liegen. 

Weiterhin kann das Cellulose-Siliciumdioxid-Füllmittel zur Herstellung von Kapseln aus Fertigarzneimitteln, die diesen Füllstoff bereits enthalten, eingesetzt werden.

Zur Herstellung anteilig anreiben

Zur Herstellung des neuen Füllmittels muss mikrokristalline Cellulose mit einem mittleren Teilchendurchmesser von 100 µm und der spezifischen Oberfläche von 1,25 m2/g verwendet werden. Die Pulvermischung hat dabei folgende Zusammensetzung:

Cellulose-Siliciumdioxid-Füllmittel (NRF S.54.)
StoffMasse
Hochdisperses Siliciumdioxid0,5 g
Mikrokristalline Cellulose (100 µm) zu 100,0 g

Nach dem Abwiegen der beiden Feststoffe wird zunächst das hochdisperse Siliciumdioxid in eine ausreichend große Fantaschale überführt und mit rund einem Zehntel der mikrokristallinen Cellulose versetzt. Danach wird zweimal für jeweils 30 Sekunden verrührt und abgeschabt. 

Sind bei leichter Bewegung der Schale noch Klumpen von mehr als 1 mm Durchmesser an der Oberfläche zu erkennen, muss weiter verrührt und abgeschabt werden. Diese Agglomerate bestehen hauptsächlich aus hochdispersem Siliciumdioxid und können leicht mit dem Pistill zerteilt werden. 

Anschließend wird die noch fehlende mikrokristalline Cellulose dazugegeben und die Pulvermischung wieder zweimal für jeweils 30 Sekunden verrührt und abgeschabt. 

Mischung ergibt feines, fließfähiges Pulver 

Am Ende der Herstellung muss ein feines, weißes Pulver vorliegen, das bei leichter Schräghaltung der Schale fließfähig ist. Die Schüttdichte des Füllmittels liegt im Bereich zwischen 0,34 bis 0,38 g/ml. Diese kann sich abhängig von der Luftfeuchte während der Lagerung zwar geringfügig ändern, eine Klumpenbildung wird jedoch nicht beobachtet.

Vorsicht bei Teilchen kleiner 5 µm

Mikrokristalline Cellulose weist bereits gute Fließeigenschaften auf, durch Zugabe von hochdispersem Siliciumdioxid wird diese weiter verbessert. Im Gegensatz zu anderen Füllstoffen lässt sich die Substanz nur schwer weiter zerkleinern und weist rechteckige bis rundliche Partikel auf. 

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Mikrokristalline Cellulose ist in zwei Typen (50 µm und 100 µm) mit unterschiedlichen, mittleren Partikeldurchmessern erhältlich. Bei kleinen Teilchen mit einem Durchmesser von unter 5 µm besteht das Risiko einer partikulären Aufnahme (Pinozytose) über die Darmschleimhaut. Als Vorsichtsmaßnahme soll mikrokristalline Cellulose (50 µm), die einen höheren Anteil solcher Teilchen von kleiner 5 µm aufweist, daher nicht zur Herstellung von pädiatrischen Kapseln und Pulvern zum Einnehmen verwendet werden.

Bei mikrokristalliner Cellulose mit einem mittleren Teilchendurchmesser von 100 µm liegt der Partikelanteil mit einem Durchmesser von 5 µm bei weniger als 0,5 Prozent, sodass eine Aufnahme über die Schleimhaut des Dünndarms vernachlässigbar ist.

Anwendungsbeispiel: Neomycinsulfat

Kapseln und Pulver zum Einnehmen mit dem Wirkstoff Neomycinsulfat kommen zur Keimverminderung im Darm vor Operationen und als Zusatzbehandlung bei Leberkoma zum Einsatz. Fertigarzneimittel sind dafür nicht mehr erhältlich. Entsprechende Kapseln können nach einer geprüften Vorschrift aus dem NRF rezepturmäßig nach gravimetrischem Verfahren hergestellt werden. Dazu wird das neue Cellulose-Siliciumdioxid-Füllmittel verwendet. 

Neomycinsulfat-Kapseln 250 mg (NRF 21.5.)
Wirk- bzw. HilfsstoffMasse/Menge pro Hartkapsel
Neomycinsulfat (sprühgetrocknet)193750 I. E.
Hochdisperses Siliciumdioxid0,0014 g
Cellulose-Siliciumdioxid-Füllmittel (NRF S.54.)zu 0,36 g
Hartgelatine-Steckkapselhülle, Größe 01 Stück

Massenbasierte Herstellung von Neomycinsulfat-Kapseln

Wie bei der massenbasierten Herstellung von Kapseln üblich, wird der Arzneistoff in einer glatten Schale mit dem Füllmittel ohne Verreibung gemischt. Dazu wird zunächst hochdisperses Siliciumdioxid mit Neomycinsulfat in einer Fantaschale unter mehrfachem Abschaben verrührt. Anschließend wird der Ansatz mit Cellulose-Siliciumdioxid-Füllmittel ergänzt und erneut unter mehrfachem Abschaben vermischt. 

Das hellgelbe feine Pulver kann dann gleichmäßig auf den Stegen des Kapselbrettes verteilt und in die Unterteile der Kapseln eingestrichen werden. Alle Kapselunterteile müssen vollständig befüllt sein.

Gut zu wissen: Galenische Besonderheiten von Neomycin 

Der Gehalt des Aminoglykosid-Antibiotikums wird nach mikrobiologischer Wertbestimmung durch Internationale Einheiten (I. E.) bezogen auf die getrocknete Substanz angegeben. Bei einer Angabe der Masse von 250 mg ist das Aktivitätsäquivalent zum WHO-Standard dieser Masse gemeint. Die Referenzsubstanz hat dabei eine Aktivität von 775 I. E./mg Neomycinsulfat. Beim Abwiegen ist wegen häufigem Mindergehalt und der Hygroskopizität der Substanz meist ein Einwaagekorrekturfaktor zu berücksichtigen.

Neomycinsulfat ist in zwei unterschiedlichen Formen als Rezeptursubstanz erhältlich. Zur Herstellung von Zubereitungen zum Einnehmen ist nur die sprühgetrocknete Pulverform geeignet. Diese hat hohlkugelförmige Teilchen mit einem Durchmesser zwischen 20 und 60 µm und besitzt eine gute Fließfähigkeit.

Nennfüllmasse der Kapseln wird durch den Wirkstoff dominiert

Bei der massebasierten Herstellung niedrig dosierter Kapseln wird die Schüttdichte der Mischung aus Wirkstoff und Füllmittel normalerweise durch das Füllmittel bestimmt. Dadurch ist für eine bestimmte Kapselgröße die Nennfüllmasse vorgegeben und Kapseln können, unabhängig vom verarbeiteten Arzneistoff, mit massegleichem Inhalt hergestellt werden. Dabei muss das standardisierte Mannitol-Siliciumdioxid-Füllmittel (NRF S.38.) mit definierter Schüttdichte verwendet werden. 

Bei der massebasierten Herstellung der Neomycinsulfat-Kapseln sieht das etwas anders aus: Der Arzneistoff bzw. seine Mischung mit dem Fließregulierungsmittel hochdisperses Siliciumdioxid füllen bereits zwischen 70 und 85 Prozent des Kapselvolumens aus und tragen so entscheidend zur Masse des Kapselinhaltes bei. 

Bei hohem Wirkstoffgehalt ist daher die rezepturspezifische Nennfüllmasse die zentrale Größe und der Einsatz anderer standardisierter Füllmittel möglich. Zudem treten aufgrund des hohen Anteils an Wirkstoff nur geringe Substanzverluste auf. Diese werden durch einen Wirkstoff-Produktionszuschlag von 2 Prozent ausgeglichen. 



Dr. Annina Bergner, Apothekerin, Autorin PTAheute.de
redaktion@daz.online


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