Auch in Deutschland geplant

Austausch von Biologika – In Frankreich schon möglich

Marseille - 11.05.2022, 09:15 Uhr

Auch in Frankreich gibt es eine längere Vorgeschichte zum Biosimilar-Austasch in der Apotheke – seit 2020 wird er dort im sehr engen Rahmen prakiziert. (x / Foto Joachim Martin / AdobeStock)

Auch in Frankreich gibt es eine längere Vorgeschichte zum Biosimilar-Austasch in der Apotheke – seit 2020 wird er dort im sehr engen Rahmen prakiziert. (x / Foto Joachim Martin / AdobeStock)


Der Austausch von Biologika durch Biosimilars in der Apotheke soll in Deutschland im August möglich werden. Das Modell ist nach wie vor umstritten. Im Nachbarland Frankreich können bestimmte Biologika schon seit Mitte April dieses Jahres in der Apotheke ausgetauscht werden. Auch dort war dem Beschluss ein langes Zerren um eine gesetzliche Regelung vorausgegangen.

Frankreich hatte als erstes Land der Europäischen Union bereits im Jahr 2014 festgelegt, dass auch Biologika in der Apotheke ausgetauscht werden können – unter der Bedingung, dass diese der gleichen Gruppe wie das verschriebene Produkt angehören und der Arzt oder die Ärztin die Substitution bei der Verschreibung nicht ausgeschlossen hat. Die französische Arzneimittelbehörde hatte dann auch eine Liste veröffentlicht, mit der 51 Biosimilar in insgesamt 14 Gruppen eingeteilt wurden, innerhalb derer die Produkte austauschbar sein sollten. Nach dieser Liste sollten sich die Apotheken bei der Substitution richten.

In der Praxis war der Austausch in französischen Apotheken aber damals nicht umgesetzt worden. Denn ein geplantes Dekret, das die Umsetzung genauer regeln sollte, wurde nie verabschiedet. Und es gab Widerstand gegen das Vorhaben, genau wie derzeit in Deutschland. So forderten 15 französische Patientenverbände im Jahr 2019, von einer Substitution in den Apotheken abzusehen – darunter die Vertretungen von Patienten und Patientinnen mit Multipler Sklerose, rheumatoider Arthritis, Psoriasis, Morbus Crohn oder Brustkrebs. 

In ihrer Erklärung schrieben die Verbände zwar, sie seien „nicht grundsätzlich gegen eine Substitution.“ Diese könne aber nur beim Arzt erfolgen und solle als gemeinsame Entscheidung von Arzt und Patient getroffen werden. Nur so könnten „die Sicherheit und das Wohlbefinden der Patienten“ gewährleistet werden. Bei einer Substitution in der Apotheke werde hingegen das Vertrauen der Patienten leiden, warnten die Verbände. Schließlich sei das Medikament bei chronischen Krankheiten ein „täglicher Begleiter“ und die Akzeptanz eines Arzneimittels ein wichtiger Prozess. Die Verbände kritisierten auch, es sei nicht umsetzbar, dass die Apotheken den behandelnden Arzt über die Substitution zeitnah informieren, wie in der Regelung vorgesehen.

Substitution nur bei Filgrastim und Pegfilgrastim 

Die nationale Akademie der Pharmazie in Frankreich hat sich als zuständige Fachgesellschaft generell für die Substitution in der Apotheke ausgesprochen. Es gebe „keine soliden wissenschaftlichen Argumente“, die gegen einen Austausch in der Apotheke sprächen. Zumindest dann nicht, wenn diese zu Beginn einer Behandlung erfolge und wenn es möglich sei, ein biologisches Arzneimittel durch ein „bioidentisches" zu ersetzen, dessen Wirkstoff und Endprodukt aus derselben Produktionslinie stammen wie das Referenzprodukt.

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Im Jahr 2020 wurde das bestehende – aber in der Praxis nicht umgesetzte – Recht der Apotheken zum Austausch von Biologika vorübergehend zurückgenommen. Schließlich wurde nun eine Neuregelung beschlossen. Seit wenigen Wochen ist in Frankreich ein Austausch bei zwei Biologika möglich, die bei malignen Erkrankungen oder einer Chemotherapie die Bildung neutrophiler Granulozyten anregen können. So ist die Substitution vorerst nur in der Wirkstoffgruppe Filgrastim (Referenzprodukt Neupogen®) und der Wirkstoffgruppe Pegfilgrastim (Referenzprodukt Neulasta®) erlaubt. In der Filgrastim-Gruppe werden vier Biosimilars gelistet, die für einen Austausch infrage kommen: Accofil®, Nivestim®, Tevagrastim® und Zarzio®. In der Wirkstoffgruppe  Pegfilgrastim sind es sechs: Cegfila®, Fulphila®, Nyvepria®, Pelgraz®, Pelmeg® und Ziextenzo®. Die Apotheken müssen den Austausch des Produkts und dessen Chargennummer dokumentieren und sowohl den Patienten als auch den behandelnden Arzt darüber informieren. 

Austausch von Biosimilars – die Grundlagen

Im Juni 2019 beschloss der Deutsche Bundestag das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV). Durch eine Änderung in § 129 SGB V ist ab 16. August 2022 die automatische Substitution von biotechnologisch hergestellten Arzneimitteln in der Apotheke vorgesehen – ähnlich der Vorschriften für den Austausch bei Generika. Voraussetzung ist, dass der Gemeinsame Bundesausschuss vorab eine Austauschbarkeit in Bezug auf ein biologisches Referenzarzneimittel festgestellt hat. Für Ärztinnen und Ärzte hat das Gremium bereits im August 2020 Hinweise für eine wirtschaftliche Verordnungsweise veröffentlicht. Die konkreten Regelungen für den Austausch in den Apotheken sollen jetzt noch rechtzeitig folgen.

Der französische Think Tank „Biosimilaires“, der von den Pharma-Unternehmen Accord Healthcare, Amgen and Sandoz unterstützt wird, kritisierte die Regel als nicht weitgehend genug. Als Ersatz für die gelisteten Biologika würden in der Praxis ohnehin schon oft Biosimilars verschrieben, so dass kaum weitere Einsparungen zu erwarten wären. Auch Apotheker hatten gefordert, dass die Liste umfangreicher ausfallen müsse und die Beschränkung auf  Neupogen® und Neulasta® kritisiert. „Diese Behandlungen werden sehr selten verschrieben, im Gegensatz zu anderen Biologika, die nicht auf der Liste stehen, wie Lovenox oder Humira“, sagte Pierre-Olivier Variot, Präsident der Vereinigung der Apothekengewerkschaften in Frankreich, laut der Zeitung „Le Monde“.

In Deutschland hatte sich die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) gegen die automatische Substitution von Biologika ausgesprochen, ebenso die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK). Eine gleichwertige Versorgung sei zwar im Rahmen einer Behandlung generell möglich, der Austausch dürfe aber nicht automatisch in der Apotheke erfolgen. Medikationsfehler und „Therapieverweigerung“ seien dabei vorprogrammiert, so die AMK. Der G-BA soll bis August dieses Jahres die Bedingungen für eine Substitution von Biologika in der Apotheke festlegen. Noch ist nicht klar, wann genau die Regelung dann in Kraft treten wird.                                 



Irene Habich, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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