Verena Stahl
Gift fürs Gehirn
Neurotoxizität bei Leberzirrhose ist multifaktoriell
DAZ 2022, Nr. 19, S. 28
Wie wichtig die Rolle der Leber als Entgiftungsorgan unseres Körpers ist, zeigt sich am eindrucksvollsten, wenn sie dieser Aufgabe nur noch eingeschränkt nachkommen kann. Vielfältige neurologische, motorische und psychiatrische Beschwerden haben bei Patienten mit Leberzirrhose hier ihren Ursprung, wie Dr. Verena Stahl im aktuellen AMTS-spezial in dieser Ausgabe der Deutschen Apotheker Zeitung zu berichten weiß.
Die besonders folgenschwere zerebrale Komplikation einer Leberzirrhose wird als hepatische Enzephalopathie bezeichnete. Sie ist zum Großteil auf die eingeschränkte hepatische Entgiftungsleistung in Bezug auf das Neurotoxin Ammoniak zurückzuführen.
Die zunächst unspezifischen Symptome, wie schnelle Ermüdbarkeit, Konzentrationsschwäche und eine herabgesetzte Feinmotorik, werden von Betroffenen und deren Angehörigen nicht immer gleich wahrgenommen. Im weiteren Verlauf sind die pathologischen Bewusstseins- und Persönlichkeitsveränderungen offensichtlich und beeinträchtigen den Alltag der Erkrankten und ihres Umfelds massiv.
Bei einer Leberzirrhose entwickeln schätzungsweise 30 bis 45 Prozent der Betroffenen diese metabolisch bedingte Hirnschädigung. Eine leichte, klinisch unauffällige, und nur durch spezielle Tests zu diagnostizierende Form, zeigen sogar 70 Prozent. Während die neuropsychiatrischen und motorischen Symptome anfänglich meist episodisch auftreten und bei entsprechender Intervention reversibel sind, können sie im weiteren Verlauf immer häufiger beobachtet werden, bis sie schließlich persistieren und im lebensbedrohlichen Coma hepaticum enden können.
In der Therapie der hepatischen Enzephalopathie sowie zur Sekundärprävention weiterer Episoden haben sich sehr simple Maßnahmen als effektiv erwiesen (s.u.). Dabei hilft das Verständnis, weshalb Ammoniak im Gehirn von Patienten mit Lebererkrankungen akkumulieren kann. Es fällt zunächst regulär als bakterielles und enzymatisches Endprodukt von Nahrungseiweißen im Kolon an und gelangt dann über die Pfortader zur Entgiftung in die Leber. Dort entsteht zum einen – über den Harnstoffzyklus – wasserlöslicher Harnstoff, der sodann ausgeschieden wird. Zum anderen kann Ammoniak in der Leber zu Glutamin verstoffwechselt werden. Sind diese Abbauwege bei zirrhotischen Veränderungen gestört, kann Ammoniak in den großen Blutkreislauf eintreten und anschließend die Blut-Hirn-Schranke überwinden. Die Akkumulation ist aber auch dadurch bedingt, dass bei portaler Hypertension oder portosystemischen Shunts, venöses, Ammoniak-haltiges Blut aus dem Darm an der Leber vorbeigeleitet wird.
Im Gehirn verursacht Ammoniak über eine osmotisch bedingte Astrozyten-Schwellung ein geringgradiges Gliaödem sowie eine sekundär gestörte Neuron-Glia-Kommunikation. Daneben beeinflussen neuroinflammatorische Prozesse, eine erhöhte Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke, Astrozytendegeneration und eine Beeinträchtigung diverser Neurotransmitter die Entstehung und Ausprägung der vielgestaltigen hepatischen Enzephalopathie.
Zunächst müssen Faktoren, die eine hepatische Enzephalopathie auslösen oder verstärken können, erkannt und, falls möglich, eliminiert oder kausal behandelt werden. Anschließend kommt eine Therapie und Sekundärprophylaxe zur Senkung der Ammoniakplasmaspiegel zum Einsatz. Dies kann über eine Reduktion der Ammoniakproduktion im Darm, eine forcierte Ausscheidung und eine Förderung des Ammoniakabbaus bewerkstelligt werden. Angewendet werden
Von entscheidender Bedeutung ist die Therapieadhärenz der Patienten. Zudem sind Ansätze zur Stuhltransplantation in der Diskussion.
DAZ 2022, Nr. 19, S. 28
1 Kommentar
Darmkur bei Leberproblemen
von Christina Rohrer am 12.05.2022 um 20:44 Uhr
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