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Verfassungsbeschwerden Zurückgewiesen
Einrichtungsbezogene Impf-Nachweispflicht ist mit Grundrechten vereinbar
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Die seit Mitte März für Beschäftigte in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen geltende Pflicht, einen Impfschutz gegen COVID-19, eine Genesung oder eine Kontraindikation gegen eine Corona-Impfung nachzuweisen, ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
Als die Ampelkoalition noch in der Findungsphase war und die neue Bundesregierung noch nicht offiziell im Amt, hat sie bereits erste Gesetzentwürfe erarbeitet. Auf den Weg brachte sie dabei auch das „Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie“. Der wichtigste Punkt aus Apothekensicht war die Weichenstellung für COVID-19-Impfungen in der Apotheke.
Ein weiteres zentrales Element des Gesetzes war jedoch die einrichtungsbezogene Impf- beziehungsweise Nachweispflicht im neuen § 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG). Im Dezember 2022 beschlossen, wurde es mit dieser zum 16. März ernst. Bis zum 15. März mussten Personen, die in bestimmten Einrichtungen und Unternehmen des Gesundheitswesens und der Pflege tätig sind, eine COVID-19-Schutzimpfung, eine Genesung von COVID-19 oder eine medizinische Kontraindikation für eine Impfung nachweisen. Wird kein ordnungsgemäßer Nachweis vorgelegt, hat die Einrichtungs- oder Unternehmensleitung laut Gesetz unverzüglich das Gesundheitsamt zu benachrichtigen. Dieses kann dann gegenüber den betroffenen Personen ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot verfügen.
Einzelvorschriften des § 20a IfSG sind überdies bußgeldbewehrt. Die Norm tritt mit Ablauf des Jahres 2022 wieder außer Kraft. Apothekenpersonal ist von dieser Nachweispflicht nicht unmittelbar betroffen. Anders sieht es jedoch aus, wenn dieses regelmäßig in der Klinik- und Heimversorgung aktiv und den entsprechenden Einrichtungen präsent ist.
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Eilantrag abgelehnt
Die neue Regelung im Infektionsschutzgesetz sorgte, nachdem sie beschlossen war, für Unruhe. Beispielsweise in Bayern tat man sich schwer. Man fürchtete, dass die ohnehin häufig überlasteten Kranken- und Pflegekräfte nun noch rarer werden.
Erwartungsgemäß gab es auch Betroffene – also im Gesundheits- und Pflegebereich Tätige –, die sich mit der neuen Vorgabe nicht arrangieren konnten. Einige von ihnen zogen vor das Bundesverfassungsgericht und machten dort eine Verletzung diverser Grund- und grundrechtsgleicher Rechte geltend. Bereits im Februar wiesen die Karlsruher Richter Eilanträge zurück. Nun hat der Erste Senat in der Hauptsache über die Verfassungsbeschwerde von insgesamt 54 Beschwerdeführer:innen entschieden – und sie ebenfalls zurückgewiesen.
Angemessen abgewogen und verhältnismäßig
Der Senat kommt zu dem Ergebnis, dass die angegriffenen Vorschriften die Beschwerdeführenden nicht in ihren Rechten verletzen. Soweit sie in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) eingriffen, seien diese Eingriffe verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber habe im Rahmen des ihm zustehenden Einschätzungsspielraums einen angemessenen Ausgleich zwischen dem mit der Nachweispflicht verfolgten Schutz vulnerabler Menschen vor einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 und den Grundrechtsbeeinträchtigungen gefunden. Trotz der hohen Eingriffsintensität müssten die grundrechtlich geschützten Interessen der im Gesundheits- und Pflegebereich tätigen Beschwerdeführenden letztlich zurücktreten, so die Richter:innen.
Lauterbach sieht sich bestätigt, Holetschek fordert allgemeine Impfpflicht
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sieht sich durch die Entscheidung bestätigt: „Der Staat ist verpflichtet, vulnerable Gruppen zu schützen“, erklärte er nach Bekanntwerden des Beschlusses. Er begrüße die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich. Er bedankte sich zudem bei allen Einrichtungen, die diese Impfpflicht umgesetzt haben. „Sie haben großen Anteil daran, dass es in der schweren Omikronwelle nicht noch mehr Todesfälle gegeben hat.“
Bayerns Gesundheits- und Pflegeminister Klaus Holetschek (CSU) begrüßte, dass mit der Entscheidung jetzt Klarheit bestehe. „Umso wichtiger ist es nun, dass die Bundesregierung ihre Verweigerungshaltung endlich aufgibt und schnell einen mehrheitsfähigen Vorschlag für die allgemeine Impfpflicht – zumindest jedoch für eine altersbezogene Impfpflicht – auf den Weg bringt“. Es dürften nicht nur diejenigen belastetet werden, „die bereits über viele Monate hinweg Höchstleistungen zum Wohle der Gemeinschaft erbracht haben und das Rückgrat der Pandemiebekämpfung bilden“. Die übrige Bevölkerung müsse jetzt „echte Solidarität“ zeigen. Bayern hatte bereits am vergangenen Montag gemeinsam mit Baden-Württemberg und Hessen eine Initiative für eine allgemeine Impfpflicht ab 60 Jahren gestartet.
Holetschek erklärte aber auch: „Bayern wird unabhängig vom heutigen Urteil an dem gestuften Verwaltungsverfahren mit Augenmaß festhalten. Denn die Gewährleistung der Versorgungsfähigkeit darf im Rahmen des Vollzuges der einrichtungsbezogenen Impfpflicht nicht gefährdet werden, wenn hierdurch etwa kranke Menschen nicht mehr behandelt und hilfsbedürftige Personen nicht mehr versorgt werden können. Das Wohl der vulnerablen Gruppen steht hier klar im Vordergrund.“
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 27. April 2022, Az.: 1 BvR 2649/21
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