Gematik-Beschluss zum E-Rezept-Fahrplan

Lauterbach: „Durchbruch für die Digitalisierung“

Berlin - 01.06.2022, 16:15 Uhr

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach: „Es ist der Beginn der überfälligen digitalen Revolution in unserem Gesundheitssystem“. (Foto: IMAGO / Political-Moments)

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach: „Es ist der Beginn der überfälligen digitalen Revolution in unserem Gesundheitssystem“. (Foto: IMAGO / Political-Moments)


Der Beschluss der Gematik-Gesellschafterversammlung, das E-Rezept zum 1. September ernsthaft zu starten – zumindest nach und nach in zwei Regionen –, ist für Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach der Beginn einer „digitalen Revolution“. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung freut sich indessen, dass ihre Bedenken gehört wurden. Und der Deutsche Apothekerverband erklärt, er stelle sich der „digitalen Transformation“.

Am gestrigen Dienstag haben sich die Gematik-Gesellschafter in einer Sonderversammlung auf den ersten Schritt des stufenweisen E-Rezept-Rollouts verständigt. Während die Apotheken ab dem 1. September bundesweit technisch bereit sein müssen, haben die Ärztinnen und Ärzte eine gewisse Anlaufzeit. Los geht es in Westfalen-Lippe und Schleswig-Holstein. Wie die Kassenärztlichen Vereinigungen der beiden Regionen mitteilen, soll bereits im Sommer eine erste strukturierte Startphase mit ausgesuchten Arztpraxen sowie Apotheken in Westfalen-Lippe beginnen. In Schleswig-Holstein ist man schon weiter: Hier würden bereits täglich 300 bis 500 E-Rezepte ausgestellt und eingelöst, heißt es. „Ab dem 1. September erfolgt dann der Start in Abhängigkeit von der tatsächlichen technischen und organisatorischen Verfügbarkeit im Rahmen eines sukzessiven schnellen Hochlaufs in den Praxen und Apotheken“. Ziel sei die Überführung in eine Routine, um eine schnellstmögliche Flächenabdeckung zu erreichen.

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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), dessen Haus bekanntlich Mehrheitsgesellschafter der Gematik ist, erklärte dazu: „Das ist ein Durchbruch für die Digitalisierung“. Das E-Rezept sei „ein Gewinn für Patienten, Ärzte und Apotheker“. Lauterbach ist überzeugt: „Es steigert die Arzneimittelsicherheit und spart Zeit und Wege. Das E-Rezept wird sich in der Praxis bewähren und dann schnell bundesweit Anwendung finden. Es ist der Beginn der überfälligen digitalen Revolution in unserem Gesundheitssystem.“ 

KBV: Nächste Phase erst, wenn die Qualitätskriterien erreicht sind

Indessen freut sich der KBV-Vorstand, dass es nicht ganz so schnell und scharf zugehen soll, wie zunächst noch vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) angedacht. „Unsere Bedenken wurden gehört: Eine automatische und verpflichtende Einführung des E-Rezepts zum 1. September in zwei Bundesländern ist vom Tisch. Vielmehr wird es ab Anfang September eine freiwillige Teilnahme von Pilotpraxen geben – und das unter klaren Rahmenbedingungen, die entscheidend dafür sind, wann und wie der weitere Rollout erfolgen wird“, erklärte Andreas Gassen. Der Vorstand dankte den KVen Westfalen-Lippe und Schleswig-Holstein, dass sie sich bereit erklärt haben, als Testregionen die Einführung des E-Rezepts zu unterstützen. Zudem dankte er dem Bundesgesundheitsminister, Verständnis für die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen und ihrer Probleme zu haben.

Thomas Kriedel, Mitglied des KBV-Vorstands, betonte zudem: „Grundsätzlich werden die jeweiligen Rollout-Phasen erst dann umgesetzt, wenn alle abgestimmten Qualitätskriterien erreicht und dies von den Gesellschaftern auch so festgestellt wird“. So erfolge frühestens drei Monate nach Start der ersten Phase – und auch nur dann, wenn ein gemeinsamer Beschluss über den erfolgreichen Abschluss getroffen werde –, der Einstieg in die nächste Phase mit sechs weiteren Bundesländern beziehungsweise KV-Regionen. Und auch das auf freiwilliger Basis. Genauso gehe es dann flächendeckend weiter. Die Gematik solle nun Vorschläge erarbeiten, welche Anreizsysteme zur Testteilnahme kurzfristig etabliert werden können. 

DAV: Apotheken sind längst  E-Rezept-ready

Der Deutsche Apothekerverband (DAV) begrüßt den Beschluss ebenfalls. „Wir stellen uns der digitalen Transformation und sind für die konsequente Einführung des E-Rezeptes“, sagte DAV-Vorsitzender Thomas Dittrich: „Was die Anbindung an die Telematik-Infrastruktur angeht, sind die Apotheken schon längst E-Rezept-ready. In den kommenden drei Monaten werden die Apotheken nun auch ihr Personal vollständig schulen, damit Hardware, Software und deren fachgerechte Bedienung reibungslos ineinandergreifen können.“

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Dittrich betonte aber auch: „Ganz besonders wichtig für alle Apotheken ist, dass die Versorgung aller Patientinnen und Patienten weiterhin reibungslos funktioniert“. Dazu gehöre, dass verbliebene technische Unzulänglichkeiten im Verarbeitungsprozess von E-Rezepten abgestellt würden und bis dahin nicht zu Retaxationen führten. „In ein paar Monaten wird es softwareseitig einen Referenzvalidator, also eine Art Prüfmodul, geben, das die technische Prüfung der E-Rezepte übernimmt.“

Zuspruch auch bei gesund.de

Auch gesund.de, die Plattform-Initative von Phoenix und Noventi, kommentierte den jüngsten Gematik-Gesellschafterbeschluss: „Wir begrüßen die Entscheidung der Gematik, denn wir sind davon überzeugt, dass damit ein wichtiger Schritt in Richtung moderne und effiziente Patientenversorgung getan ist. Der Abgabe- und Verordnungsprozess wird durch die Digitalisierung deutlich vereinfacht, wovon Versorger und die Patient:innen gleichermaßen profitieren“.

Gesund.de verspricht: Seine Partner-Apotheken – „mehr als ein Drittel der Apotheken in Deutschland“ – seien bestens für das E-Rezept gerüstet. „Wir werden sie aktiv bei der Kommunikation an ihre Kund:innen unterstützen und gemeinsam sicherstellen, dass die Patient:innen die Apotheken vor Ort als das erkennen, was sie sind: der beste Adressat für E-Rezepte“.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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3 Kommentare

Unglaublich

von Karl Friedrich Müller am 02.06.2022 um 9:37 Uhr

Wie weit entfernt der DAV von der Basis ist. Vertretung geht anders. Es gibt noch viele Probleme, nicht alle Softwareanbieter sind fertig.
Die Meldungen auch in der Tagespresse sind politische Lyrik, Schönrederei. Wie immer wird nur die heile Welt dargestellt, um bestimmte Ziele zu erreichen.
Erwähnt wird nicht der Patient, der keineswegs „ready“ ist, nicht die Ärzte, bzw der Datenmüll, der immer noch auf den Rezepten erscheint, von vielen Formfehlern und Nachlässigkeiten ganz zu schweigen.
Gestern war bei uns fast jedes 2.Rezept nicht in Ordnung!!!!
AM verordnet, die nicht mehr gelistet sind, nicht lieferbar, außer Handel. Die ewigen Reimporte, verordnet wg 2ct billiger!!! Und und und. Auch wenn einiges in der Apotheke regelbar ist, bedeutet es doch oft viel telefonieren. Mit dem eRezept wird eine Belieferung nicht möglich sein, vermutlich. Da kommen gigantischer Mehraufwand auf die Praxen zu.
Hier wird mit viel Unvernunft ein System brachial durchgezogen. Die Leidtragenden werden die Patienten und wir sein.
Schöne und heile Welt vorzugaukeln führt ins Desaster.
Und echt, das saudoofe Argument mit Papierersparnis. Der Ausdruck ist 4x so groß. Außerdem ist das auch nur vorgeschoben. Es geht einfach um wirtschaftliche Interessen. Nicht die der Apotheken (die angeblich profitieren, LOL) oder der Ärzte und Patienten. Nein. Eher der Politiker, Versand, Minister und Gematik.
Die Verblendung ist erschütternd.
Wie gesagt, das ist Politikstil heute, furchtbar.
PS: wir müssen vermutlich den Kunden auch noch alles erklären, dabei sind wir selbst noch im Lernprozess. Wie soll das gehen?

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AW: Unglaublich

von Karl Friedrich Müller am 02.06.2022 um 10:23 Uhr

Die Behauptung des DAV, die Apotheken seien „eRezept ready“ ist eine unverschämte Lüge und ein Skandal.
Die wissen das, wird doch von denen selbst relativiert durch den Zusatz, man sei an die TI anschlossen.
Das sagt halt nichts über die tatsächlichen Möglichkeiten und Gegebenheiten aus.
Öffentlich wird suggeriert, dass bei uns alles glatt laufen wird. Sogar die DAZ glaubt das, weil man sich halt nicht mehr in die Niederungen der Budenbesitzer gibt und nur bei Digitafreaks zu Gast ist.
Die Ausdünnung der Apotheken ist gewollt, dazu wird eine der Praxen kommen, schon aus Altersgründen.
Das Gesundheitswesen stirbt und man bildet sich ein, Versand, Onlineberatung und Onlinepraxen könnten das auffangen. Das wird richtig übel.

Mission accomplished

von ratatatosk am 02.06.2022 um 8:59 Uhr

Spart Zeit und Wege - ja und zwar zu den Versendern, Das was ja das Ziel, der Rest - egal. Jetzt können die Gelder fließen. Sinnvolle Digitalisierung ist das nicht, war aber auch nicht für eine Verbesserung der Patienten geplant. Wird auch sicher früher oder kürzer im Chaos enden, kleine technische Probleme reichen, und die sind bei der Gematik sicher .

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