DAT-Anträge zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit (Teil 2)

Umweltinfo in die ABDA-Datenbank und Schluss mit Add-ons

Stuttgart - 03.08.2022, 09:15 Uhr

Auch Apothekenschaufenster wollen dekoriert werden, allerdings schicken Hersteller oft unaufgefordert Dekomaterial. (s / Foto: Schelbert)

Auch Apothekenschaufenster wollen dekoriert werden, allerdings schicken Hersteller oft unaufgefordert Dekomaterial. (s / Foto: Schelbert)


Elf Anträge, davon drei Leitanträge, aus dem Bereich „Klimaschutz und Nachhaltigkeit“ erwarten die Delegierten beim Deutschen Apothekertag, der vom 14. bis 16. September in München stattfinden wird. Nachdem wir uns im ersten Teil mit den Ideen befasst haben, wie Apotheken und die Standesvertretung nachhaltiger werden können, geht es nun um Anregungen, die Kassen und Pharmaindustrie umsetzen könnten. 

Die Entscheidung, den Apothekertag in München unter dem Motto „Klimawandel, Pharmazie und Gesundheit“ stattfinden zu lassen, war im vergangenen Jahr in Düsseldorf gefallen. Der gemeinsame Antrag der Landesapothekerkammer Thüringen und der Apothekerkammer Westfalen-Lippe zur thematischen Ausrichtung wurde von den Delegierten angenommen. Dies spiegelt sich nun auch in den Anträgen zum diesjährigen DAT wider. Die Hauptversammlung startet zudem mit diesem Themenblock. Einige der Vorschläge betreffen Apotheken und Standesvertretung direkt, wie eine höhere Lagertemperatur für Arzneimittel und klimaneutrale Geschäftsstellen (mehr dazu im ersten Teil).  

Aber auch die Industrie wird in die Pflicht genommen, etwa in einem Leitantrag, der einen Antrag der Landesapothekerkammer Thüringen sowie einen weiteren von fünf Kolleg:innen, darunter BAV-Chefin Anke Rüdinger, zusammenfasst. Demnach sollen die pharmazeutischen Unternehmer und Kosmetikhersteller zukünftig die unaufgeforderte Zusendung von Werbematerialien, Aufstellern, Schaufensterdekorationen und ähnlichen Materialien unterlassen. Zudem wird die Industrie aufgefordert, alternative Konzepte zur umweltschonenderen Herstellung von notwendigen Proben, zum Beispiel zur Testung von Kosmetika zur Therapieunterstützung bei Hauterkrankungen, zu entwickeln, um die Ressourcenverschwendung in diesem Bereich zu begrenzen. 

Da diese Appelle nach Ansicht der Antragsteller bisher nicht in ausreichendem Maße Gehör fanden, soll der Gesetzgeber entsprechende rechtliche Schritte in die Wege leiten, um die Unternehmen zu einem verantwortlichen und nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen zu animieren und gegebenenfalls zu verpflichten. Damit soll neben dem Umweltaspekt auch erreicht werden, dass Patient:innen die Apotheke verstärkt als Ort der Ausübung von heilberuflicher Arbeit wahrnehmen und nicht als Abgabestelle für Add-ons.

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Außerdem soll, wenn es nach einem Antrag der Kammern Thüringen und Baden-Württemberg sowie des Landesapothekerverbands Baden-Württemberg geht, die pharmazeutische Industrie künftig nachhaltige und umweltschonende Verpackungskonzepte entwickeln. Dabei sollen Hygiene, Infektionsschutz und Arbeitssicherheit beachtet werden und die Konzepte den Kriterien des Umweltschutzes und der Wiederverwertbarkeit entsprechen.

Bewertung von Umweltrisiken als Teil der Zulassung

Die Landesapothekerkammer Thüringen fordert zudem in einem Antrag, die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, dass bei der Zulassung von Humanarzneimitteln die Umweltrisiken (Abbaubarkeit, ökotoxikologische Daten u. a.) erfasst und gegebenenfalls Schutzmaßnahmen festgelegt werden müssen. Denn aktuell werden für Humanarzneimittel Umweltrisiken weder systematisch erfasst, noch nach klaren Kriterien bewertet.

Darüber hinaus seien pharmazeutische Unternehmer nicht verpflichtet, ihre Arzneistoffe überhaupt auf „Umweltrisiken“ zu prüfen und die Ergebnisse zu veröffentlichen. Somit habe die „ökologische Bilanz“ auch keinen Einfluss auf die Zulassung entsprechender Arzneimittel, zum Beispiel hinsichtlich möglicher Auflagen. Das ist in Anbetracht der Auswirkungen vieler Arzneistoffe auf die Ökosysteme in den Augen der Thüringer ein Manko. Künftig sollen daher dem Antrag zufolge allen relevanten Informationen zum Arzneimittel (zum Beispiel Fachinformationen, Packungsbeilagen) dazu standardisierte Angaben gemacht werden. Außerdem erachtet die Kammer aus Thüringen mittelfristig eine Nachbewertung aller zugelassenen Altpräparate für notwendig. Das bewährte System der Pharmakovigilanz sei um eine „Ökopharmakovigilanz“ zu erweitern, die eine fortlaufende Prüfung und Bewertung der Umweltaspekte umfasst, so die Forderung. 

Ein weiterer Antrag aus Thüringen schließt gewissermaßen daran an: Ökotoxikologische und weitere umweltrelevante Daten von Arzneimitteln sollen in die ABDA-Datenbank integriert werden, um eine umfassende Information der Patientinnen und Patienten sowie von Akteuren des Gesundheitswesens, etwa Arztpraxen, gewährleisten zu können

Nur noch Rabattpartner mit nachprüfbaren Sozial- und Umweltstandards 

Die Kammer Thüringen hat zudem die Rabattverträge im Visier. Dem Antrag zufolge soll vom Gesetzgeber ermöglicht werden, in Rabattverträgen weitergehende Ausschreibe- bzw. Vergabekriterien zu vereinbaren – gegen den Versuch der AOK Rheinland bei einer Ausschreibung nicht nur den Preis, sondern auch die Lieferkette sowie der Umwelt- und Arbeitsschutz zu berücksichtigen, waren nämlich mehrere Hersteller gerichtlich vorgegangen und hatten vor der Vergabekammer des Bundes Recht bekommen. Zudem sollen die Krankenkassen, sich selbst verpflichten, nur noch Rabattverträge mit Firmen abzuschließen, die für alle Herstellungsschritte ihrer Arzneimittel die Einhaltung anerkannter Sozial- und Umweltstandards verbindlich und nachprüfbar zusichern.

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Außerdem sollen einem Leitantrag der Kammern aus Hamburg, Thüringen und Baden-Württemberg sowie des Landesapothekerbands Baden-Württemberg zufolge grundsätzlich alle Gesetzgebungsverfahren des Bundes und der Länder im Gesundheitswesen, aber auch in allen anderen Bereichen, auf ihre Klimaneutralität und Nachhaltigkeit hin geprüft werden. Weiter soll das Bundesministerium für Gesundheit federführend aufgefordert werden, gemeinsam mit den Marktbeteiligten die benötigten Ressourcen zur Versorgung des deutschen Arzneimittelmarkts mit Arzneimitteln zu ermitteln und Verbesserungen zur Verwendung dieser Ressourcen einzuleiten. Die pharmazeutische Industrie soll zudem angehalten werden, nachhaltige und umweltschonende Verpackungskonzepte zu entwickeln.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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