Zahlen des AVWL

Dj-Retax: Sind vor allem Hochpreiser betroffen?

Stuttgart - 27.09.2022, 07:00 Uhr

Dosierungsangabe vorhanden? Manche Kassen haben einen neuen Retaxgrund. (s / Foto: IMAGO / Jochen Tack)

Dosierungsangabe vorhanden? Manche Kassen haben einen neuen Retaxgrund. (s / Foto: IMAGO / Jochen Tack)


Einige Kassen haben fehlende Dosierungsangaben als neuen Retaxgrund auserkoren. Laut ABDA-Geschäftsführerin Ökonomie Claudia Korf kommen die Retaxationen aber vor allem bei Hochpreisern vor. Es sei also vom Preis abhängig, ob man genau hinschaut oder nicht, sagte diese beim Deutschen Apothekertag. Steckt dahinter also ein Geschäftsmodell?

Eine neue Pflichtangabe auf dem Rezept bedeutet einen neuen Retaxgrund für die Kassen. So lief das auch bei der Dosierungsangabe. Was eigentlich im Sinne der Patienten gedacht war, fiel den Apothekern auf die Füße. Um gegenzusteuern, wurde beim Deutschen Apothekertag ein Leitantrag zum Thema Retaxationen angenommen, laut dem unter anderem eine bundesweite Medienkampagne durchgeführt werden sollte, die auf das Problem der unrechtmäßigen Nullretaxationen wegen fehlender Dosierungsangaben auf dem Rezept hinweist. Dadurch sollen die Ärzteschaft, Patienten und Politik gleichermaßen aufgeklärt werden. Ziel ist es, dieses Vorgehen der Kassen zu unterbinden. 

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In der Diskussion erklärte Claudia Korf, die bei der ABDA für den Geschäftsbereich Ökonomie verantwortlich ist, dass die Retaxationen wegen fehlender Dosisangaben vor allem bei Hochpreisern vorkommen. Es sei also vom Preis abhängig, ob man genau hinschaut oder nicht, meinte sie. Zahlen blieb Korf jedoch schuldig. Die ABDA verweist auf Nachfrage an den Apothekerverband Westfalen-Lippe als Antragsteller. Und der liefert.

Hochpreiser machen 94 Prozent der Gesamtschadenssumme aus

Demnach sind beim AVWL in den vergangenen Monaten 109 Fälle von Dosierungsretaxationen mit einer Gesamtschadenssumme von 327.000 Euro eingegangen. Davon liegen 58 Fälle über der Hochpreiser-Grenze von 1238,50 Euro. Für diese 58 Fälle beläuft sich aber die Schadenssumme auf 307.000 Euro. Das sind 94 Prozent der Gesamtschadenssumme. Dieser Anteil dürfte deutlich höher sein, als der Anteil, den Hochpreiser im Allgemeinen am Apothekenumsatz haben, so eine Sprecherin des AVWL.

Zwischen 3,39 Euro und 81.000 Euro

Dass nur Hochpreiser betroffen sind, kann der Verband allerdings nicht bestätigen: Die niedrigste Schadenssumme beträgt 3,39 Euro, die höchste 81.000 Euro. „Es gehen also auch Fälle bei uns ein, in denen die Kassen kleine Beträge retaxieren“, sagt die Sprecherin. „Bislang retaxieren in Westfalen-Lippe vor allem kleinste Krankenkassen mit einem geringen Marktanteil. Wir möchten uns die wirtschaftlichen Schäden und bürokratischen Aufwände gar nicht ausmalen, wenn auch die großen GKV-Versicherungen derartige Rechnungskürzungen vornähmen.“

In 85 Prozent der Fälle seien die Einsprüche bereits anerkannt worden. 16 Fälle seien noch nicht abgeschlossen. Dies zeige, wie unberechtigt das Vorgehen der Kassen ist. „Für die betroffenen Apotheken, für die derartige Retaxationen existenzbedrohend sind (81.000 Euro!), ist dieses Vorgehen der Kassen höchst zermürbend und nervenaufreibend“, so die Sprecherin. In allen vorliegenden beanstandeten Fällen seien die Patienten gemäß ärztlichem Wunsch sicher versorgt worden.

„Es kann der Eindruck entstehen, dass es sich um ein Geschäftsmodell handelt.“

Dosierungsretaxationen sind im Übrigen nur ein Beispiel für Nullretaxationen. Dem AVWL liegen laut eigener Aussage auch Vollabsetzungen bei Preisankerüberschreitungen sowie im Falle formaler Fehler bei Nichtverfügbarkeitsanfragen vor. Und das, obgleich mit den Primärkassen in NRW vertraglich vereinbart sei, dass Rechnungskorrekturen allein in Höhe des wirtschaftlichen Schadens erfolgen dürfen. Solche Vollabsetzungen seien mithin gar nicht zulässig. Sie wären nur dann erlaubt, wenn die Kasse nicht zuständig ist, die Mittel nicht der Leistungspflicht unterliegen oder die Krankenkasse nicht von ihrer Sachleistungspflicht frei geworden ist, da das belieferte Mittel zum Beispiel nicht der ärztlichen Verordnung entsprochen hat. „Die Krankenkassen sind also gar nicht berechtigt, diese Rechnungen auf Null zu kürzen. Es kann demnach der Eindruck entstehen, dass es sich hier um ein Geschäftsmodell der betreffenden Kassen handelt, mit dem Ziel, sich Vermögensvorteile zu verschaffen“, so die Sprecherin des AVWL. 

Prüfaufwand versus 81.000 Euro-Retax

Im Falle der Retaxation in Höhe von 81.000 Euro hat laut dem Verband die zuständige Krankenkasse im Antwortschreiben auf den Einspruch, dem sie stattgegeben hat, übrigens erklärt: „Im konkreten Fall hat auf der betroffenen Verordnung die Dosierung gefehlt. Die Apotheke konnte im Einspruchsverfahren darlegen, dass der Versicherte das Arzneimittel schon mehrfach erhalten hat.“ Daher sei die Berichtigung umgehend zurückgenommen worden. Es sollte aber klar sein, dass die Prüfzentren nicht vor Auslösung jeder Berichtigung noch einmal die gesamte Verordnungshistorie eines Patienten prüfen könnten. Und weiter „Dies würde zu erheblichen Mehrkosten der Dienstleistung führen und letztlich zu einer weiteren finanziellen Belastung der Versicherten beitragen.“ Auch wenn der AVWL natürlich auch nicht wolle, dass wegen des Prüfaufwandes der Kassen die Versichertenbeiträge steigen, habe es den Verband schon etwas sprachlos gemacht, dass der Apotheke ohne Weiteres unrechtmäßig die finanzielle Belastung von 81.000 Euro zuzumuten ist, so die Sprecherin.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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2 Kommentare

Wieso....

von Thomas Eper am 27.09.2022 um 9:37 Uhr

Wieso müssen die Apotheken prüfen, ob die Ärzte Rp. gesetzeskonform ausstellen können? Das auch noch für lau.
Und wieso müssen wir die Fehler der Ärzte bezahlen?
Eigentlich ein Skandal.

Schön, wenn jemand aus der Politik darauf antworten würde!

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Zweifel !?

von ratatosk am 27.09.2022 um 8:21 Uhr

Wer, wenn etwas Verstand hat, zweifelt denn tatsächlich daran, daß das ganze ein abgekartetes Spiel ist ?
In 30 Jahren noch nie eine positive Retax erhalten, obwohl die Kassen auch dies machen müßten. Die heuern ihre Drückerkolonnen an und schieben die Beute in irgendeine Bonustopf. Zusätzlich wird es sicher , juristisch wohl korrekt, zusätzlich in der Quote von Falschabrechnungen bejammert. Nur bei uns geht das. Jede andere Rechnung kann man korrigieren. Die Politik will das auch genau so, sonst hätte sie es mit einem Federstrich vor Jahrzehnten schon geändert. Ist bei der Abmahnmafia auch nichts anderes.

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